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Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name im Test – Segas alter Wein treibt mich in den Wahnsinn

Eigentlich nur ein kurzer Kommentar zu Segas langlebiger Serie…

Milieu-Thriller mit altbekannten Stärken und Schwächen, der noch weniger neu macht als andere Teile der Serie.

Jetzt habe ich es doch getan. Eigentlich wollte ich nur kurz mal in Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name (fehlt da noch eine Unterzeile oder warum kommt mir der Name so kurz vor?) reinschauen – inzwischen sind es viele zu viele Stunden geworden. Wie das passiert ist? Na, weil die Serie mit der etwas anderen offenen Welt nach wie vor eine Faszination ausstrahlt, der ich mich nicht entziehen kann.

Dass sie inzwischen Like a Dragon und nicht mehr Yakuza heißt, spielt dabei keine Rolle, denn das Prinzip ist stets dasselbe: In überschaubaren, dafür spielerisch dicht gefüllten Stadtvierteln prügelt man sich mit Ganoven des organisierten Verbrechens, erlebt kuriose Kurzgeschichten und vertreibt sich die Zeit mit etlichen Mini-Games, zu denen Spielautomaten mit zum Teil bekannten Klassikern sowie Golf, Mah-Jongg, Billard und viele weitere zählen. Man hat viel mehr das Gefühl in einer echten kleinen Welt unterwegs zu sein als das beispielsweise in Grand Theft Auto der Fall ist. Das ist es, was den Reiz ausmacht.

Weil sich einige über die Namensgebung wundern: Die Serie heißt in Japan Ryu Ga Gotoku, weshalb auch das Entwicklerstudio danach benannt ist. Im Westen wurde sie allerdings in Yakuza umgetauft, bevor spätere Teile in Like a Dragon umbenannt wurden, was der Bedeutung des ursprünglichen japanischen Titels ähnlich ist.

Mal ganz abgesehen davon, dass die Kulissen vor allem das Nachtleben ikonischer Stadtviertel in schillernden Farben einfangen – auch wenn man diesmal nur in Sotenbori unterwegs ist, eine fiktive Variante des echten Dōtonbori in Osaka. Vergleicht nur mal reale Schnappschüsse mit Screenshots aus dem Spiel. Näher dran kann ein Spiel kaum sein!

Wobei… und das ist einer der Punkte, mit denen mich Like a Dragon Gaiden echt kirre macht: Sotenbori ist im Wesentlichen leider der einzige Schauplatz, an dem man diesmal unterwegs ist. Und wenn ihr mich fragt, dann ist das auch der uninteressanteste Ort, an den es die Serie je verschlagen hat. Mal ganz davon abgesehen, dass die aktuelle Version des Viertels weit an den technischen Möglichkeiten von PlayStation 5, Xbox Series oder gar PC vorbei schillert und im Grunde noch so aussieht wie im achteinhalb Jahre alten Yakuza 0.

Noch immer cool, aber technisch nicht ganz zeitgemäß: Osakas fiktives Sotenbori.

Genau: Man war inzwischen schon ein paar Mal da – seit 2006 immerhin fünfmal. Okay, dreimal, wenn man das Remake von Yakuza 2 sowie den zweiten, (zu Unrecht) nie bei uns erschienenen PSP-Ableger außen vor lässt. Irgendwann hat man sich daran einfach sattgesehen. Selbst die schönste Sehenswürdigkeit wird einmal zur Gewohnheit, wenn man täglich daran vorbeiläuft.

Und das ist für mich eben der Hauptgrund, aus dem Yakuza beziehungsweise Like a Dragon Gaiden mit jedem weiteren Aufguss ein wenig Glanz verliert. Es ist Segas FIF… Verzeihung: EA Sports FC, das mit jährlicher Regelmäßigkeit ein Update erhält, sich aber fast nie so verändert, dass man mit Begeisterung darüber staunen könnte. Yakuza 3 hatte das beim Sprung auf die PlayStation 3 geschafft, Yakuza 6 mit seiner überarbeiteten Engine und auch das neue Kampfsystem in Yakuza: Like a Dragon (mit diesem Titel vollzog Sega die Namensänderung) war klasse.

Klassischer Yakuza-Move: Gleich wird er sich hocherfreut dafür bedanken, dass man so gut gekämpft hat.

Ansonsten spult die Serie mit einer derartigen Beständigkeit ihre immergleiche Formel ab, dass diese Vehemenz zwar irgendwo bemerkenswert ist. Spielerisch bringt es mir nur leider wenig, zum x-ten Mal die exakt gleichen Mini-Games zu zocken, schon wieder den ach-so-drolligen Humor zu feiern oder einem extrem verquer gelegten roten Faden zu folgen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich darüber klage, und es dürfte nicht das letzte sein. Aber wer auch nur ansatzweise über frühere Ausgaben von Assassin’s Creed gejammert hat, der soll mal knapp 20 Jahre Ryu Ga Gotoku aufarbeiten.

