Lasst mich in Dark Souls 2 wieder ahnungslos sterben.
Ich werde schon noch herausfinden, was falsch lief.
Die neuesten News von Dark Souls 2 kommentierte ich zwar einem Kollegen in einer anderen Redaktion gegenüber auf seine Frage, was ich von der Nachricht über die Fortsetzung unseren Lieblingsspiels halten würde, mit "Geile Scheiße, Alter!" - ich tippe auf dem Telefon ungern und fasse mich dabei lieber kurz und prägnant -, aber bei näherer Betrachtung war ich dann doch... „beunruhigt“ müsste das richtige Wort sein.
Was das Team angeht, scheint ja alles beim Alten zu bleiben, keine Sorgen in dieser Richtung also. Aber der kleine Nebensatz von wegen "verständlicher" und "unkomplizierter" gab mir dann doch zu denken. Das sind erst mal positive Worte, was gibt es an "verständlicher" auszusetzen? Nicht viel. Außer dass Dark Souls für mich zumindest nicht nur einfach schwer war, sondern dass ich für eine Weile wie die Kuh vorm neuen Tor stand, ungefähr so, als wäre es 1987 und ich boote das erste Mal Flight Simulator 3 ohne Anleitung. Ahnungslos und Spaß dabei.
Erkundung ist mehr als neue Grafik zu sehen
Ich persönlich habe viel Spaß dabei, in einem Spiel Dinge herauszufinden und Dark Souls, wie auch sein Vorgänger Demon's Souls, waren dafür perfekte Spielwiesen. Bei Dark Souls weiß ich nach über 200 Spielstunden immer noch nicht über einiges Bescheid und die Handlung - von der ich glaube, dass sie durchaus vorhanden ist, aber nicht erzählt wird - reime ich mir zusammen. Es wird gerade genug dafür geboten, damit ich das kann.
So etwass kann einem geringeren Spiel das Genick brechen, vor allem wenn es falsch angefasst wird, aber in diesem Falle erreichte es genau das Gegenteil. Es weckte meine Neugierde. Was zur Hölle ist mit diesen Kulten los? Wer sind diese Typen? Wie zum Teufel kann ich die Waffe höher als +5 steigern? Was mache ich mit diesen komischen Steinen? Einiges davon müsste ich selbst nach all der Spielzeit nachgucken, zu anderen Dingen habe ich die falschen Theorien entwickelt, aber vieles habe ich auch herausgefunden und mich über jede Entdeckung gefreut. Weil ich es gefunden habe. Nicht, weil es in einem Tutorial haarklein erklärt wurde. Nicht, weil es funktionierte wie in jedem anderen Spiel. Nicht, weil ich eine Karte von einem Händler kaufen konnte, auf der alle "Geheimnisse" eingezeichnet waren. Ich selbst habe das geschafft. Das Spiel hat mich bemächtigt, das zu tun und dieses ganz eigene Gefühl von Erkundung wiederzufinden, das seit Jahren schon verloren geglaubt war.
Ahnungslos und Spaß dabei.
Nehmt 97 Prozent aller Open-World-Spiele. Ihr habt eine Karte, auf der fast alles außer vielleicht ein paar gänzlich sinnloser Sammelobjekte verzeichnet ist. Die ersten drei Missionen erklären auch dem letzten Deppen, wie alles funktioniert. Im Grunde kann ich ausgehend vom spielerischen Entdeckungsfaktor - also nicht nur neue Orte und Feinde angucken, sondern wirklich graduell verstehen, wie ein Spiel tickt - diese Games nach einer Stunde ausmachen. Wenn es mal so lange dauert. Dark Souls dagegen hat so viel Zeugs in sich, mit dem es sich keine Mühe macht, es zu erklären und das sogar relevant sein kann, wenn man dahinter kommt, was es tut, dass man praktisch immer etwas dazulernen kann.
