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Kolumne: Die Weltkriegs-Romantik

Wie nah bist Du dem Kaiser?

Stein des Anstoßes der ewigen Shooterdebatte, gefühlte Runde 5000, ist diesmal ein überraschender Artikel auf Spiegel Online. Überraschend insoweit, dass der Spiegel nun nicht gerade Lanzen für Postal 2 bricht, aber doch oft, sachlich und meist auch recht positiv über Spiele jeglichen Genres berichtet.

Hier werden aber Parallelen gezogen, die… völlig richtig sind. Alien-Shootern ist wie Nazi-Shootern ist wie Kriegsspielen im Sandkasten. Marcus Fenix ist wie John Wayne. Es geht in den großen Schlachtspielen immer um gut gegen böse, richtig gegen falsch und friedlicher Ackerbauer gegen fieser Aggressor. Die Parallele zum zweiten Weltkrieg ist dabei besonders leicht zu ziehen, weil es der einzige Krieg war, in dem diese Seiten relativ klar definiert waren. Die bösen Nazis, der gute Rest. Viele Amerikaner behalten deshalb WWII als „The Good War“ in verklärter Erinnerung.

Was ich persönlich nicht verstehen kann, ist die plötzliche Aufregung des Autors über diese Parallele. In all diesen Spielen, Online-Modi jetzt einmal außen vor, ballert man für das Gute gegen das Böse. Das hat man im Buddelkasten schon so gemacht, das führte uns Hollywood tausendfach im Kino vor, man spielte den Guten gegen den Bösen. Man war auch als Deutscher meist der Amerikaner, in Nachkriegs-Propagandafilmen bezog man stets Position für die Alliierten und jetzt spielt man, von moralischem Ballast befreit, halt den wieder Underdog gegen die Invasionsmacht.

Ich hab keine Lust, ständig in die Rolle des moralischen Zwiespaltwanderers in GTA zu schlüpfen. Ich will als Held die Welt retten, das brauche ich zwischendurch und ehrlich gesagt bin ich vor diesem Artikel nie auf die Idee gekommen, dass irgendjemand glauben könnte, dass mich dies zu einem Hurra-Patrioten mit Völkerunterdrückung machen könnte und meine Lust an Weltkriegen fördern würde. Diese Argumentation scheint mir ähnlich kurzsichtig wie die bis auf die ausgetauschten Schlagworte identische um die Wirkung von Gewalt in Spielen.

Dort gilt der allgemeine Vorwurf, dass Spiele mit dargestellter Gewalt Menschen zu realen Gewalthandlungen „verführen“. Der Spiegelartikel, der in seinem letzten Absatz auf die Qualitäten der Helden von GTA hinweist, suggeriert nun mehr oder weniger subtil, dass patriotische Spiele Menschen zu realem Patriotismus „verführen“ und Krieg als gerechtfertigtes Töten hinstellen. Ich schrieb bereits an anderer Stelle ausführlich, warum Spiele mitunter vielleicht nicht hilfreich, aber nie allein ein Grund für Gewaltakte sind. Tauscht einfach die Wörter und Ihr habt die Argumentation, warum ein Spiel wie Resistance 2 oder Gears of War zwar bei einem rechtsnational verbohrtem Jungnazi nicht unbedingt hilfreich sein muss, um ihn von seiner ideologischen Verblendung zu befreien, aber die Menschheit vor außerirdischen Invasoren zu retten, hat ihn wohl kaum zu dem Menschen gemacht, der er ist.

Was die John Wayne-Sprüche und den Hurra-Patriotismus angeht, würde ich – wüsste ich nicht, um wen es sich bei dem Autor handelt - es einfach auf Visionen eines überreagierenden Althippies, der die 60s nie ganz überwunden hat, schieben. So aber scheint mehr dahinter zu stecken und ich kann verstehen, dass jemand die teilweise dämlichen Sprüche eines Marcus Fenix nicht gefallen. Dass sie einen aber zutiefst, mit Verdacht auf tiefe ideologische Einordnung, nicht behagen, finde ich erstaunlich.

Diese Spiele sind die logische Weiterentwicklung des platten Action-Kinos, in denen die Ausrichtung der Helden ohne Zweifel ist. Gut gegen böse, die Helden gegen Verbrecher, Terroristen, Aliens, Reisenroboter und Typen, die zumindest nicht so weit weg von Nazis waren. Es gibt inhaltlich bessere Filme, wie es auch inhaltlich bessere Spiele gibt. Und ehrlich gesagt hat sich wohl kaum jemand ernsthaft Gedanken um die Ideologie eines Independence Day gemacht, der Endstufe der Action-Verblödung im Stile Emmerichs. Das ist auch gar nicht nötig, weil alle diese reaktionären Sprüche im gedankenleeren Raum der Prolligkeit stattfinden und ohne schon vorher bereiteten Nährboden wohl kaum haften bleiben. Das war bei John Wayne und Will Smith nicht anders, als es jetzt bei Marcus F. auf J. ist. Willkommen auf der Erde.

Bringt das jetzt einen Zivi dazu, darüber nachzudenken, ob er die falsche Wahl traf? Verwandelt Killzone eine Generation indifferenter Post-X-Jugendlicher plötzlich in nationaltreue, stramme Soldaten, die den Befehl des Kaisers zur gerechtfertigten Invasion des stärkeren Nachbarn zwecks Lebensraumgewinnung nicht abwarten können? Falls ja, dann passiert es so versteckt, dass keiner was davon mitbekommt.

Mit ein wenig guten Willen muss man sich nicht einmal weit strecken, um auf Spiele wie Resistance oder Gears of War Ecos Grundmerkmale des Faschismus anzuwenden. Der ewige Kampf aus der Rolle des Schwächeren mit dem Versprechen des Endsiegs passt hier wunderbar, so wie es auch auf einige Richtungen des Metal, Rap, Comics oder Actionkinos passt. Dabei ist „300“ genau wie Resistance ziemlicher Blödsinn, aber nicht wirklich bedenklich. Gut und Böse sind definiert und überzeichnet, und wer den Kampf der Spartaner gegen den Außerirdischen aus StarGate auf den Kampf aufrechter Deutschnationaler gegen böse Ausländer bezieht, hat noch ganz andere Probleme mit seiner Wahrnehmung der Welt, an denen wohl kaum geistige Tiefflieger der Unterhaltungsbranche schuld sein dürften.

Natürlich sind diese Spiele nicht schlau, differenziert oder vielschichtig. Natürlich sind es keine Antikriegsspiele mit erhobenem Zeigfinger (gibt es so was eigentlich schon?). Nicht jedes Spiel muss das sein. An manchen Tagen will ich nur die Welt moralbefreit mit der Knarre in der Hand retten. Ich will der Gute sein und beides soll bitte für mich vordefiniert werden. Und ich will nicht ständig daran erinnert werden, dass meine Figur am besten von Sean Penn gespielt werden sollte, weil er am besten in der Lage wäre, die ganze Zerrissenheit meiner gespielten Situation darzustellen. Es gibt Tage, da schaue ich Platoon und Tage, da nehme ich Transformers.

Es ist nur ein Spiel. Kein Grund, Kaiser, Landser und Verdun auf den Plan zu rufen. Niemand wird nach einer Runde Killzone oder Call of Duty Lust darauf haben, in den Schützengraben zu steigen oder seine Einstellung zu den Massakern der Weltkriege ändern. Lighten up.

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