Skip to main content

Like A Dragon: Infinite Wealth - Macht Urlaub auf Hawaii, was Besseres kann euch im Winter eh nicht passieren

Strand und Minispiele, so weit das Auge reicht.

Hawaii mit einmal alles bitte: Von Escape-Room-Dungeons bis Resort-Builder probiert Like A Dragon: Infinite Wealth alles, um euch den besten Urlaub zu bieten, den ihr in einem J-RPG je hattet.

Das tonale Schleudertrauma der Yakuza-Games nimmt zu. Schon in dem letzten Spin-off Judgment war es so, dass man immer zwischen High-School-Drama und einem bestialischen Mord alle Ausschläge der Ernsthaftigkeit und Gewalt mitnahm. In Like A Dragon: Infinite Wealth dreht es sich noch weiter auf die Spitze, wenn man in der einen Szene einen Yakuza hat, der 20 Leute niedermetzelt, bevor der den Boss dann langsam zu Tode foltert. Zwanzig Minuten später sammelt man in etwas, das SEGA früher als Stand-Alone-Arcade veröffentlicht hätte, Burger auf einem BMX-Rad ein, während man Tricks macht und ein Hochhaus hoch radelt, um auf dem Strand dahinter die Style-Punkte mitzunehmen. Und ich weiß immer noch nicht, warum das so gut funktioniert, aber das tut es eben.

Es liegt wohl an dem Helden Ichiban, der in einer Mischung aus Ernsthaftigkeit, liebenswerter sozialer Tolpatschigkeit und dem ehrlichen Wunsch, die Welt besser zu machen, alles und jeden um ihn herum verändert. Irgendwo zwischen dem realen Japan, dem durch die Augen von Japanern gesehenen Hawaii und wechselnden Anime, Ninkyo- und Jitsuroko-Filmeinflüssen bewegt sich Ichiban durch sein eigenes, wildes Universum und es ist ein Trip, den man einfach so nehmen und genießen muss. Ich würde zwar ein paar der landestypisch zu langen Dialoge kürzen wollen, aber jede der Szenen an sich ist durchaus gelungen. Die Mischung aus rotem Faden und den Faden zwischen Minigames und Lebenserfahrung in offener Welt zu verlieren hat in Yakuza schon immer ganz gut geklappt und mit Like A Dragon: Infinite Wealth wurde es nun weiter feingeschliffen.

Insoweit ist es auch gut, dass sich das Yakuza-Universum in solche Spin-offs aufgliedert, denn wer den alten Kern der Reihe sucht, wird wie auch schon beim Vorgänger nur bedingt fündig. Ichiban muss ein wenig alte Historie aufarbeiten, sucht seine Mutter, die vielleicht, vielleicht nicht am Leben ist, schließt neue Freundschaften und natürlich trifft er alte Bekannte. Es kann definitiv nicht schaden, den Vorgänger zu kennen, denn auch wenn vieles in kurzen Passagen zusammengefasst wird, kann der Inhalt eines 50+Stunden-Abenteuers nur bedingt im Intro gereicht werden. Solltet ihr das erste Like A Dragon aber nicht gespielt haben, ist es aber auch nicht Pflicht. Nehmt manche Dinge einfach hin, es wird schon genug Sinn ergeben.

Spannend ist auch der Wandel der Welt durch die Augen des nicht mehr ganz jungen Protagonisten. Um ihn herum passiert vieles digital und in Apps, was das Spiel teilweise mit Humor und Beobachtungsgabe in die Story involviert, teilweise als Nonsens parodiert. Das aber nie mit der gehässigen – wenn auch sehr coolen – Bösartigkeit eines GTA, sondern fast schon liebevoll. Von Gig-Economy bis Dating muss sich der Traditions-Ex-Yakuza sortieren. Das geht so weit, dass ihr die Summons, die ein japanisches Rollenspiel natürlich haben muss, per App holt. Ein Escape-Room gibt einen Multilevel-Dungeon, eine Resort-Insel ist ein Crafting-Ausflug mit Hotel-Sim. Alles kann, fast nichts muss, das ist das Konzept hier. Minigames links, rechts, über und unter euch, jederzeit verfügbar. In gewisser Weise ist das Spiel die perfekte Touristenfalle, die euch stets lockt. Gut, dass fast alle diese Games Spaß machen können. Ob euch jetzt Virtua Fighter 3 mehr reizt oder eine Art-Gegner Pokemón, mit dem der Underground Hawaiis seine Zeit vertreibt, das liegt ganz bei euch.

In seinem Herzen ist Like A Dragon: Infinite Wealth aber ein J-RPG, sogar ein ziemlich klassisches. Sicher, es mag mehr wie ein Open-World-Action-Game aussehen als es noch sein Vorgänger tat, und außerhalb der Kämpfe spielt es sich auch so. Ihr seht aber überall und in etwas zu regelmäßigen Abständen kleine Gruppen an willkürlichen Feinden herumwandern, denen ihr leicht ausweichen könnt. Tut ihr das nicht oder sucht ihr den Kampf, dann sieht das ganze zwar aus wie der 3D-Prügler, der Yakuza oder Judgment sonst ist, aber es läuft alles strikt rundenbasiert ab. Wählt eine Aktion aus, seht dieser zu, bis sie fertig ist und dann ist der nächste Charakter an der Reihe. Seit den frühen Tagen von Dragon Quest hat sich das bewährt, nicht mal Final Fantasys ATB fand hier Zugang. Like A Dragon sehr traditionell.