Die Gebiete kenne ich alle, die Monster müsste ich alle schon mal besiegt haben, aber ich spiele es immer noch, weil ich in der Nutzung der Möglichkeiten und auch im Verständnis der Welt - oder zumindest dem, was ich dafür halte - immer noch dazulerne und experimentiere. Kein Far Cry 3 bietet mir das, schon gar kein Call of Duty und nicht mal ein GTA 4. GTA 3 hatte damals im Simpleren so einen Effekt, allein durch die schiere Masse an Möglichkeiten und die damals noch neuen Freiheiten. Dort entdeckte man nach Tagen noch irgendwas, das man nicht probiert hat, heute kennt man es zum einen schon, da derartige Spiele in sehr vertrauten Wassern bleiben und inzwischen auch einen sehr unkompliziert in die Richtung schubsen, wo es glaubt, dass der Spieler noch was sehen sollte. Mehr noch, als es ein GTA 3 tat. Man merkt, dass diese Spiele einem alles zeigen wollen, was sie haben, auf dass bloß kein Mini-Spiel unbeachtet bleibt. Das ist ein Unterschied zu Dark Souls, dem das komplett egal scheint, ob ihr überhaupt was seht. Entweder ihr lernt und kommt weiter oder ihr bleibt halt, wo ihr seid.
Wer die Zeit hat, sollte sie sinnvoll nutzen.
Es gibt eine - nicht ganz ungerechtfertigte und sehr verständliche - Anspruchshaltung auf Seiten vieler Spieler, dass das Spiel zu ihnen kommen soll. Es soll sich erklären, zeigen, was es für seine 60 Euro zu bieten hat und ja nichts auslassen.
Bevor ich etwas gegen diese Einstellung sage, möchte ich anmerken, dass man hier anfangen muss zu trennen, und zwar in Spieler-Gruppen sortiert nach Zeitkontingent. Ein Far Cry 3 lege ich ein, verstehe alles davon in einer Stunde, kann jeden Abend in einer halben Stunde, die mir vielleicht zwischen all den Verpflichtungen des Lebens bleibt, eine Mission spielen und am nächsten Tag glücklich zurückkehren. Am Sonntag ist dann etwas mehr Zeit da und auch dafür hat das Spiel mehr als genug Laufzeit in sich. Ich mag dieses Spiel - ich spiele es sogar gerade mit Hingabe - und ich würde jedem, der seine Zeit zum Spielen so planen muss, zehnmal eher Far Cry 3 als Dark Souls an Herz legen. Auch ist es klar, dass ein Spiel, egal, wie zugänglich der Inhalt ist, diesen Inhalt für sein Geld bieten muss. Wenig Spiel hinter einer Nebelwand aus mangelnder Zugänglichkeit zu verstecken zählt nicht und gehört sich auch bestraft. Das Spiel muss am Ende immer sein Geld wert sein. Diesen Anspruch hat der Spieler und das völlig zu Recht.
Es gibt eine - nicht ganz ungerechtfertigte und sehr verständliche - Anspruchshaltung aufseiten vieler Spieler, dass das Spiel zu ihnen kommen soll.
Was ich jedoch absprechen möchte, ist das, was ich gerade zuvor sagte: dass das Spiel zum Spieler kommen muss. Das Spiel muss da sein, es muss Umfang, Komplexität und auch ein paar eigene Ideen bieten und es muss mir eine Chance lassen, diese Dinge zu erschließen. Aber das ist es auch. Wenn ich mir diese Dinge erarbeiten muss und dieser Prozess auch immer wieder Erfolgserlebnisse erlaubt, dann ist mir das unendlich lieber als das x-te Mal ein Tutorial zu spielen, dessen Inhalt ich auswendig kenne, nur aus anderen Spielen halt. Das ist Zeitverschwendung, nicht nur für einen erfahrenen Spieler, sondern auch für Neulinge. Spielen heißt jenseits von Mensch-Ärgere-Dich-Nicht auch forschen, taktieren und zu eigenen Schlüssen kommen können. Ein gutes Spiel zu spielen - nicht nur Videospiele, sondern generell - ist eine Art Einstiegs-Wissenschaft. Die Gleichschaltung der Steuerung und der Spielelemente in vielen Bereichen aktuell unterbindet das, Dark Souls ist eine der ganz wenigen Ausnahmen jenseits des Indie-Bereiches. Vielleicht das einzige seiner Art, das euch nicht an der Haustür abholt und an der Hand herumführt, ohne auch nur einmal bis zum Abspann wirklich loszulassen.
