Lichdom: Battlemage - Test
So viel Macht - und nichts, was man damit anstellen könnte.
Magier waren schon immer die Nerds der Fantasy-Spiele. In einem Medium, das sich in seinen Anfängen noch vornehmlich an Jungs richtete, hatten die Ritter in den glänzenden Rüstungen, die Paladine oder auch Barbaren stets mehr Zugkraft. Offenkundige Stärke, kerniges Aussehen und der Mumm, Probleme vornehmlich mit gewetztem Stahl aus dem Weg zu räumen, verwiesen zauberfertige, weise Helden nicht nur bildlich gesprochen in die zweite Reihe, sondern auch in den Partys aller möglichen Rollenspiele. Mit dem hageren, langnasigen, alten Kauz identifizierte sich niemand. Missen wollte man ihn trotzdem nicht.
Ganz abgesehen von den gängigen Heldenidealen und offensichtlichen Machtfantasien heranwachsender Jungs sind Magier in offensiver Hinsicht auf indirekte Attacken ausgelegt. Hier trifft kein scharfkantiges Metall Momente nach dem Tastendruck auf Orkfleisch, kein Schild wird in letzter Sekunde hochgerissen, um scheppernd einen Keulenhieb abzufangen. Dazu kommen Cooldowns und anderes Mikromanagement, die zumindest dafür sorgen, dass man sich eher clever fühlt als stark, wenn man als dürrer Langbart mit feurigen Fingerspitzen einen Fantasy-Kampf gewinnt. Mit Lichdom: Battlemage hat sich Xaviant des Problems angenommen und versucht Magieanwendung zur Bauchsache zu machen. Kann sich das so befriedigend anfühlen wie ein echter und ehrlicher Vollkontaktkampf?
Und wie er das kann! Lichdom löst das Problem mit den Mitteln eines Actionspiels aus der ersten Person. Feuer, Eis oder Blitze modelt ihr in einem komplexen Crafting-System zu Projektilen, Granaten oder Strählen und gebt ihnen mit verschiedenen Siegeln neben direktem Schaden auch Eigenschaften wie Debuffs, Verkettung oder Schaden über Zeit mit auf den Weg. Jeder Spruch lässt sich zudem als Falle im Level platzieren, einfach indem man beide Maustasten zugleich hält und auf die Stelle zielt, wo die Gegner in ihr Verderben rennen sollen. Und dann ist da noch der Schild, der, im perfekten Moment hochgerissen, einen Angriff des Gegners mit einem gemeinen Konter eurer Wahl quittiert. Jeder Treffer kracht, das Aufladen der Sprüche durch Halten der Maustaste vermittelt zusätzliches Gewicht und alleine schon optisch richtet man ein ungemein befriedigendes, aber nicht übermäßig brutales Zaubergemetzel an. Das sind die Basics.
Doch es geht mit der Zeit auch exotischer: Kinese stößt je nach Zusammensetzung Feinde weg, bindet sie an einem gewissen Ort oder lässt sie in der Luft schweben, was bei der Mengenkontrolle hilft. Spätere Siegel schmiedet ihr in einem zunächst sperrigen und ungenügend erklärten, dann aber durchaus eingängigen Menü zu Angriffen, die einander komplementieren. Trefft Gegner mit einer eitrigen Granate purer Verderbnis und die auf ihnen sprießenden Wucherungen platzen nach einem kritischen Feuer- oder Eisballtreffer. Ein Schwarm allesfressender Biester bricht dann aus eurem unglückseligen Gegenüber hervor und macht sich zielsicher über umstehende Gegner her. Eine andere Variante wäre, aus den Pusteln einen alle Feinde schwächenden, schwebenden Blob schlüpfen zu lassen. Die richtige Zauberkombination und die gebotene Übersicht vorausgesetzt, erzeugt man wunderbare Kettenreaktionen, die einem das Gefühl geben, alles richtig gemacht zu haben.
Bis man eine effektive Kombination dreier Elemente gefunden hat, dauert es eine Weile - und dann kann man in jeder Konstellation noch stundenlang optimieren, weil man sich immer neue Siegel verdient, die sich zu etwas Neuem, Stärkerem kombinieren lassen. Die Möglichkeiten sind mannigfaltig und da ihr stets nur drei Zauberschulen zugleich ausrüsten dürft, lädt das System auch zu ausgiebigem Experimenten ein. Bis hierhin ist also alles super. Trotzdem hatte ich nur phasenweise den Spaß, den ich hätte empfinden sollen. Leider entwickelte Xaviant den Rest des Spiels nicht mit derselben Konsequenz zu Ende wie das Zaubersystem. In jeder anderen maßgeblichen Disziplin versinkt das Spiel mit der Zeit in behäbiger Belanglosigkeit.
"Xaviant versteht nichts von Spannungskurven oder der Kunst, ein Kampfszenario so anzulegen, dass es den Spieler auf unterschiedliche Arten anregt."
