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LittleBigPlanet 2

Das große Staunen

Ich bin niemand, der wirklich zielgerichtet eigene Dinge in LittleBigPlanet erdacht hätte. Viel mehr habe ich tage-, vielleicht sogar wochenlang im Editor beim Reverse-Engineering bestehender Anlagen zugebracht und einzelne Apparaturen so gut ich konnte nachempfunden.

Ich habe gestaunt, gegrübelt, geflucht und im Jähzorn zerstört, um mich schließlich an etwas Anderem zu probieren. Es ist vermutlich eine milde Form von berufsbedingtem ADS. Worauf ich aber hinaus will: Ich lernte auf diese Weise nicht nur den größten Respekt selbst vor den mäßigsten aller Level-Architekten dieser so liebenswerten Community, ich entdeckte auch eine längst verloren geglaubte Art zu spielen wieder.

Im Editor wie auch im Online-Streifzug durch Kreationen der Anderen hat LittleBigPlanet mit erfolgsorientiertem "Gaming", mit seinen gewohnten Belohnungsmechanismen (die auch hier in der einen oder anderen Form existieren) genau so wenig zu tun wie mit dem unter Gamern so verachteten Begriff des Casual-Spiels. Auf der anderen Seite des Erschaffen-und-Teilen-Aspekts ist es eher ein Spielen im Sinne des "Ausprobierens", "Entdeckens" und "Einfach-mal-(nach)machens", bei man kein angehender Künstler oder ambitionierter Aushilfe-Miyamoto sein muss, um sich davon einnehmen zu lassen. Insofern funktioniert LittleBigPlanet für mich auch im zweiten Anlauf auf weit mehr Ebenen als den von Sonys Marketingabteilung ausgegeben Dreien – Play, Create und Share. Es bleibt das "Meta-Spiel" schlechthin.

Der Greifhaken in Aktion: Chaos als Kunstform.

Dass LittleBigPlanet 2 auf seinen bewährten Qualitäten aufbauen würde, war klar. Die Schwierigkeit lag lediglich darin, den Baukasten des Spiels einerseits so sinnvoll und maßgeblich zu erweitern, dass ein zweiter Teil überhaupt gerechtfertigt ist. Demgegenüber stand die Tatsache, dass jegliche Änderung des Feature-Sets gleichzeitig mit äußerst spitzen Fingern erfolgen musste, wollte Media Molecule das bestehende Ökosystem der spieleschaffenden Community nicht gefährden.

Zwei Wochen vor der Veröffentlichung mag nicht der optimale Zeitpunkt für ein Fazit sein, ob das gelungen ist. Die noch immer florierende Beta hat allerdings schon jetzt hunderte Levelkreationen hervorgebracht, die mit dem alten Baukasten in der Form nie und nimmer möglich gewesen wären. Und der LittleBigPlanet ist durch sie umso reicher.

Doch vor die Arbeit mit den neuen Tools hat Media Molecule den verbesserten Story-Modus gestellt. Die sechs Welten aus handgemachten Apparaten und Umgebungen stellen gewissermaßen ein erweitertes Tutorial (zuätzlich zu dem bereits vorhandenen, von Stephen Fry beziehungsweise Robert de Niros Synchronstimme gesprochenen, "richtigen" Tutorial) für die neuen Möglichkeiten dar: Media Molecule will zeigen, was alles möglich ist und euch dazu ermutigen, euch noch bessere Dinge einfallen zu lassen. Angesichts der ab Werk schon stellenweise wirklich gelungenen Level- und Design-Ideen kein allzu leichtes Unterfangen.

Oft wird zwar der genreübliche Jump-and-Run-Standard geboten, aufgewertet durch die typischen LBP-Physikspielereien und den Twist, "weiche" Gegenstände greifen zu können. Hin und wieder blitzt aber vor allem durch die frischen Ergänzungen eine geradezu manische Genialität auf, die man so nur bei den Sackboys und –Girls findet.

Beim Kampf gegen die Kapitel-Endgegner kommen zum Teil auch Reittiere zum Einsatz.

Etwa, wenn der neue Creatinator-Helm per rechtem Stick in alle Himmelsrichtungen Cupcakes verschießt, die mit ihrem Frosting an Wänden und Wippen kleben bleiben und so als Tritte oder Gegengewichte wirken oder die Getriebe gewisser Maschinen verstopfen. An anderer Stelle hangelt man sich mit dem neuen Greifhaken wie ein gehäkelter Tarzan über klaffende Abgründe, während der Kumpel, der grinsend neben einem auf der Couch sitzt, wiederum mit seinem eigenen verlängerten Arm an eurem Hinterteil hängt.

Die neuen Fahrzeuge und Reittiere, die mit dem neuen Controllinator realisiert wurden, schießen jedoch den Vogel ab. Musste man damals noch buchstäblich selbst Autos bauen, die dann nur einen Vorwärts oder Rückwärtsgang sowie einen Gasknopf hatten, liefert Media Molecule bereits in der Kampagne einige Beispiele für vollends kontrollierbare Untersätze jeglicher Coleur. Beispiel gefällig? Kein Problem: Wie wäre es mit einem kugelrunden Hamster, der per Turbo-Taste auf R1 frei in alle Himmelsrichtungen schießt, während seine Arme und Beine wild um ihn herum rotieren? Auch die debilen Roboterhäschen, die scheinbar Flipper-Finger als Füße besitzen und analog in jegliche Richtung springen, sind allein vom Schauwert schon der Höhepunkt eines jeden Levels in dem sie vorkommen.

Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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