Das trägt auch das Potenzial für einen ganz eigenen Koop-Aspekt in sich, bei dem ich das Vergnügen hatte, ihn in voller Entfaltung zu erleben. Als wir in den Redaktionen das Spiel vorab bekamen, hatte keiner einen Plan von dem, was auf uns zukam und keiner konnte im Internet einfach nachgucken. Mit besagtem Kollegen, mit dem ich obige Kurz-Konversation führte, telefonierte ich in dieser Zeit praktisch täglich, wir tauschten uns ständig aus, sobald einer etwas herausfand, es machte sogar Spaß eine Lösung zu schreiben. Das war nicht einfach nur eine Lösung, für uns war es eine Art Tagebuch unsere Erfolge, die wir dem Spiel abtrotzten. Warum sollte ich bei genannten anderen Spielen groß mit jemandem darüber reden? Über was sollten wir reden? "Guck mal, da ist das und das". "Weiß ich, ich kann auch die Karte lesen." Für euch im Anschluss war es dann etwas einfacher, wenn ihr auf unsere Werke zurückgegriffen habt, aber viele haben sicher Ähnliches bei Dark Souls wie wir erlebt, es gibt unzähligen Foren-Diskussionen zu den wildesten Themen des Spiels und das war etwas, was Dark Souls hervorhob, bereicherte und praktisch einzigartig machte.
Fantasie? nicht nötig, ist im Preis inklusive
Was die Handlung und die Spielwelt angeht, auch dort sehe ich die Wortkargheit von Dark Souls als großes Plus. Es hätte vielleicht ein kleines bisschen mehr sein dürfen, aber nicht mal da bin ich mir sicher. Vergleicht es mit einem Skyrim. Björn hatte letztens vielleicht recht, als er sagte, dass man zu Beginn etwas in kaltes Wasser geworfen wird, aber das Spiel gibt sich alle Mühe es aufzuholen. Jeder quatscht mit einem, zu allem gibt es unzählige Bücher, alles wird erklärt. Selbst wenn etwas mystisch sein soll, dann ist es das nicht, wenn man es in allen Details vom Anbeginn der Zeit bis jetzt ausbreitet. Skyrim ist vollgestopft mit Geschichten und Details und das ist auch sehr interessant. Aber es ist nicht mystisch und geheimnisvoll. In Dark Souls stehe ich vor gewaltigen Ruinen und habe keinen Blassen. Einzelne Hinweise ergeben ein brüchiges Bild, ich denke mir den Rest und es bleibt dabei viel Raum für die eigene Fantasie. Wiederum, etwas, dem Spiele, insbesondere teuer produzierte AAA-Titel, heute eher skeptisch gegenüberzustehen scheinen.
Ich will ein Dark Souls 2 nicht "verständlicher" oder "unkomplizierter" haben. Ich will, dass es anders ist.
Die eigene Fantasie ist bei einem Skyrim nicht gefragt, sicher nicht in den meisten Shootern und inzwischen auch nicht mehr in Halo. Dabei war das wenigstens noch ein Titel, der mit seinen geheimnisvollen Ring-Welten für ein Weilchen die Fantasie anregte, bevor er dann seine Erklärung abgab. Dass diese kam, halte ich auch nicht für verwerflich, es muss nicht immer so weit gehen, wie Dark Souls das tut. Nur lassen sich viele Spiele nicht einmal dieses bisschen Spielraum.
Ich will ein Dark Souls 2 nicht "verständlicher" oder "unkomplizierter" haben. Ich will, dass es anders ist, damit ich wieder auf eine lange, schwierige und lohnende Erkundungstour gehen kann. Nicht nur durch die Spielwelt, sondern auch durch das Gameplay. Ich will, dass es mir auch nach hundert Stunden noch nicht auf die Nase bindet, was ich noch nicht verstanden habe. Ich freue mich zu sehr darauf, es noch herauszufinden.