L.A. Noire

Seid ihr schnell genug, überrascht ihr sie in der Wohnung des Filmemachers und werdet in einen waschechten Faustkampf verwickelt. Das Kampfsystem erinnert dabei stark an Mafia 2. Ihr könnt einfache Kombos abfeuern, Angriffe blocken, angeschlagene Gegner umhauen oder Handschellen anlegen. Wie auch die späteren Deckungsschießereien sollen solche Elemente nur die Story vorantreiben. Sind scheinbar weder sonderlich schwer noch kompliziert zu steuern.

Danach seht ihr euch in der Bruchbude um und entdeckt weitere Hinweise. Ein Scheck über 20.000 Dollar an den Requisiteur Marlon Hopgood und eine erschütterte Ehefrau, die nach einer harten Befragung zugibt, dass ihr Mann scheinbar auf kleine Mädchen steht. Scheinbar betreibt Marlon in seinem Tonstudio ein lukratives Nebengeschäft. Auch hier folgt ihr Hinweisen, versucht den Verdächtigen in Widersprüche zu verwickeln und so der Wahrheit immer näherzukommen. Die Lösung des Falls spare ich mir an dieser Stelle. Ja, es ist noch eine Weile hin, trotzdem möchte euch nicht spoilern. Nur so viel: Es wird richtig schmutzig.

Das große Finale liefert neben einem tragischen Ende auch zwei neue Gameplay-Elemente. Verfolgt von McAffees Männern, jagt ihr mit eurem Chevy durch den dichten Verkehr der Westküsten-Metropole. Während diese mit Pistolen und Schrotflinten auf euch schießen, versucht ihr sie mit eurem Fahrzeug von der Straße zu drängen. Scheiben zerspringen, Blech verbiegt sich und am Ende überschlägt sich das Fahrzeug der Bösewichter. Das ist zwar nicht ganz die hohe Burnout-Schule und spielt sich deutlich gemütlicher, lockert das Detektiv-Business aber schön auf.

Auch die anschließende Schießerei in einer Dschungel-Filmkulisse will nicht mit Uncharted 2 konkurrieren, sondern soll nur das Gesamtbild vervollständigen. Ihr könnt euch aber wie bei Mafia 2 in Deckung werfen, blind feuern, langsam eure Lebensenergie regenerieren und Waffen von Feinden aufnehmen. Zur KI kann man noch nicht viel sagen. Ja, sie geht in Deckung und trifft auch ganz ordentlich, aber auch hier dürft ihr nicht zu viel erwarten. L.A. Noire ist ein Gesamtkunstwerk und mehr als die Summe seiner Teile. Die atmosphärische Blues-Musik, die hervorragende, moderne Grafik, das beeindruckende Setdesign und die fantastischen Dialoge der bekannten TV-Schauspieler, zum Beispiel von Fringe-Star John Noble, vermischen sich zu einem einmaligen Erlebnis, das zurecht als erster Third-Party-Titel seit Max Payne 2 den Namen Rockstar tragen darf.

Kriminalfälle sind ja normalerweise nicht so mein Ding. Mit CSI kann man mich jagen und wenn Tatort im Fernsehen kommt, schalte ich fast automatisch um. Doch mit der richtigen Besetzung und dem richtigen Thema kann mich auch ein Shark, ein Damages oder ein Law & Order in seinen Bann ziehen. Und so ähnlich geht es mir mit vergleichbaren Videospielen. Adventures langweilen mich. Doch das liegt nicht nur an der oft langwierigen Suche nach der Lösung, sondern auch an der spröden Umsetzung. Und genau hier kann L.A. Noire punkten. Das an sich eher trockene Ermittler-Gameplay wird durch Action- und Befragungselemente wunderbar aufgelockert, ohne sich wie bei Mafia 2 in den Ballereien zu verlieren.

Außerdem stecken hinter der Figuren nicht nur erstklassige Sprecher, sondern ebenso geniale Schauspieler, die dank MotionScan nahezu perfekt in das Spiel integriert wurden. So werden aus DEM OPFER und DEM TÄTER echte Menschen, die leben, leiden und lieben. Wie schon bei Heavy Rain wird so die Lösung des Falls nicht zum Selbstzweck, sondern zu etwas Menschlichem.

Kurz: L.A. Noire hat mich vollkommen überrascht. Ja, es wäre schön, wenn man mehr eigene Entscheidungen treffen müsste und sich diese sich auch auf die Spielwelt auswirken. Doch auch ohne den Heavy-Rain-Ansatz ist die Charakterdarstellung bahnbrechend und das Spielgeschehen eigenständig genug, um als spielbarer Film Noir Fans des Szenarios und klassischer Third-Person-Games gleichermaßen zu faszinieren. So wurde aus dem nebulösen Kunstobjekt eines unbekannten australischen Studios für mich ein echter Hit-Anwärter, der mit etwas Polishing und den richtigen Fällen zumindest qualitativ mit den anderen Rockstar-Titeln gleichziehen könnte. Das Frühjahr wird wirklich fantastisch.