L.A. Noire - Ein Sündenpfuhl auf Nintendo, soweit ist es gekommen
Ein Krimi für Unterwegs, genau das Richtige für die Switch.
Es ist ein etwas unerwartetes Wiedersehen, aber sicher kein unwillkommenes. L.A. Noir mag nicht der größte Million-Seller gewesen sein, für Rockstar-Verhältnisse so nah, wie diese Firma an einen Flop kommt, aber das Spiel selbst bleibt eine Perle auf eine Reihe von Arten. Ihr habt einen abwechslungsreichen Plot durch die Untiefen der verschiedenen Polizeidezernate im L.A. der späten 40er, eine Zeit und ein Ort, der nur wenige Spiele überhaupt Aufmerksamkeit schenkten und wo es doch viel Potenzial gibt. Ihr habt eine intelligente Adventure-Rätsel-Struktur, wo es weit weniger Aufwand und mehr Konventionen sicher auch getan hätten. Und ihr hattet große Ambitionen, was das menschliche Gesicht angeht.
Ihr solltet aus den Verdächtigen und Zeugen lesen können, ob sie lügen oder nicht. Wohin gehen ihre Augen, gibt es Zeichen von ungewöhnlicher Nervosität und wie interpretiert ihr sie im Angesicht der Umstände? Die Verhöre waren das Kernelement des Spiels, mehr als alles andere und vor allem mehr als die offene Welt. Diese war für viele damals eine Enttäuschung, die von Rockstar eine Spielwiese voller Sandkastenmöglichkeiten erwarteten und ja, das wäre in der Epoche des Spiels sicher auch spannend gewesen. Aber ein Spiel darf sich seinen Fokus aussuchen und der heißt bei L.A. Noir nun mal harte, ehrliche Detektivarbeit.
Diese ist dreckig und brutal, die Opfer teilweise heftig zugerichtet und insoweit ist es für die Switch vielleicht nicht der einzige Ausflug in blutigere Gefilde - Doom kommt ja auch in Kürze - aber viel, was vor allem so in die Nähe "seriöser" Erwachsenen-Unterhaltung geht, gibt es da nicht. Die Frage ist jetzt: Wie viel Platz ist da zwischen Zelda und Mario für Sexual-, Drogen- und Morddelikte? Die Antwort werdet auch ihr als potenzieller Käufer in ein paar Tagen geben, aber nach einem kurzen Anspielen der Switch-Version - PS4, One und Vive-VR kommen auch, habe ich aber nicht gespielt - sehe ich für mich zumindest ein gewisses Potenzial. Die in der Bahn neben mir können gerne Splatter-Geschichten von Karen Slaughter - großartiger Künstlername - lesen, ich löse meine Fälle währenddessen in 720p.
Diese 720p sehen auf den kleinen Screen auch richtig gut aus. Gestochen scharf, die Straßen der verkommenen Stadt ziehen im unschuldigen Sonnenschein an euch vorbei, wie es sein sollte und man sieht auch hier schon ein wenig der Arbeit, die für das Remaster in das Spiel floss. Ein paar Lichteffekte hier und da mehr, ein paar Spiegelungen und andere Tricks, die alles etwas lebendiger wirken lassen, aber spielerisch natürlich nichts anders machen, als 2011. Ihr bekommt im Dezernat euren Fall, fahrt zum Tatort - oder lasst euch von eurem Partner chauffieren - und fangt vor Ort an, nach Hinweisen zu suchen.
Die Tatorte sind ein guter Ort, um sich der Switch-Touchscreen-Steuerung zuzuwenden. Erst einmal sei gesagt, dass ihr diese zu keinem Zeitpunkt nutzen müsst. Alles lässt sich wie gehabt mit Sticks und Tasten lenken und ich weiß nach 10 Minuten schon, dass ich persönlich auch dabeibleiben werde. Aber das heißt nicht, dass es nicht funktionieren würde. Ihr tippt wie in einem Adventure, wohin ihr laufen möchtet, ein Doppel-"Klick" lässt euch Objekte untersuchen und diese dreht ihr dann mit Fingerbewegungen hin- und her. Wer will, kann sogar Bewegungsgesten hier und da nutzen, wenn die Joy-Con abgekoppelt sind, auch das funktioniert so wie es soll. Und ich bin so dankbar, dass ich mich nicht damit befassen muss, sondern - eingedockt natürlich - auch zum Pro-Controller greifen kann.
Am TV läuft's dann in 1080p und so zeigt sich natürlich die neue Schönheit noch mehr im Detail. Ja, es ist natürlich kein Vergleich zu den hochgezüchteten Künsten von Pro und One X oder gar einem großen PC, aber für die Switch ist es nett, eine offene Welt jenseits von Zelda zu sehen, die in dem Falle auch mit ganz anderen Details hausieren gehen darf. Das Flair, durch diese Stadt zu kreuzen und den Charme einer vergangenen Welt auf sich wirken zu lassen, hat etwas ganz Bestimmtes und Besonderes. Es ist keine Sandbox, es ist ein Fenster, durch das sich der Blick lohnt.
Spielerisch gibt es Details, die neu sind. So heißen die Antwortmöglichkeiten nicht mehr Wahrheit, Lüge und Anklage, sondern guter Cop, böser Cop und Anklage. Es macht so formuliert viel mehr Sinn und erklärt auch die heftigen Ausbrüche des Protagonisten besser, wenn ihr jemanden der Lüge bezichtigt. Er geht halt sehr viel aggressiver in der Befragung heran, wobei es natürlich immer noch ganz schöne Diskrepanzen im Gesprächsverlauf geben wird, wenn ihr zwischen Auswahl Eins und Zwei wechselt. Trotzdem, als Geste nehme ich die neuen Begriffe gern.
Relevanter sind zwei neue Kamera-Entfernungen, eine näher dran über die Schulter den Helden und eine etwas weiter herausgezoomt für mehr Übersicht. Die erste macht an Tatorten in Häusern Sinn, die andere gibt euch bei weitläufigeren Orten mehr Übersicht. Ihr habt ein paar neue Sammelobjekte und ein paar neue Anzüge für den Cop von Welt, aber erwartet sonst keine neuen Inhalte. Es wäre halt mit der bis heute beeindruckenden MotionScan-Technik doch ein klein wenig aufwändiger gewesen mal eben neue Fälle zu basteln. Die PS4- und One-Version läuft in 1080p und auf Pro und X in 4K nativ, aber wie gesagt, diese Versionen habe ich nicht angespielt.
Am Ende ist es sowieso die Switch-Version, die für ein erstauntes Anheben der Augenbraue sorgt. Ein Nintendo-Handheld hat schon vorher Rockstar-Spiele gesehen, aber dieses hier passt gut zum portablen Konzept. Ihr könnt die offene Welt komplett weglassen - oder vielmehr wegdrücken - und L.A. Noire wie eine lange, interaktive Krimiserie während einer langen Bahnfahrt wegschmökern und selbst beim morgendlichen Pendeln den einen oder anderen Fall lösen. Die Technik wirkt gut umgesetzt und selbst, wenn ich persönlich sage, dass man den ganzen Touch-Krams nicht braucht, ist er funktional und wird dem einen oder anderen wohl gefallen. Vor allem aber erweitert es elegant das Portfolio der Switch. Ihr habt nun Klempner, einen Helden in Strumpfhosen und den Strumpfhosenmörder passend dazu.