Lara Croft und der Tempel des Osiris - Vier gewinnt?
Doppelte Spieleranzahl, Loot und bewährte Koop-Mechaniken. War eigentlich überfällig, oder?
Lara Croft feierte schon zahlreiche Wiederauferstehungen. Angel of Darkness, Tomb Raider Anniversary, Legend und zuletzt Tomb Raider kann man jedes für sich bereits als Generalüberholung der Marke bezeichnen. Jedes einzelne fand seine eigenen Freunde und Feinde - O. k., außer Angel of Darkness, das mochte niemand. Trotz der vielen Inkarnationen der Frau Croft war es aber ausgerechnet ein kleiner Download-Titel aus der Vogelperspektive, der sich besonders tief in die Herzen der Spieler knobelte.
Lara Croft and the Guardian of Light begeisterte 2010 aus ungewohntem Blickwinkel mit wunderbaren Puzzlemechaniken, die das Zusammenspiel zwischen zwei Spielern so befriedigend gestalteten wie wenige andere Titel. Es war old-school und modern zugleich, wie hier zwei Figuren ihre unterschiedlichen Talente miteinander kombinierten, um eine Serie immer komplexerer Rätselräume zu überwinden. Und selbst, wenn man die Lösung recht schnell erkannte, machte die Durchführung der erforderlichen Manöver aufgrund der clever integrierten Werkzeuge immer noch eine Menge Spaß.
Es verwundert nicht, dass die Freunde dieses Titels seit vier Jahren nach einem Nachfolger schreien, den sie jetzt, am 9. Dezember, endlich bekommen sollen. Um schon einmal vorzufühlen, konnte ich gestern auf einem Berliner Event das erste Mal probespielen und verlebte dabei eine gewohnt gute Zeit. Doch damit das gleich als Erstes vom Tisch ist: Lara Croft und der Tempel des Osiris geht der Überraschungseffekt des Vorgängers ganz eindeutig ab. Binnen zwei Minuten, in denen man den Controller hält, weiß man, was Phase ist. Man schießt mit Laras Enterhaken um sich, seilt sich ab oder strafft Hochseilbrücken, als hätte man nie was anderes gemacht. Auch die neuen Spielzeuge der ägyptischen Gottheiten Isis und Horus, die wie Geschwister aussehen, aber Mutter und Sohn sind, lassen einen gewissen Aha!-Effekt vermissen.
Erinnert ihr euch noch, als ihr vor vier Jahren das erste Mal Totecs Speer in eine Wand warft und herausfandet, dass Lara darauf stehen kann? Ein so lautes "Hey, das ist clever!" werden euch die Werkzeuge im Tempel des Osiris vermutlich nicht entlocken. Mit einer Ausnahme vielleicht: Die Nil-Götter können sich in einer Kugel aus Energie einschließen und sind so immun gegen jeglichen Schaden. So weit, so konventionell. Sobald man aber mit dieser Kugel ins Wasser rollt, kullert man wie ein sehr dicker Jesus über die Wogen, anstatt sich als Freischwimmer zu beweisen. Der Clou: Da die Energiekugel auch eine Plattform für Mitspieler darstellt, kann sich ein Kollege auf die andere Seite tragen lassen, statt zu schwimmen, und gegebenenfalls auch die Waffen sprechen lassen. Die Frage ist, ob das Leveldesign, das je nach Mitspielerzahl die auszulösenden Mechanismen und Schalter mitskaliert, diese Talentkombination auch oft genug abfragt.
"Da es neuerdings zu viert durch die Gruften geht, ist ein gewisser Chaosfaktor nicht von der Hand zu weisen."
Ansonsten blieb es zwar in Sachen Skills unspektakulär, aber durchweg gefällig. Man legt Bomben und fernzündet sie, nutzt das magische Zepter von Isis oder Horus, um mit Hieroglyphen verzierte Plattformen in Bewegung zu setzen, oder schützt seine Freunde mit dem Schutzschild vor heranfliegenden Feinden. Sind Gegner im Spiel, wird nach Art eines Twin-Stick-Shooters geballert, wobei zahlreiche verschiedene Waffen erneut zum Experimentieren einladen. Abgesehen von der Standardwaffe unterliegen alle Ballermänner einer Munitionsbeschränkung. Ob sich das spielerisch bemerkbar macht oder am Ende so oder so genügend Nachschub vorhanden ist, lässt sich nach einer groben halben Stunde noch nicht sagen.
Da es neuerdings zu viert durch die Gruften geht, ist ein gewisser Chaosfaktor nicht von der Hand zu weisen, wenn die Spieler wild durcheinanderrollen, Bomben liegen lassen und Jahrtausende alte Tonwaren im Dutzend zu Bruch gehen. Für mich ist Temple of Osiris eher ein Spiel für zwei, da wir es ohnehin mit zwei Archäologen und zwei Ägyptern mit im Grunde genommen identischen Fähigkeiten zu tun haben. Nett ist es trotzdem, die Option zu haben, auch mit drei weiteren Kumpels im Drop-in-drop-out-Koop auf die Jagd nach Relikten zu gehen.
Um der in den letzten vier Jahren um sich greifenden Loot-Verrücktheit entgegenzukommen, gibt es in diesem Arm des Lara-Croft-Universums nun auch Beutestücke, die sich als Ringe oder Kleidung unterschiedlicher Seltenheitsgrade ausrüsten lassen und die Eigenschaftswerte der Spielfigur um Resistenzen sowie Einzel- und Gruppenperks verbessern. Zwischen den einzelnen Gruften könnt ihr auf der nun interaktiveren Oberweltkarte Schatzkisten finden, die sich gegen zuvor gesammelte Juwelen öffnen und dann mit neuem Loot bei der Hand sind. Wer sich mit seinem eigenen PSN-Profil auf der Konsole eines Freundes zum Koop einloggt, behält nach seiner Heimkehr sogar alles, was er in der Session zuvor fand. Nett.
Wie gesagt, große Überraschungen blieben während meiner Anspielsitzung aus. Das allgemeine Spielgefühl war aber angenehm locker, der Look stimmig und der Einsatz der jeweiligen Talente durchweg interessant. Überhaupt gefiel, wie zielstrebig und ohne Leerlauf wir vier uns durch diese Katakomben schossen und knobelten. Lara Croft und der Tempel des Osiris zeigt, dass in dieser Idee auch in Zeiten von guten Gauntlet-Neuauflagen und perfekt funktionierenden Konsolen-Diablos noch viel Leben steckt. Fast wünschte man sich, man hätte hierauf nicht vier Jahre warten müssen.