Legacy of Ys: Book I & II
Hit & Run
Ist das eigentlich ein Kampfsystem? Bedeutet System nicht ein wenig mehr als einfach nur den Feind umzurennen? Nicht, wenn es nach Ys geht. Seit über 20 Jahren rammt der rotschöpfige Held Adol bereits im vollen Lauf seine Widersacher in Grund und Boden. Aus dem richtigen Winkel kommt er angeflitzt, der Kontakt dauert kaum eine Sekunde und schon lösen sich Bestie und Fiesling in einen Beutel Gold auf. Keine Tastendrückereien, das Steuerkreuz war alles, was nötig war. Und jetzt ersetzt Steuerkreuz durch Stylus und Ihr habt Legacy of Ys: Book I & II auf dem DS.
Das „System“ ist dermaßen simpel, dass Freunde komplexer Kombos und ausgefeilter Kampfroutinen besser einen großzügigen Sicherheitsabstand wahren sollten. Selbst das komplett verfehlte und nervige alternative Steuerungslayout ohne Stylus, aber dafür mit Tastendruck für jeden Hieb, wird sie nicht reizen und bleibt dank des völlig unnötigen und daumenaufreibenden Buttonsmashings sowieso borderline-unspielbar. Haltet Euch an den Stylus, setzt ihn in die Richtung, in der Held flitzen soll und er wird sie schon umrennen.
Das mit Wunderlichste an diesem simplen Konzept dürfte sein, dass es funktioniert und sogar mehr oder weniger Spaß macht. Ihr erkundet im Eilschritt die Gegend, ohne dass Euch die Massen an Biestern unnötig aufhalten würden. Die Horden der Monster weit unter Eurer Stufe teilt Ihr wie Moses das rote Meer und so hält sich der Stress angesichts einiger nötiger Backtracking-Ausflüge in Grenzen. In frischen Arealen schleicht Ihr ein wenig vorsichtiger. Erwischt Ihr einen Gegner nicht richtig oder überrascht er Euch gar, zeigen sie, dass sie Euch durchaus und in Sekundenbruchteilen mehr als nur ein wenig gefährlich werden können.
Y´s merkt man bei dieser Balance deutlich sein Alter an. Sobald Ihr an einen markanten Punkt kommt, beispielsweise einen Endboss, der Euch praktisch sofort erledigt, bevor Ihr auch nur den ersten Millimeter seines Lebensbalkens ankratzen konntet, bringt Nachdenken Euch nicht groß weiter. Saust noch einmal eine Runde um den Block, tackelt genug Monster für ein oder zwei Levelaufstiege und schon wendet sich das Blatt drastisch. Der Aufbau gibt sich so archaisch, dass er in dieser Form praktisch schon in Vergessenheit geriet.
Großartige Rätsel solltet Ihr in dem Klassiker ebenfalls nicht erwarten. Klare Anweisungen definieren den nächsten Ort, zu dem Ihr müsst und nur ein paar Items, zum Beispiel eine Maske, die Euch versteckte Passagen, dafür aber keine Monster mehr sehen lässt, sorgen für eine Mischung aus ein wenig Grübeln und viel Herumwandern. Der Verkäufer in dem Spieleladen meiner Kindheit brachte es schon damals gut auf den Punkt: „Wenn Du in Ys nicht weiterkommst, dann renn einfach lange genug herum. Irgendwann wirst Du schon was finden.“
1989 ging das durch, heute sieht die Welt ein klein wenig anders aus und im Vergleich zu den Möglichkeiten in einem Zelda: Phantom Hourglass zeigen sich all diese spielerischen Altersfalten sehr deutlich. Inhaltlich wirkt es weniger angegraut. Eine in sich recht schlüssige Geschichte um eine untergegangene magische Zivilisation und mystische Bücher inklusive Weltuntergang und fliegende Kontinente deckt alle Fronten der Japan-RPG-Klischees ab, ohne dabei wie ein Plagiat zu wirken. Es mag nicht die größte Geschichte der Welt sein. Nur eine die funktioniert und Euch durch die beiden Spiele bringt – vor langer Zeit waren I und II getrennt -, ohne zu langweilen.
Neben dem brauchbaren Stylus-Support widmete man sich auf dem DS der Grafik, das allerdings mit deutlich weniger Erfolg. Auf PC und PS2 erschienen in Japan wunderschöne Remakes in Form polierter 2D-Grafiken. Ein Stil, der dem DS weit mehr schmeicheln würde als dieser fehlgeleitete Versuch, Ys in ein Zwangs-3D-Gewand zu pressen. In wirklich hässliche Bereiche driftet es glücklicherweise nur selten ab, aber glücklich wird hier trotzdem keiner. Retro-Enthusiasten und Technik-Fetischisten werden sich an langweiligen Objekten, billigen Texturen und aufgesetzt wirkenden Figuren gleichermaßen stoßen, die sich auch durch ein paar nette Charakterportraits nicht so einfach retten lassen.
Ebenso wenig Gegenliebe dürfte der grundlos neu arrangierte Soundtrack erfahren, der für sich genommen gar nicht mal so übel sein mag, dabei aber die Brillanz der klassischen und zu recht hochgelobten Melodien deutlich missen lässt. Bleibt noch ein Kloppt-Euch-um-das-Item-Modus für vier Spieler mit vier Modulen. Schwerlich das, was bei Y's in den letzten zwei Dekaden vermisst wurde.
Ich habe überhaupt kein Problem, Euch Ys I & II als 8 Euro-Download auf der Virtual Console oder sonst einer Konsole zu empfehlen. Ein Retro-Klassiker, von dem niemand modernste Spielgestaltung erwartet. Das Paket allerdings zum Vollpreis anzuraten, verursacht Bauchschmerzen. Gerade die Welt des Action-Adventures machte mit jedem Zelda-Spiel einen kleinen Sprung und hat sich inzwischen so weit fortentwickelt, dass Legacy of Ys: Book I & II wie das plötzliche Erscheinen eines Steinzeitmenschen wirkt. Nicht unbedingt unsympathisch, aber doch ein wenig verloren und grobschlächtig.
Das bedeutet nicht, dass hier gar kein Spaß zu finden wäre. Ein schlichtes Spielsystem, eingebettet in eine solide Handlung und genug Umfang für ein paar lange Abende bringen Spaß, sofern Ihr Euch mit der Simplizität des Ganzen anfreunden könnt. Womit ich allerdings gar nicht warm werde, ist die Tatsache, dass dies vor allem optisch das Schwächste der bisherigen Remakes sein dürfte. Sammler und harte Fans werden sicher trotzdem über einen Kauf nachdenken, auf den Rest der DS-Welt warten mehr als genug frischere und interessantere Action-Rollis.
In den USA ist Legacy of Y´s: Book I & II bereits erhältlich, in Japan werden die beiden Teile wie schon vor Urzeiten getrennt verkauft. Für Europa gibt es bisher keine Ankündigung.