Könnte mir alles egal sein, oder? Warum beschäftige ich mich nicht mit einem anderen Spiel, das weniger Kopfzerbrechen bereitet? Tja, wie gesagt: Weil aus dem kurzen Reinspielen dann doch immer ein langes Abenteuer wird, das trotz seiner unflexiblen Beharrlichkeit schlicht alternativlos ist. Wo kann man denn sonst so gemütlich in der Fußgängerzone flanieren, um bei Smile Burger essen zu gehen und schon ein paar Meter weiter in einer Karaokebar zu landen, bevor man anschließend noch in derselben Straße einen Whiskey trinken geht?

Sowohl durch den Kauf neuer Fähigkeiten (man braucht dafür Geld und durch erledigte Missionen verdiente Punkte) als auch das Anlegen von Ausrüstung wird man stärker - leider bald so sehr, dass auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad selbst Bosse selten ein Problem sind.

Dass man zwischendurch Dutzende Störenfriede tritt, schlägt, hämmert, auf den Asphalt kickt oder anderweitig vermöbelt, schadet dem Unterhaltungswert ja nicht – umso weniger, da mir das Kampfsystem hier mal wieder richtig gut gefällt. Es ist das alte, aus Yakuza und den Judgment-Ablegern bekannte Prügeln, das diesmal ein paar besonders coole Moves in petto hat.


Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name wird ausschließlich digital vertrieben und kostet auf allen Plattformen knapp 50 Euro. Sowohl auf Xbox als auch auf PC ist es dabei Teil des Game-Pass-Angebots.
  • PlayStation Store
  • Steam
  • Saturn
  • Xbox

  • Der Star ist das elektronische Lasso, mit dem man mehrere Gegner greifen und umherwirbeln oder zu sich heranziehen kann. Vorteil davon: Landet man rechtzeitig ein paar schnelle Treffer, kann man sie damit ein paar Sekunden lang in der Luft jonglieren. Gleichzeitig lässt sich der häufig notwendige Ausweichschritt nicht mehr während des Sprintens ausführen, sondern nur noch beim langsamen Fixieren eines Angreifers. Was beides im Ergebnis dazu führt, dass man es besser als früher mit größeren Gruppen aufnehmen kann, ohne relativ gedankenlos durch sie hindurch zu rennen.

    Je nach Ausbaustufe und Aktion fängt man mit dem Lasso einen oder mehrere Gegner ein und kann sie anschließend durch ständiges Zuschlagen in der Luft balancieren. Wenn man dann noch Alkohol getrunken hat, mit dem jeder Treffer die Heat-Anzeige erhöht...

    Das macht sich spätestens in einem neuen Zeitvertreib bezahlt, bei dem man in speziellen Schaukämpfen nicht nur alleine antritt, sondern auch ein Team an Kämpfern aufbaut, um bis zu elft in den Ring zu steigen. Diese Kämpfer findet man auf der Straße, erhält man als Belohnung nach einigen Missionen oder kauft man von Informanten und sie alle besitzen individuelle Stärken, die durch Siege noch weiter ausgebaut werden.

    Das ist im Kern genauso profan wie es erschreckend motivierend ist – mir aber ziemlich egal, solange es Spaß macht! Man kann ihnen ja sogar Geschenke kaufen und teuren Sekt spendieren, um ihrer Entwicklung einen Boost zu verpassen.

    Gut, so richtig neu ist das natürlich nicht. Wer Yakuza 6 gespielt hat, der kennt diesen Pokemon-Verschnitt. Nur dass man hier eben selbst kämpft, anstatt die angeheuerten Schlägertypen aus einer Vogelperspektive nur taktisch zu verschieben.

    So sieht es aus, wenn man das Team anspornt.

    Tatsächlich ist das aber ohnehin die Crux dieses speziellen Teils der Serie: Man hat das nicht nur alles schon gesehen. Das ist diesmal auch fast ausschließlich eine exakte Kopie früherer Inhalte. Das Slot-Rennen mit selbst gebauten Modellautos? Gab’s in Yakuza 0 schon. Ein emuliertes Master System mit Alex Kidd in Miracle World, Fantasy Zone, Alien Syndrome und einigen mehr? Lost Judgment lässt grüßen.

    Klar sind ein paar der emulierten Spiele neu. Und in der Spielhalle steht zum ersten Mal Daytona USA bereit oder wie es aufgrund der ausgelaufenen Lizenz heißt: Sega Racing Classic 2. Im Gegenzug ärgert es mich dafür, dass die kleinen Geschichten abseits des roten Fadens deutlich knapper und meist auch weniger unterhaltsam ausfallen als sonst.

    Über viele davon stolpert man zudem nicht beim Herumlaufen. Stattdessen holt man nach bestimmten Ereignissen jeweils einen großen Batzen davon bei Akame ab – einer jungen Frau, die ein Hilfe-Netzwerk in Sotenbori unter- und den Protagonisten Joryu tagelang davon abhält, seiner lebenswichtigen Mission zu folgen. So richtig viel Sinn ergibt das nicht. Machen lässt er es trotzdem mit sich. Naja.

