Kolumne: Panorama deckt es auf
Wir sind so böse Menschen!
Ich bin ein Sadist. Ich habe keine sozialen Kompetenzen. Ich bin dann am glücklichsten, wenn andere am Bildschirm sterben. Ich bin ein Killerspielspieler.
Panorama hat mir wieder gezeigt, wie schlimm das eigentlich ist, was ich da den ganzen Tag spiele. Ich vergewaltige Frauen, foltere hilflose Ladenbesitzer, bepflaster mich mit Hakenkreuzen und töte in "Hitlers Krieg" Horden von Soldaten, gedankenlos, ohne mit der Wimper zu zucken. Stirbt ein Opfer, platzt entweder der Kopf, oder es spritzen Blutfontänen aus allen Körperöffnungen - und daran finde ich Gefallen? Aber wie! "Je blutiger, desto besser, das macht das Spiel spaßiger".
In der Eurogamer-Redaktion bin ich bekannt als "Der Schlächter", in der Schule bin ich der absolute Außenseiter. Ich komme morgens mit Augenringen in die Schule, verprügle jeden, der mich schief anguckt, die Hälfte der Stunden schwänze ich, um im Blutrausch zu versinken. Die Lehrer tun nichts dagegen - sie haben Angst, sich mit mir anzulegen. Schließlich bin ich durch die Killerspiele bestens im Umgang mit allen Waffen geschult. Wenn ich wollte, könnte ich den Direktor mit einer Büroklammer und einem Faden töten und anschließend das Sondereinsatzkommando durch taktische Finten und menschenverachtende Taten ausmerzen.
Und ich bin nicht allein. Die wenigen Freunde, die ich habe, sind ebenfalls Killerspielspieler. Einmal in der Woche treffen wir uns in einer Scheune außerhalb der Stadt. Dort stehen, von einem Satansstern eingekreist, einige Computer. Nach der Anbetung des Teufels setzen wir uns an die Höllenmaschinen und der Blutrausch beginnt. Erst fangen wir mit dem brutalen Pacman an. Ein Amok laufender Smiley frisst sich gnadenlos durch ein Schulgangähnliches Labyrinth und erstarkt mit jeder Bluttat, die er begeht. Leider sind die Animationen nicht so realistisch, weshalb wir zu härteren Mitteln greifen: GTA: San Andreas. Mit der einzigen sinnvollen Waffe im Spiel, der Kettensäge, morden wir uns durch die Fußgängerzonen. Besonders gerne zerstückeln wir farbige Mädchen. Anschließend rufen wir einen Wettbewerb aus: Wer in einer halbe Stunde die meisten Mädchen in GTA vergewaltigt, ist der Erste, der das nächste, das ultimative Killerspiel starten darf:
Call of Duty
Dieses Spiel, das wohl Satan selbst erschuf, hat es in sich: Gemeinsam mit einer übermächtigen Gruppe aus skrupellosen Nazis machen wir Jagd auf hilflose Infanteristen. Unsere glänzenden Maschinengewehrläufe spucken alleszerfetzende Tötungsmacher durch den Rumpf der Opfer wie Butter, literweise Blut bedeckt den Boden. Für jede dieser Gräueltaten kommen wir unserem Ziel näher, sacken währenddessen weitere Vernichtungsutensilien ein, die unser bestialisches Morden noch brutaler gestalten. Dazu gehören dann auch spezielle Angriffe, bei denen wir dem Opfer die Beine bis zum Knie abhacken. Der Verstümmelte bettelt, doch wir kennen keine Gnade. Mit einem diabolischen Grinsen im Gesicht holen wir aus, um ihm den Gewehrkolben durch die Schädeldecke zu rammen, und stopfen ihm anschließend eine Granate ins Ohr. Das Ganze machen wir natürlich nicht mit Maus und Tastatur, sondern mit einem Joystick: Wer diese Tötungsmaschine beherrscht, ist ein wahrer Killerspielspieler.
Wer meint, ein Verbot würde jetzt noch helfen, liegt hoffnungslos daneben. Schon längst ist die Bruderschaft der Killerspielspieler ein Terrornetzwerk, die dem der Al-Qaeda um Jahre voraus ist. Beckstein und Konsorten sind nur ein kleiner Haufen, die uns nichts entgegen zusetzen haben. Wir haben die Macht über sämtlich Online- und Print-Magazine, die Tag für Tag Killerspiele in den Himmel loben und verteidigen. Wir steuern die Gedanken Tausender Menschen, und bläuen ihnen ein, Killerspiele seien nicht schlimm. Der Kampf gegen das Werk des Teufels ist schon längst verloren, und es kann nur noch ärger werden. Da helfen auch so mutige und objektive Berichte wie der von Panorama nicht.
Ach ja und bevor ich es vergesse: Vielen Dank auch für die gezeigten Spielversionen, die wir hierzulande so noch nie sehen durften. Und es ist zudem äußerst interessant, dass der Sex mit der Freundin im Hot-Coffee-Mod von GTA: San Andreas neuerdings unter Vergewaltigung fällt. Wirklich gut recherchiert. Journalismus pur.