Life is Strange 2: Der zweiten Staffel mangelt es ein wenig an Spannung und Unvorhersehbarem
Das macht sie nicht weniger gut.
Mehrere Monate sind seit der Flucht von Sean und Daniel aus Seattle vergangen. Im echten Leben und im Spiel. Der Winter ist da, beide schlagen sich so gut es geht durch und kämpfen gegen die widrigen Umstände an. Das alles mit einem Ziel: Nach Mexiko zu gelangen. Auf dem Weg dorthin steht ein Zwischenstopp bei den Großeltern der beiden in Oregon auf dem Programm.
Dieses Intermezzo verdeutlicht, wie Life is Strange 2 ein gewisses Maß an Spannung vermissen lässt, zum Teil vorhersehbar ist. Im Hinterkopf habe ich ständig den Gedanken, dass beide sich auf einem Roadtrip befinden, das ist die Prämisse der Fortsetzung. Und zu sehen, wie gut es Sean und Daniel bei ihren Großeltern geht, gestaltet sich beinahe frustrierend. Ich denke mir, dass beide gut dort leben könnten. Und doch weiß ich, dass am Ende irgendeine Scheiße passiert, die dafür sorgt, dass sie weiterziehen müssen.
Ich warte regelrecht auf diesen Moment, der ohne Zweifel kommt. Wie sich die Ereignisse letzten Endes entfalten, hängt bis zu einem gewissen Grad von euren Entscheidungen ab. Sagen wir es so: Was am Ende in meinem Durchgang passierte, war für mich kurz vorher abzusehen. Es ist eine direkte Folge eurer Wahlmöglichkeiten - und eine mit unter Umständen bitteren Konsequenzen. Vor allem, wenn es ganz und gar nicht das ist, was ihr möchtet. Aber ich fange jetzt nicht neu an und tüftle mir das perfekte Ergebnis zusammen. Ich lebe mit den Dingen, die ich tue und nicht tue. Und mit den Ereignissen, die daraus resultieren.
Den Titel "Rules" trägt die zweite Episode nicht umsonst. Daniels Kräfte entwickeln sich von Tag zu Tag weiter und er hat sie immer besser im Griff. Sean bemüht sich unterdessen, seinen kleinen Bruder unter Kontrolle zu halten, was ihm nicht immer gelingt. Die Thematik des Erwachsenwerdens und des Rollenvorbilds zieht sich in Episode 2 erneut von Anfang bis Ende wie ein roter Faden durch die Geschichte.
Ich bemühe mich zum Beispiel darum, dass Daniel seine Kräfte allein im äußersten Notfall einsetzt, wenn es nicht mehr anders geht. Gleichzeitig ist er ein Kind und viele von euch wissen, wie Kinder sind. Sie hören nicht auf das, was ihr ihnen sagt. Begreifen nicht alles, was ihr ihnen zu vermitteln versucht. Hier liegt es an euch, mit Sean eine konsequente Linie zu fahren und nicht so zu entscheiden, wie es euch im jeweiligen Moment passt.
Auf einem Weihnachtsmarkt wäre es möglich gewesen, einem Anwohner mit Daniels Fähigkeiten einen Streich zu spielen, weil dieser ein paar Durchreisende anmacht, mit denen die beiden einen netten Plausch führten. So gerne ich diese Szene gesehen hätte, ich ließ es am Ende bleiben. Weil ich sonst meine eigenen Regeln gebrochen hätte. In diesem Sinne ist Life is Strange 2 in gewisser Weise ein Selbsttest. Ich stelle die Regeln für Daniel auf, befolge ich sie dann ebenso?
Wie stark sich diese Charakterentwicklung in den späteren Episoden zeigt, vermag ich nicht hundertprozentig abzuschätzen. Square Enix spricht davon, dass Dinge, die ihr in Episode 1 entschieden habt, euren Weg im Spielverlauf signifikant beeinflussen können. Zu entscheiden, ob Daniel seine Kräfte zeigt, offen damit umgeht und andere einweiht oder sie verheimlicht, hat zum Beispiel Auswirkungen auf das Ende dieser Episode. Und je offener Daniel im Umgang damit ist, desto schwieriger haben es beide letzten Endes, vermute ich. Wie weit das geht, bleibt abzuwarten.
Es ist so, wie es Sean in einem Gespräch in dieser Episode thematisiert. Werden beide gefasst und die Behörden finden heraus, welche Kräfte Daniel hat, würden sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit nie wieder sehen. Dabei ist nicht immer alles schwarz und weiß. In gewissen Situationen ist es eine enorme Herausforderung, nicht dem eingeschlagenen Pfad zu widersprechen. Es hilft, an das große Ganze im Hintergrund zu denken und sich nicht darauf zu konzentrieren, was in einzelnen Momenten "richtig" wäre.
Und wo für mich hier ein wenig Spannung und Unvorhersehbares fehlt, macht das die Bindung zu den Charakteren wieder wett. Wenn hier nicht der Beschützerinstinkt in euch zum Tragen kommt, dann weiß ich es auch nicht. Beide wirken auf mich anfälliger als Max und Chloe in Life is Strange 1. Max war es möglich, Ereignisse ungeschehen zu machen. Diesen Luxus haben Sean und Daniel nicht. Wenn hier was passiert, dann passiert es. Und so stellte ich mir am Ende dieser Folge die Frage, warum ein Charakter das, was ich wenige Augenblicke zuvor miterlebte, getan hat. Dann wurde mir klar: es lag an mir beziehungsweise meinen Entscheidungen. Mir fiel ein, was ich hätte machen können, damit es anders läuft. Durch diese Endgültigkeit wirkt Life is Strange 2 auf emotionaler Ebene noch stärker als sein Vorgänger. Denkt darüber nach, was ihr tut und wie ihr es tut.
Ich freue mich auf Episode drei, auch wenn ich zum jetzigen Zeitpunkt im Grunde zu 100 Prozent weiß, dass beide an deren Ende erneut weiterziehen. Auf der einen Seite ist das schade, weil es unweigerlich kommt. Auf der anderen Seite ist alles, was dazwischen passiert, enorm stark.
Entwickler/Publisher: Dontnod/Square Enix - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Preis: ca. 8 Euro für Episode eins, 33 für die Episoden 2 bis 5 oder ca. 40 Euro für das Komplettpaket - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: Xbox One - Sprache: Englisch mit deutschen Untertiteln - Mikrotransaktionen: nein
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