Life is Strange, Episode 5: Polarized - Test
Ein Sturm zieht auf.
Nachdem Max und Chloe in der vierten Episode von Life is Strange so einige Dinge herausgefunden haben, die sie im Fall der vermissten Rachel auf eine gute Spur brachten, endete die Folge auf eine doch recht erschütternde Art und Weise. Und genau daran knüpft das Finale unmittelbar an. Max befindet sich im Dark Room ihres Kidnappers und ist an einen Stuhl gefesselt. Ein Entkommen scheint auf normalem Weg unmöglich, aber zum Glück verfügt sie ja immer noch über ihre ganz besonderen Fähigkeiten.
Hier nutzt Max ihre Möglichkeiten, um sich wieder auf bestimmte Fotos zu konzentrieren und so weiter in die Vergangenheit zu reisen, als es ihr normalerweise möglich ist - so, wie sie es zuvor schon mal tat, was dann aber für Chloe schlimme Konsequenzen hatte. Allerdings ist es in diesem Moment ihre einzige Option, wodurch ihr schlicht keine andere Wahl bleibt, um ihr Leben zu retten. Was folgt, ist ein Paradebeispiel dafür, welche Auswirkungen Max' Taten haben können. Sie versucht wirklich alles, um das perfekte Ende für diese Geschichte zu schreiben, doch was immer sie ausprobiert, wie nah sie auch dran sein mag, am Ende macht ihr das Universum immer einen Strich durch die Rechnung.
Anders gesagt: Im Finale treibt es Max mit ihren Fähigkeiten auf die Spitze. Dahinter stecken durchaus edle Gründe, nämlich der Wunsch, anderen zu helfen, aber gleichzeitig stellt sich die Frage, ob man gewisse Dinge nicht einfach passieren lassen sollte. Schlussendlich ist es Max selbst, die all dies ausgelöst hat, indem sie Chloe gleich zu Beginn der ersten Episode das Leben rettete und damit erst all die folgenden Ereignisse in Gang setzte.
Rückblickend ist das eine der Fragen, die Life is Strange aufwirft. Was, wenn Chloe in Episode 1 sterben sollte, wenn es ihr Schicksal war? Und welche Folgen hat es, wenn man genau das verhindert? Nun, schlimme Konsequenzen sind es hier allemal, die Frage ist nur für wen. Max geht es primär darum, sowohl Chloe als auch Arcadia Bay zu retten, aber man kriegt leider nicht immer das, was man möchte.
Es sind diese ganzen Ereignisse, die dazu führen, dass sie immer mehr an sich zu zweifeln beginnt und so langsam versteht, dass sie der Grund für all das ist. Eine einfache Lösung gibt es in diesem Fall nicht und der weitere Weg ist beschwerlich und zermürbend. Ihr erlebt vergangene Momente erneut, bekommt getroffene Entscheidungen vor Augen geführt und Max verspürt das Gefühl, dass ihr Verstand so langsam durchdreht. In einer Szene sitzt ihr etwa mitten im Unterricht im Klassenraum, während immer mehr Vögel von außen gegen die Fensterscheiben knallen und diese mehr und mehr mit ihrem Blut färben - doch außer Max scheint es niemandem aufzufallen.
Sie reflektiert ein wenig über ihre getroffenen Entscheidungen und es zeigt sich ein Muster, nämlich dass ihr Chloe immer und immer wieder das Leben gerettet habt - ein weiterer Hinweis darauf, dass das Universum versucht hat, nach eurem ersten Eingriff den eigentlich vorgesehenen Lauf der Dinge wiederherzustellen. Schlussendlich müsst ihr euch also die Frage stellen, ob ihr dieses vermeintliche Schicksal einfach so hinnehmen wollt oder ob ihr à la Terminator glaubt, dass die Zukunft nicht fest in Stein gemeißelt ist.
Die letzte Episode konzentriert sich alles in allem vorwiegend auf den erzählerischen Aspekt. Ein Rätsel gibt es in Form einer Sequenz, in der ihr verhindern müsst, dass euer Kidnapper euren Retter im Dark Room erschießt. Das resultiert in exzessivem Zurückspulen, während ihr alle möglichen Dinge ausprobiert, und ihr müsst mehrfach mit ansehen, wie euer Retter auf unterschiedliche Art und Weise an diesem Vorhaben scheitert, bis ihr endlich die entscheidende Aktion ausführen könnt, die den erhofften Erfolg bringt. Später gibt es außerdem noch einen kleineren Stealth-Abschnitt, in dem ihr ungesehen bis zum Ende kommen müsst, während ihr den Lichtstrahlen von Taschenlampen aus dem Weg geht. Keine große Herausforderung, gleichzeitig aber ein interessanter Einblick in Max' Psyche zu diesem Zeitpunkt.
Nicht ganz so gut gelungen ist den Entwicklern hingegen die Darstellung des Sturms in Arcadia Bay. Man sollte eigentlich meinen, dass die Leute versuchen, in Anbetracht des gewaltigen Tornados möglichst rasch von dort zu entkommen, aber davon sieht man nichts. Von nahem wirkt dieser Tornado, der aus der Ferne betrachtet ein nahezu apokalyptisches Ausmaß annimmt, dadurch leider nicht allzu bedrohlich, obwohl er es sein sollte. Klar, der Regen peitscht vom Himmel, hier und da fliegt mal was kleines durch die Gegend, aber trotz allem könnt ihr mehr oder weniger ruhig durch die Gegend marschieren, spult hier und da die Zeit zurück, um anderen zu helfen, und begebt euch zu eurem Ziel. Eigentlich hätte man erwarten können, dass Max zumindest hier mal ein bisschen zum Sprint ansetzt. Die eingestreuten Nebenschauplätze wirken angesichts der Dringlichkeit zudem eher fehl am Platz. Etwas mehr Chaos, Dramatik und Bedrohlichkeit hätten diesem Abschnitt nicht geschadet.
Es ist aber auch der einzige größere Kritikpunkt an der ansonsten tollen Episode, deren Geschehnisse einmal mehr von stimmungsvollen Bildern und passender Musik untermalt werden. Zudem zeigen sich an verschiedenen Stellen der Episode Auswirkungen eurer früheren Taten und reflektieren sich mitunter in den Verhaltensweisen bestimmter Charaktere euch gegenüber. Unter bestimmten Umständen seid ihr zum Beispiel anfangs im Dark Room nicht die einzige entführte Person.
Am Ende liefert Dontnod mit der fünften Episode einen guten und befriedigenden Abschluss der ersten Staffel ab. Es gibt hier kein großes Happy End, bei dem alle Händchen haltend unter einem Regenbogen durch Arcadia Bay tanzen und fröhliche Lieder singen, ihr müsst vielmehr eine für Max schwerwiegende Entscheidung treffen, die euch selbst auch auf die Probe stellt. Wie würdet ihr reagieren? Musstet ihr lange überlegen oder stand eure Entscheidung im Grunde schon vorher fest? Gleichzeitig beantwortet man eine weitere Reihe von Fragen hinsichtlich der Story, obwohl der Grund dafür, warum Max plötzlich diese Kräfte entwickelt, weiter ein großes Mysterium bleibt. Ob es überhaupt eine vernünftige Erklärung dafür gäbe, sei mal dahingestellt. Sicher ist nur, dass Dontnod hier ein tolles und in sich stimmiges Episodenspiel geschaffen hat, mit dem man sich vor der Konkurrenz nicht verstecken muss. Im Gegenteil: In diesem Genre spielt Life is Strange ganz oben mit.