Kolumne: Ring of Death
...und sie war tot!
Von der Notwendigkeit, Dinge so zu sagen, wie sie sind.
Ich habe den Ring gesehen. Die blutrote Dreifaltigkeit des Untergangs kündete mir vom leisen und – so Gott will – hoffentlich schmerzfreien Ableben meiner Next Gen-Hauptfrau. Schön war es mit ihr. Und schön wird es wieder werden – das jedenfalls versicherte mir das die nette und verständnisvolle Microsoft-Kundendienstlerin am anderen Ende der 0800er Nummer.
Immerhin: Gut eineinhalb Jahre hat es gedauert. Eineinhalb Jahre, in denen ich dank der 360 unzählige schöne Stunden in hochauflösenden Next Gen-Welten verlebt habe. Auch der hartnäckige Laufwerkskrach des Triple-Core Rechenwunders, der sogar meinem asthmatisch röchelnden Rentner-PC auf den Wecker fallen würde, hätte er nur Ohren, tat meiner Überzeugung keinen Abbruch: Seit Dezember 2005 parkte ein Stück rosiger Spielezukunft unter meinem TV-Schrank.
Die immer näher kommenden Gerüchte, die zunächst nur aus Übersee von den drei roten Leuchten und dem „Bricking“ (also der „Verbacksteinung“. Ein Hoch auf die englische Sprache!) der bereits zweiten, dritten oder gar sechsten Austausch-Xbox schwadronierten, habe ich wie so vieles mit Vorsicht genossen. Schließlich hat das Internet die interessante Angewohnheit, auch kleinere Gerüchte, Kaffeeklatsch und selbst ernst zu nehmende Probleme durch Stille-Post-Effekt und Flamewars noch zu ungesund epischen Proportionen aufzublasen. So schlimm konnte es doch gar nicht sein.
Ich bin nicht so vermessen zu denken, der Entschluss meiner Xbox, fortan eine Laufbahn als Briefbeschwerer einzuschlagen, hätte eine Aussagekraft für die Gesamtsituation, in der sich die erste Generation 360er befindet. Dennoch stimmt es: Das Problem existiert. Es ist real – und es ist ernst. So ernst, dass die britischen Bastler bei Micromart mittlerweile ihren 360-Reparaturdienst aufgegeben haben. Microsoft weiß das. Ihr Problem ist nur, dass sie derzeit einen gegenteiligen Eindruck erwecken.
Wenn ein Todd Holmdahl, seines Zeichens Vize der Spiele- und Xbox-Sparte bei Microsoft, in Interviews beharrlich jeden Kommentar zur Ausfallrate verweigert und sich sogar darum herum mogelt, frühere Aussagen, die Reklamationsrate liege im Bereich der üblichen drei Prozent, einer aktuellen Betrachtung zu unterziehen, dann bekommt man trotz aller Beteuerungen, man nehme die “vereinzelten Probleme sehr ernst“, ein ganz mieses Gefühl zwischen Hüfte und Brustbein. Warum den Mantel des Schweigens über ein technisches Problem decken, das mittlerweile weit mehr als nur ein Schreckgespenst ist; dem man bei Microsoft unter Hochdruck beizukommen versucht? Sollte der Kunde nicht wissen, dass man alles daran setzt, seinem vielleicht wichtigsten Produkt seit Windows 95 die Achillesferse abzutrainieren?
Es gibt keinen Zweifel daran, dass Microsoft derzeit alle Hebel in Bewegung setzt, um das auch wirtschaftlich strapaziöse Konsolensiechtum aufzuhalten und enttäuschte Käufer zu entschädigen. Wäre es nicht besser, die längst verunsicherte Kundschaft darüber aufzuklären? Ein simples „Ja, das Gerät hat ein Temperatur-Problem. Wir arbeiten Tag und Nacht daran und haben schon eine ganze Reihe von technischen Lösungen parat (Stichwort: zusätzliches Kühlelement). Für den Anfang würde es aber schon helfen, wenn Sie Ihre Konsole möglichst vertikal und frei aufstellen!“ würde dem Technik-Spuk etwas von seinem Schrecken nehmen, den unheimlichen Konsolentod entmystifizieren und dem Kunden in letzter Konsequenz das Gefühl geben, dass das Heil seines „bevorzugten Spielepults“ (O-Ton Microsoft Kundendienst-Umfrage) eben nicht von der Anzahl der Maccaroni-Bilder und Popcorn-Halsketten abhängt, die er täglich der Gottheit seiner Wahl opfert. Der vorbildliche und nette Kundenservice ist – trotz der stolzen Wartezeiten – jedenfalls schon ein Anfang.
Auch wenn ich schon ein paar Wochen auf mein repariertes Gerät warte, freue ich mich schon ganz gewaltig dessen Heimkehr. Wir haben viel nach zu holen. Denn es stimmt: Die Xbox 360 beschert tatsächlich eine tolle Spielerfahrung. Jeder weiß das. Es ist nur langsam an der Zeit, die Leute darüber aufzuklären, was sie noch nicht wissen.
Denn das ist es, was sie zweifeln lässt.
In diesem Sinne…