LittleBigPlanet
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Ich kann mich keines Spieles entsinnen, das das Eurogamer-Team so im Sturm für sich eingenommen hat wie LittleBigPlanet. Selbst die größten Postapokalypse-Zyniker und Monster-Genozid-Befürworter waren dem Charme und nicht zuletzt dem Einfallsreichtum von Media Molecule hoffnungs- und hilflos, ja sogar ein bisschen erbärmlich erlegen. Und das sagt zur Abwechslung mal mehr über das Spiel aus als über dessen „Opfer“. Wir reden immerhin von Leuten, die dachten, sie hätten schon alles gesehen, erlebt, gespielt.
Kritik an einzelnen kleineren Ungereimtheiten fühlte sich angesichts der hochpotenten Fantasie-Stimulans, die LitteBigPlanet war, bis heute ist und aufgrund des vermutlich witzigsten Mehrspielerparts des Jahres (dem wir zu einem guten Teil vermutlich auch das kommende New Super Mario Bros. Wii zu verdanken haben) einfach unfair an. Das Resultat: Ein Spiel ohne Halbwertszeit, das uns 10/10 Punkte wert war. Etwas, von dem man sich sicher sein konnte, dass es über Jahre hinaus eine engagierte und hochkreative Community um sich versammelt, die mit zunehmend ausgefeilten Levelkreationen immer neue User auf den Media-Molecule-Planeten locken.
Nun liegt also der PSP-Ableger vor und soll bei reduzierter Schuhgröße in dieselben Stapfen treten wie das Original. Und das schafft er auf den ersten Blick ganz gut. Als Entwickler ist Sony Cambridge in die Bresche gesprungen, ein Team, das seine Hausaufgaben offenbar sehr ausführlich gemacht hat. Unter dem Motto Play, Create, Share ist ihnen mit dem PSP-LittleBigPlanet eine verdammt vorlagengereue Hosentaschen-Fassung gelungen. Leider werfen sie dabei auch die Frage auf, ob gerade dieses Spiel überhaupt zu einem Handheld passt.
Im Mittelpunkt steht eine 30 Level umfassende Einzelspieler-Kampagne, die vor sieben verschiedenen Szenarien stattfindet. Sackboy oder -girl greift erneut auf das überschaubare Fähigkeiten-Repertoire aus Springen und Greifen zurück, um die hübsch gestalteten Schauplätze zu durchqueren.
Die Level selbst sind sogar mit ähnlicher Liebe zum Detail versehen und gestaltet, wie es wohl Media Molecule getan hätte - ein größeres Kompliment kann man Sony Cambridge wohl nicht machen. Auffallend ist: Wo sich andere Entwickler bei der Portierung eines Spielerlebnisses auf einen Handheld für eine Stilisierung des ursprünglichen Grafikstils entscheiden, will Sony die PSP-Ausgabe optisch so nah an das Original heranrücken wie nur irgend möglich. Das Resultat kann man nur als gelungen bezeichnen. Natürlich erwecken die Oberflächentexturen der zahlreichen Materialien aufgrund ihrer niedrigen Auslösung und Detailtiefe nicht das gleiche Gefühl, die Gegenstände förmlich ertasten zu können, das LittleBigPlanet im letzten Jahr so greifbar machte.
Den Eindruck eines mit realen Objekten gefüllten Schaukastens vermittelt das Handheld-LBP aber mehr als nur kompetent. Das liegt ohne Zweifel auch an der für das Spiel so wichtigen Physik-Engine, die beim Kistenschieben, Schalterziehen und von-Ballons-herabbaumeln so wichtig ist. Zwar ist sie nicht ganz so materialgetreu und verblüffend realistisch wie in der Vorlage, gemessen an Handheld-Standards ist sie aber durchaus beeindruckend.
Ein weiteres Zugeständnis ist die Tatsache, dass die Level nur noch zwei statt der vorher drei Ebenen „tief“ sind, was im zentralen Jump’n’Run-Abenteuer die Dinge durchaus vereinfacht. Zum Glück wurde auch die Steuerung etwas gestrafft, denn ich bin mir nicht sicher, ob der kleine analoge Daumen-Gnubbel der PSP mit dem Wechsel zwischen gleich drei Ebenen und der vorher leicht übertriebenen Trägheit der Sackboys gewachsen wäre.
Auch der Level-Editor ist fast mit vollem Umfang und Funktionsweise wieder mit dabei. Hier vermissen fortgeschrittene Tüftler die fehlende dritte Ebene allerdings schmerzlich. In diesem Bereich verstecken versierte Leveldesigner nämlich die ausgeklügelten Motoren für das vordergründe Bühnenbild und komplexere Apparaturen.
Das mag Gelegenheitsbastler nicht stören, limitiert aber durchaus den Nachschub, den die Community theoretisch liefern kann. Einen LittleBigComputer - so wage ich zu behaupten - wird es auf der PSP nicht geben. Aber vielleicht straft man mich ja auch Lügen. Schön wäre es.
Die Bedienung des Baukastens leidet außerdem am fehlenden rechten Stick. Objekte müssen immer zunächst in ihrer Standardposition in der Welt platziert werden, den Winkel kann man erst anschließend einstellen. Und auch, dass man nicht einfach jedes Objekt mit einem anderen verschmelzen oder dessen Form einfach als Paintbrush nutzen kann, um sie beliebig in die Länge ziehen zu können, beschränkt das, was da von Seiten der Community noch kommen mag, meiner Meinung nach mehr als nur ein bisschen.
Am meisten schmerzt mich aber der ersatzlose Verlust der Mehrspieler-Komponente. Der „Share“-Aspekt des Spiels bedeutete für mich mehr als nur die Möglichkeit, eigene Kreationen mit der Welt zu teilen. Nein, man teilte auch das Erlebnis. Man kann verstehen, warum es fehlt - rein von der Rechenpower her ist es schon problematisch. Trotzdem kann man diesen Teil von LittleBigPlanet nicht einfach ausklammern und erwarten, den gleichen Effekt zu erzielen.
Diese Schlüsselzugeständnisse - so notwendig, nachvollziehbar und verzeihlich sie auch sein mögen - untergraben das Konzept und den Community-Gedanken letzten Endes ein bisschen: Zusammen spielen, zusammen bauen, zusammen lachen. Darüber hinaus lebt LBP auch vom Input seiner Bewohner. Und die müssen ganz schön lange in Quasimodo-Gedenkhaltung über dem Handheld kauern, um etwas zustande zu bringen, das niemals so spektakulär oder ausgefallen werden kann wie auf der PS3.
Trotzdem ist LittleBigPlanet PSP ein wirklich gutes Jump’n’Run und ein mutiges, größtenteils gelungenes Experiment noch dazu. Es ist das beste Spiel, das es unter dieser Zielsetzung werden konnte und hat, wie schon der PS3-Bruder, jeden einzelnen Spieler verdient, der dem kleinen, großen Planeten die Türen einrennt.
Die Frage ist nur, wie lange sie bleiben werden...