    Leider ist die Karte schnell voll mit Wegweisern, weil das Entdecken von Aufgaben beim Herumlaufen kaum noch eine Rolle spielt.

    Und genau: Joryu. Selbstverständlich wisst ihr längst, dass es sich dabei um den früheren Helden Kazuma Kiryu handelt, obwohl der in Yakuza 6 mit einem Finale in den Ruhestand geschickt wurde, das seinem Status als übergroße Ikone perfekt gerecht wurde.

    Aber Sega wollte ihn nicht ruhen lassen. Und so ist er in dem kommenden Like a Dragon: Infinite Wealth, dem achten Teil der Hauptserie, wieder mit dabei – weshalb in Gaiden zunächst mal geklärt werden muss, warum er nun doch nicht auf ewig von der Bildfläche verschwunden ist. Ich hätte das nicht gebraucht. So gerne ich hunderte Stunden mit Kazuma verbracht habe und das auch heute noch tue, so viel eindrucksvoller wäre die Erinnerung an ihn, wenn seine Geschichte tatsächlich ein Ende gefunden hätte. Manchmal ruhen Tote einfach besser, als dass ihre reanimierten Leichen durchs Leben schlurfen.

    Ach, ja: Dass immersionszerstörende Flirten mit den Hostessen über kurze Realfilme geht gar nicht! Dabei fand ich das ursprüngliche Mini-Game früher mal sehr unterhaltsam.

    Ich meine… es hat ja durchaus sein Gutes. Immerhin schwelgt man nicht nur spielerisch in Erinnerungen, sondern auch erzählerisch, wenn zahlreiche Charaktere, Ereignisse sowie diverse Anspielungen auf die vergangenen Serienjahre verweisen. Ich musste zumindest schmunzeln, als Joryu irgendwann gegen einen falschen Kazuma Kiryu antrat, weil da frühere Geschehnisse nachgestellt wurden.

    Ein Stück weit funktioniert Like a Dragon Gaiden also wie eine Art Brücke zwischen dem Damals und was in Zukunft kommen wird. Und auf jeden Fall ist es das vorerst letzte Mal, dass sich Kazuma im alten Stil prügelt, bevor er in Infinite Wealth auf Rundentaktik umsteigt – jedenfalls so lange, bis er erneut Faust anlegen muss.

    „Shibaraku ne tero“, sagt Kazuma nach vielen gewonnenen Kämpfen, was man etwas frei übersetzen könnte mit: „Bleib ruhig liegen!“ Hätte er sich doch selbst mal dran gehalten.

    Das Beste am Lasso: Fängt man die Gegner rechtzeitig ab, bleiben sie kurz in der Luft, sodass man eine Weile quasi mit ihnen jonglieren kann.

    Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name im Test – Fazit

    Ich bin also enttäuscht - und liebe es trotzdem, mal wieder mit Kazuma durch die Straßen zu streifen. Kein anderes Spiel bietet diese Art des Eskapismus; die Möglichkeit eine Stadt so kennenzulernen, dass man mit allen Ecken vertraut ist, anstatt im Auto nur daran vorbeizurasen. So sehr ich mir auch neue Impulse bei den Minispielen, der veralteten Inszenierung sowie den Schauplätzen und Spielmechaniken wünsche, so wenig habe ich die Nase voll von dem, was Sega da Jahr um Jahr aufwärmt.

    Like a Dragon Gaiden verkörpert diese „Design“-Philosophie nur leider stärker als jeder anderer Teil zuvor. Hier ist nämlich fast gar nichts neu, das Erkunden dank einer starren Liste uninteressanter Nebenmissionen sogar enttäuschend langweilig sowie das Level der Herausforderung auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad viel zu niedrig. Und dass das nicht jedem Fan gefällt, nur weil man Fan ist, wollte ich wenigstens mal kurz erwähnt haben.

    Nun... ihr seht ja, was etliche Stunden später aus diesem kurzen Kommentar geworden ist. Wer die Serie mag, der kann sich also auch mit The Man Who Erased His Name viel Zeit vertreiben – die immer lauter plätschernden Wermutstropfen hin oder her.

    Like a Dragon Gaiden: The Man Who Erased His Name
    PROCONTRA
    • Etliche optionale Aktivitäten…
    • Jederzeit möglicher Wechsel zwischen klassischem und neuem Kampfstil zum Kontrollieren größerer Gegnergruppen
    • Ständiges Verbessern einer Gruppe an Kämpfern für spezielle Rumble-Matches
    • … die diesmal allerdings weniger organisch in die Welt eingebunden und weitgehend altbekannt sind
    • Spielt fast ausschließlich an einem bekannten, nahezu unveränderten Schauplatz
    • Viele dröge Hol- und Bringdienste und weniger interessante Kurzgeschichten als sonst
    • Höchster Schwierigkeitsgrad besonders durch Anlegen von Ausrüstung zu leicht

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