Das war auch sein Vorgänger und bis zu einem gewissen Grad auch dessen sehr relativer Niedergang. Es waren zu viele, zu ähnliche Kämpfe mit zu wenig Abwechslung. Hier setzt Infinite Wealth direkt an und jeder Charakter, von denen es nicht zu wenige gibt und die im Laufe des Spiels auch mal wechseln, hat seine eigenen Attacken, bei denen eure Positionierung vor Ausführung der Aktion sehr wichtig ist. Viele Angriffe haben AoEs, die sich bestens nutzen lassen, um noch zwei Feinde hinter dem eigentlichen Ziel an die Wand zu klatschen – wortwörtlich oft genug –, sodass zahlenmäßige Überlegenheit des Feinds oft genug euer Freund ist. Jeder Spezialangriff hat ein Quicktime-Event, mit dem ihr den Effekt noch ein wenig verstärken könnt, aber nicht müsst. Jeden gegnerischen Angriff könnt ihr blocken, was zumindest einen Teil des Schadens abfängt. Auch das ist optional. Aber so gibt es bei den dann etwas härteren Kämpfen immer die Abwägung, ob ich die kostbare Runde den Block als Kommando auswähle, was effektiver ist, oder auf den Quicktime-Block setzt und hofft, dass das reicht, während ihr selbst ein wenig Schaden unterbringt. Es ist diese Reihe solcher kleiner, taktischer Feinheiten, die Infinite Wealth frischer zu halten als den ersten Teil.

Like A Dragon: Infinite Wealth - Test

Angenehmer fiel nun auch der Grind aus. Er ist nicht wirklich nötig, jedenfalls nicht, wenn ihr genug optionale Dinge am Rande mitnehmt. Nur wer straight und ohne links und rechts zu schauen, der Hauptquest folgt, kommt wie auch schon bei Like A Dragon an eine Mauer, aber selbst dann ist diese nicht so lächerlich hoch. Vor allem aber funktioniert der Autokampf noch etwas besser. Ihr könnt diesen einfach laufen lassen und nebenbei eine Serie gucken oder ihr schaut doch hin und nehmt die Quicktime-Events mit. Der Computer führt zwar brav alle Specials aus und nutzt vorhandene Heilung effektiv, aber das Blocken und die Quicktimes der Spezialangriffe bleiben euch weiterhin überlassen. So grindet sich eine halbe Stunde mit einer Folge Mayor of Kingstown ganz entspannt weg, was als Bonus noch einen Kontrast zwischen zwei Gangsterwelten bietet, den man so nur selten bekommt.

Technisch bietet Like A Dragon weiterhin nicht die letzte Opulenz. Da sehen die Details eines Alan Wake schon anders aus und selbst das in die Jahre gekommene GTA V hat oft mehr zu bieten. Dafür lebte Yakuza aber schon immer in den Feinheiten. Es gibt viel zu entdecken, wenn man zweimal in den Geschäften hinschaut. Auch wenn ich denke, dass die Entwickler das Japan-Setting besser beherrschen als den pazifischsten US-Staat, gibt es doch mehr als genug, um sich immer wieder an dem Spiel optisch zu erfreuen. Zumal ja auch das nicht so kleine Yokohama-Viertel im Spiel ist, da kommt dann das alte Feeling sofort bestens zurück. Für den Moment muss Yakuza/Judgment/Like A Dragon noch keine neue Engine shoppen gehen, aber es lässt sich nicht mehr leugnen, dass dieser Moment fast vorbei ist.

Like A Dragon: Infinite Wealth ist ein wunderbar sonniger Zeitvertreib in einer zu kalten und ungemütlichen Jahreszeit. Wo Judgment und Yakuza schnell sehr ernst werden, bewahrt sich Like A Dragon stets ein Augenzwinkern extra und die positive Attitüde des Helden ist fast schon ansteckend. Manchmal wirkt Infinite Wealth in Handlung und Ablauf immer noch etwas unfokussiert, mit all seinen kleinen Minispielen und Zeitverschwendern im positiven Sinne. Aber vielleicht ist das auch die falsche Art, auf dieses Spiel zu blicken. Sie sind ein essenzieller Teil dieses Hawaii-Ausflugs und ein wichtiger Grund, warum man das alles überhaupt tut. Es gibt diesen Figuren und der Welt Leben und Lebensfreude und zu einem guten Teil geht es darum: Ihr seid hier, um Urlaub zu machen. Wenn ihr euch darauf einlasst und durch Hawaii treiben lasst, statt von Questmarker zu Questmarker zu rennen, dann findet ihr hier auf jeden Fall das in jeder Hinsicht sonnigste Spiel des Winters.

Like A Dragon: Infinite Wealth
PROCONTRA
  • Gute Laune und Sonneschein in Spielform!
  • Wilder Mix aus zig gelungenen Minigames und einem vollwertigen J-RPG
  • Weniger Grind, mehr Abwechslung im Kampfsystem
  • Was ihr von all den Spiel-Teilen wirklich spielt, liegt bei euch, aber alles hat genug Tiefe, um sich länger damit zu beschäftigen
  • Die eigentliche Story geht öfters mal ein wenig verloren, aber das kann auch ein Feature sein. Hängt von euch ab und wie ihr spielen möchtet
  • Technisch wird es bei Yakuza und seinen Spin-Offs mal wieder langsam Zeit für ein echtes Update

Schon gelesen?