Zu allererst wäre wohl die Tatsache zu nennen, dass Xaviant seine Fantasy-Welt zwar geschmackvoll gestaltete, am Ende aber gutes Level- und gutes Art-Design für ein und dieselbe Sache hielt. Dabei wird das Problem schon offensichtlich, wenn man sich durch den ersten der viel zu langen Level simsalabimt: Man hat hier eine schöne Welt in einer der attraktivsten Engines auf dem Markt vor der Nase, läuft aber nur endlose Zickzackkurse ab, die nur hier und da mal hinter einer nicht sofort sichtbaren Biegung eine beliebige Belohnung verstecken. Die Level in Lichdom sind eine einzige Arena im Format eines nicht übermäßig verknoteten Gartenschlauchs. Xaviant kennt weder Punkt noch Komma, versteht nichts von Spannungskurven oder der Kunst, ein Kampfszenario so anzulegen, dass es den Spieler auf unterschiedliche Arten anregt.
Schlimmer noch, Lichdom bietet auch keinerlei Gelegenheit für bedeutsame Interaktion. Nie müsst ihr überlegen, wie ihr weiterkommt. Höchstens der Gedanke, ob ihr nach einem kniffligen Kampf noch in die einzig richtige Richtung lauft, kommt euch ab und an. Es gibt keine Schlüssel-Schloss-Mechaniken, Physikrätsel oder irgendwelche interessanten Einsatzmöglichkeiten für eure Zauber, die über das Versehren von Feinden hinausgingen. Auch Ausrüstungsgegenstände oder irgendeine andere Möglichkeit, seinem Charakter auch abseits der ausgerüsteten Siegel einen persönlichen Anstrich zu verleihen, sucht man vergebens. Eine Partie Lichdom ist, als bewunderte man Postkartenmotive, während man im Vordergrund mehr oder weniger das Fantasy-Äquivalent eines Bürgersteigs abschreitet. Da wird gekämpft, gekämpft, gekämpft, bis sich eine Feindbegegnung anfühlt wie die letzte. Das ist einfach nur ermüdend und steht im strammen Gegensatz zu den im Grunde genommen aufregenden Systemen, auf die sich das Spiel etwas zu leichtfertig stützt.
Einer der clevereren Design-Einfälle ist das Progressionssystem für das Loot: Für jeden Checkpunkt, den ihr erreicht, ohne zu sterben, steigt die Güte der Zauberzutaten, die Gegner und magische Kapseln ausspucken. Das hebt mit jedem Kampf den Einsatz und motiviert zu konzentriertem Spielen. Aber es frustriert auch ein ums andere Mal, wenn Lichdom mal wieder beweist, dass es nicht vorhat, grundlegende Regeln anzuerkennen. Etwa die, dass die Möglichkeit, in seinen Tod zu stürzen, in einem Spiel ohne Erkundungs-, Sprung- oder Kletterelemente, die einem Respekt vor der Spielwelt abnötigten, einfach fehl am Platz ist. Wenn ein Titel unsichtbare Wände oder zumindest eine Abfangautomatik gebraucht hätte, dann dieses, so oft huscht man hier im Rückwärtsgang mit Blick zum Feind durch die Gegend. Und wenn man dann stirbt, dann geht es zurück zum letzten der weit auseinandergesetzten Checkpunkte - selbstverständlich sind dann alle der besiegten Untoten wieder an Ort und Stelle, wo man sie zuvor schon einmal zerlegte.
Technisch ist für einen Titel im mittleren Preissegment alles in Ordnung, wenngleich man sieht, dass hier nicht mit dem größten Budget gearbeitet wurde. Die Animationen der Gesichter erreichen PlayStation-2-Niveau, das spielinterne V-Sync funktioniert nicht und an maximale Einstellungen ist trotz nicht unbedingt bester Grafik mit meinem eigentlich sehr potenten i5 3570 @4,2 GHz und mit Geforce 770 nicht zu denken. Das kennt man von der CryEngine 3, bekommt dafür aber meistens visuell noch Ansprechenderes geboten.
Es ist eigentlich fast tragisch: Der Gedanke eines Doom oder Serious Sam mit Magieeinsatz ist reizvoll, und Xaviant hält ein flammendes Plädoyer für Magier als spieltragende Kraft. Aber man hat auch das Gefühl, hier nur ein halbes Spiel vor sich zu haben. Die Kämpfe sind zunächst aufregend, beseelt geradezu, verlieren sich dann aber in den gleichförmigen und viel zu langen Leveln in endloser Wiederholung. Das befriedigende Ebben und Wogen einer guten Kampagne, mit Ruhephasen, Höhepunkten und maßvoller Eskalation, Lichdom kennt es nicht. Die verwirrende Geschichte tut ihren Teil dazu, indem sie nur nur an Checkpunkten stattfindet und den Spieler so vom Akteur zum Zuschauer degradiert.
Trotzdem müsste man das Spiel allen Interessierten eigentlich unter Vorbehalt - und vielleicht nach einer Preisreduktion - empfehlen. Und sei es nur, damit Xaviant die Möglichkeit bekommt, seine spannenden Gedanken zum Thema Zauberei in Videospielen in einem Nachfolger zu Ende zu denken.