Lips
Jeder mit Lippen kann singen
Lips unterstützt eine bisher recht kleine Gruppe von MP3-Playern. Weitere können vielleicht kompatibel sein, müssen es aber nicht, was mein Test mit einem neuen Philips und einem älteren Samsung bewies. In solchen Fällen bleibt Euch die Musik, die Ihr per CD-Rip auf die Box befördert habt. Interessanterweise landet diese zusammen mit den Bezahldownloads in einer einheitlichen Liste und Microsoft bittet Euch auch sofort um die Erlaubnis, Eure Musikliste übertragen zu dürfen, um auszuwerten, was Leute gerne hören und dann vielleicht kaufen würden. Nur gut, dass man dies verweigern kann. Hinfort, böse Datensammelkrake!
Die Erfahrung des Instant-Song-Karaoke lässt sich nur als schwer ernüchternd bezeichnen. Etwa ein halbes Dutzend Songs verschiedener Genres kamen in den Mixer und alle machten deutlich klar, dass für Lips in erster Linie Bemühungen zählen und Ihr Geräusche von Euch gebt. Welche und wann ist zweitrangig. Dazu im Hintergrund ein generisches und trashiges Video aus einem viel zu kleinen Pool und die Frage, warum Ihr das hier tut. Ohne Text und Tonkenntnisse mitsingen, klappt auch mit weniger Technikaufwand ganz gut.
Um seine Tarnung als Spiel aufrechtzuerhalten, bietet Lips Euch neben den beiden Videovarianten drei Minispiele an. Neben zwei beinahe interaktionslosen Varianten wartet eine Bombe – im wahrsten Sinne des Wortes. Im Hintergrund der Noten droht eine Bombe zu explodieren. Singt Ihr richtig, sammelt sich Wasser an. Kommt genug Wasser zum Löschen der Zündschnur zusammen, kippt Ihr das Mikro und dürft weitermachen. Die Mikros haben nämlich eine Bewegungserkennung und belästigen Euch permanent während der Songs, egal in welcher Spielvariante. Mal sollt Ihr hochreißen, mal kippen, mal klatschen. All dies sind nette Gesten, sofern sie spontan aus der Laune heraus kommen. Diese Performance-Diktatur im Namen sinnloser Punktehäufung werdet Ihr allerdings häufig übergehen. Gut, dass Lips nie zu etwas zwingt.
Eine echte Schwachstelle ist derzeit der unübersichtliche und schwach bestückte Onlinebereich. Das unzutreffend betitelte Community-Portal bietet Euch nicht viel. Ihr dürft Herausforderungen an Freunde senden und Punktzahlen vergleichen, aber das war es auch mehr oder weniger. Das Angebot im Shop wird sich sicher noch bessern, den Charme vom SingStar-Interface erreicht es jedoch derzeit auf keinen Fall. Einfach nur eine Titelzeile, ein paar Sekunden des Liedes und ein Preis sind effektiv, aber nicht reizvoll. Dafür lief dieser Part allerdings ohne jeden Schluckauf und Hänger.
Selbiges lässt sich über die Qualität der Mikros berichten, die eigentlich nur einen einzigen Kritikpunkt hinnehmen müssen. Sie sind nicht wasserdicht. Und sofern Ihr Lips im richtigen Umfeld nutzt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein übereifriger Partygast sein Halbes darüber ausgießt. Ansonsten stimmen Verarbeitung, Gewicht und Feeling der beiden Kabellosen vom Kopf bis in die blinkenden Boden–Spitzen. Selbst wenn dieses Feature wahrscheinlich ein wenig unnötig an den Batterien zehren dürfte. Die eher schlichten Mikros von SingStar und Rock Band werden von diesen eleganten Geräten jedenfalls locker in den Schatten gestellt.
Wenn doch die Einschätzung der Software auch nur so einfach fallen würde. Ihr seht unten eine Wertung. Aber es ist eigentlich nicht die richtige. Als echtes Karaoke-Spiel für talentierte Sänger mit guter Tonerkennung, Schwierigkeitsgraden und sinnvollen Punktbewertungen fällt Lips gnadenlos durch. Eine 2, wenn Ihr so wollt.
Als etwas kostspieliges Partyaccessoire für die Twen+ Generation irgendwo zwischen Aperitif und der Therapy-Runde eingestreut, funktioniert es dagegen wunderbar. Jeder kann mitmachen, für ein paar Songs wird gesungen, nebenbei geprostet. Ein paar Zeilen dürfen ja straffrei ausgelassen werden, wen interessieren schon die Punkte. Hauptsache, die Laune stimmt und dazu kann Lips durchaus einiges beitragen. 8 Punkte? Warum nicht.
Aber dies ist ein Test und unter jedem Test prangt eine Note. Also wird es die ungerechte, billig vergoldete Mitte. Zu gleichen Teilen schichten sich damit Großherzigkeit und Ungerechtigkeit des Testers und letztlich liegt es bei Euch, zu entscheiden, was für ein Spiel Ihr haben möchtet. Das was SingStar allerdings derzeit über Lips erhebt, ist die Tatsache, dass ich mich bei Sonys Konkurrenten nicht entscheiden muss. Der bedient seit Jahren nämlich beide Naturen ganz ordentlich.
Lips gibt es für Xbox 360 und nur dort. Und zwar ab sofort. Zusätzliche Songs als Download kosten 160 Punkte pro Titel