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Lemminge mit Appetit auf Hirn: Zombie Night Terror

Frischer Knobler mit bekannten Werten.

Angesichts der fantastischen Art-Direction dieses mit Ausnahme des fließenden Pixelblutes schwarz-weiß gehaltenen Knobelspiels ist es schon eine kleine Enttäuschung, das Poster von Zombie Night Terror. Irgendwie ist es auf die schlechte Art trashig und bei weitem nicht so stilsicher wie das Spiel, das mich auf Gambitious' Event in Amsterdam mit Abstand am längsten von allen beschäftigte. Aber eine Sache macht es richtig, den Slogan: "Be the Zombie-Apocalypse".

Besser kann man es nicht beschreiben. Ihr startet mit einer Seitenansicht einer Szene. Ein belebter Straßenzug mit einem Kino, vor dem sich Zivilisten in Sprechblasen unterhalten. Ein mehrstöckiges Krankenhaus mit Weißkitteln, die man beim schwarzhumorigen Ärztepfusch beobachtet oder wie sie Patienten krude Streiche spielen. Und dann schickt man in diese Szene einen Zombie und schaut, wie viele Menschen ihr in eure Horde aufnehmen könnt.

Die Zombies bewegen sich vollkommen selbstständig. Kontrolle übt ihr aus, indem ihr ihre Verhalten beeinflusst: Welche Tür ist als Erstes aufzubrechen, platziert ihr einen Stopper oder lasst ihr sie zu kletterfähigen Monstern mutieren?

Oft beginnt das mit einer Injektion der neuen Designerdroge "Romero" (kapiert? "ROMERO"!?), die ihr am unteren Bildschirmrand auswählt, als wäre es ein Job aus DMA Designs Klassiker Lemmings. Nur, dass ihr eben keinen Buddler oder Treppchenstapler kreiert, sondern den armen Teufel, auf den eure Wahl fällt, zu einem menschenfressenden Untoten verwandelt. Als Belohnung häuft ihr nicht nur mehr der grauen Gammler an, die sich am Rest der Levelbevölkerung - soweit zugänglich - laben, sondern auch Genmaterial. Dadurch stupst ihr nicht ganz billige Mutationen an, damit aus einem langsamen Läufer ein flinker Krabbler wird, dem tiefe Stürze nichts anhaben, der Wände hoch- und Lüftungsschächte durchklettert.

Ein Stopper und ein massiver Tank-Verschnitt komplettieren die drei Grundformen der Untoten neben dem normalen Zombiestatus. Dazu kommen dann Fähigkeiten, Einmal-Skills, die eure wandelnden Leichensoldaten kurz rennen oder einmalig springen lassen, sie zur Explosion bringen, um brüchige Wände einzureißen. Auch das Spucken ansteckender Galle und ein Zombie-Schrei, den ich noch nicht freispielen konnte, gehören ins Repertoire, sobald ihr die entsprechenden Genmodifikationen in einem der Level gefunden habt.

Nicht alle Menschen wollen als Abendessen enden und wehren sich mit Schusswaffen, Molotovs und Granaten.

Cool ist daran, dass sich die Zombie-Grundformen und die Skills kombinieren lassen. Wendet man etwa am Rande eines Abgrundes die Springfähigkeit auf einen Stopper an, der mit Blick zur Grube platziert wurde, schleudert dieser alle Kollegen, die ihn in hineinstolpern, mehr oder weniger sicher auf die andere Seite, um dort erneut eine kleine Lawine aus fahler Haut, Gekröse und gefletschten Zähnen zu entfachen.

Wie komme ich in den zweiten Stock, in welcher Reihenfolge infiziere ich die Leute und wie komme ich an den Waffennarren im Keller vorbei, ohne zu viele meiner Ghoule zu riskieren? Daraus entspinnt sich in jedem Level aufs Neue ein makaber-lustiges Puzzle auf der Suche nach dem perfekten Weg. Visuell glänzt das Spiel mit schockierenden, übertriebenen Blutfontänen und komödiantisch-theatralischen Todesanimationen. Die reduziert in Szene gesetzten Figuren versprühen mit ihren fließenden Bewegungen aber ebenso reichlich Charakter wie rotes Plasma. Dazu einige klassisch-inbrünstige Horrorfilmschreie, wie man sie in dieser Qualität auch in Großproduktionen selten hört.

In jeder Szene machen die Zivilisten eine Weile ihr eigenes Ding, bevor sie begreifen, was bald mit ihnen passieren wird. Das bietet Nährboden für mal mehr mal weniger gelungene Komik. Meistens aber mehr.

Zombie Night Terror stützt sich auf ein Konzept, das auch 25 Jahre nach dem ersten Lemmings noch ausgezeichnet funktioniert - vor allem, wenn es so geschmackvoll schadenfreudig aufgemacht und so charmant und detailverliebt animiert ist wie hier. Sicher, in den bisher gesehenen Leveln ist der Weg zum Ziel nicht ganz so offen ausgelegt wie im legendären Vorbild. Terrainverformungen und eigene Wege und Brücken errichtet man hier nicht. Die Entwickler von NoClip hatten ziemlich genau einen optimalen Weg im Sinn, als sie diese Umgebungen designten. Aber das ist nicht per se schlecht, sondern bedeutet nur, dass man Vergleich, bei allen Gemeinsamkeiten im Geiste, ein bisschen hinkt. So oder so: Zombie Night Terror ist etwas zum Grübeln, Händereiben und Lachen. Davon kann man nie genug haben.

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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