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Loki - Im Bannkreis der Götter

Hack'n'Slay mit frischen Ideen

„Loki ist ein Meister der Metamorphose“. So steht's geschrieben. In der Wikipedia. Und irgendwie trifft das auch auf das gleichnamige Spiel oder besser die Entwickler zu. Das französische Studio Cyanide, das seinerzeit für den Radsport Manager Pro 2006 verantwortlich war, wagt sich jetzt an ein sehr ambitioniertes Projekt: Mit viel Raffinesse, durchdachten Interface-Ideen und einer gelungenen Optik, will man dem Hack'n'Slay-Genre ein wenig Feuer unterm Hinterm machen.

Der Hinweis auf den Radsport Manager soll aber bitte nur anekdotisch verstanden sein, denn Loki – Im Bannkreis der Götter hat damit in etwa so viel zu tun, wie eine Shimano-Schaltung mit einem Zweihänder.

In der Tat haben sich schon viele renommierte Entwickler die Zähne am Hack'n'Slay-Genre ausgebissen und es gibt nicht gerade wenig Spieler, die zwar jeden Vertreter einmal ausprobieren, letztlich aber wieder im Battle.Net bei „Baalrun038“ enden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es gibt kaum Spiele, die ausgefeiltere Gegenstände, Sets und Kombinationsmöglichkeiten bieten als Diablo 2. Die Kapitel wirken irgendwie nicht mono-thematisch, obwohl sie es eigentlich sind. Und schließlich besitzt es ein Gameplay, das den Begriff Hack'n'Slay wortwörtlich umsetzt – eine High-Speed-Klick-Orgie ohne Schnörkel. Mit dem Ende der Bitmap- und dem Beginn der Polygon-Grafik wurden Animationen aufwendiger, detaillierter – aber auch länger. Und ein Teil des Spielwitzes blieb bei einigen designierten Thronfolgern auf der Strecke.

Marc Rehder und Kai Fiebig von Flashpoint besuchten uns in Nürnberg, um zu erklären, warum Loki mehr sein wird als eine französische Interpretation eines altbekannten Themas.

Wie der Name schon nahe legt, führt die Hintergrundgeschichte erst einmal nach ... Ägypten. Hier ist der Totengott Seth auferstanden und sinnt nach Rache: Gottheiten wie Odin, Zeus oder Quetzalcoatl stehen auf seiner Abschussliste. Der Spieler begibt sich auf eine Reise durch die verschiedenen Mythologien, um ihn aufzuhalten. Das klingt zwar nicht neu – zumal ja auch Titan Quest das Götter-Thema ankratzt -, aber immerhin abwechslungsreich. Die Zeitsprünge führen in den hohen Norden kurz vor der schicksalhaften Ragnarök, zu den Griechen vor dem Fall von Troja, ins alte Ägypten und zu den Azteken, als die Spanier unter der Führung von Eroberer Hernán Cortés einfielen. Die Aufgaben sind stets mit der jeweiligen Sage und Geschichte verbunden; in jedem Abschnitt muss die spirituelle Katastrophe verhindert werden.

Im unteren Interface-Balken werden oft benutzte Fähigkeiten und natürlich Heil- und Manatränke abgelegt.

Die Helden entspringen diesen vier Welten. Die Schamanin kann Lebewesen beschwören, der ägyptische Kampfmagier schleudert Feuerbälle, die griechische Amazone ist Spezialistin für Fernkampfwaffen und Fallen, und der nordische Barbar, den Kai Fiebig grinsend als „Horst Hacker“ bezeichnet, kann – naja – hacken. Erwähnt sei noch, dass jeder Charakter in seiner Heimatwelt startet und das Abenteuer in einer anderen Reihenfolge und Erzählung erlebt. Darüber hinaus offenbart sich der ganze Umfang der Geschichte erst beim dritten Durchspielen. Loki verfügt über drei Spielstufen, die man eher als andere Handlungsstränge verstehen sollte, denn hier ändert sich nicht nur der Schwierigkeitsgrad, sondern die Handlung wird weitergeführt. Wer alles mitkriegen möchte, muss also schon ein wenig Zeit mitbringen. Aber nichts anderes will man ja von einem Spiel wie Loki.

Kommen wir zurück zu den Diablo 2-Erfolgsfaktoren. Erstens: Gegenstände.

100.000. Das ist die Zahl, die von den Franzosen derzeit in den Raum geworfen wird. Über 100.000 Waffen und Rüstungen soll es in Loki geben. Und diese unterscheiden sich nicht nur durch ihre Attributswerte. „Eine Waffe besteht aus Griff oder Knauf, sowie Schneide oder Kopf und einem Zustand, hervorgerufen durch Metalle oder Edelsteine. Zerlegt in diese Bestandteile gibt es unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten und genau so schaffen wir es, diese unterschiedlichen Looks zu kreieren.“ Klingt ziemlich einfach, logisch und sieht auch noch verdammt gut aus. Mit „Zustand“ meint Kai Fiebig übrigens magische Eigenschaften sowie Feuer- oder Blitzeffekte.

Besondere Gegenstände knöpft man wie gewohnt Boss-Gegnern oder anderen Spießgesellen ab. Interessant erscheint jedoch die Möglichkeit, in der Schmiede selbst kreativ zu werden. So schlägt man zum Beispiel schneller zu, wenn man seiner gerade gefundenen Axt einen hochwertigen Holzstiel statt des serienmäßigen Eisenprügels spendiert. Wir gehen davon aus, dass dieses Feature vor allem im Multiplayer-Modus eine gravierende Rolle spielen wird, denn selten konnte man seinen Charakter individueller ausrüsten – und sei es, um mit „Looks > Stats“ vor anderen Spielern zu posen.

'Horst Hacker' in Aktion: Der Barbar schwingt einen zweihändigen Kriegshammer.

Grabschen steht in Loki ebenso auf dem Plan. Allerdings deutlich komfortabler als gewohnt. Die Auto-Sammel-Funktion verdient das Prädikat „genial einfach“: Eingesammelt wird prinzipiell automatisch wie in Dungeon Siege. Wie bei World of Warcraft öffnet sich jedoch ein Fenster, in dem langweiliger Krempel gleich deselektiert werden kann. So hält man sich nicht lange mit unsinniger Boden-Klickerei auf und schleppt gleichzeitig nicht jede noch so unscharfe Klinge mit sich herum. Aber selbst das wäre nicht wirklich schlimm, denn auch das Inventory-System hat Cyanide mit dem Blick eines Genre-Outsiders überarbeitet. Alle Fundstücke wandern in eine Art Datenbank, die aufgrund der aufklappbaren Kategorien optisch am ehesten mit einem Datei-Explorer verglichen werden kann. Alle neuen Gegenstände sind zudem mit einem Ausrufezeichen gekennzeichnet, das verschwindet, sobald man die Maus darüber bewegt. Weniger interessante Objekte können sofort nach der Inspektion in den „Kiosk“ verschoben werden. Das ist ein weiteres Inventory-Tab, über das man beim Händler mit einem Mausklick alle nutzlosen Items verscherbelt. One-Click-Sell sozusagen.

Diese Verbesserung des Komforts hat einen erwähnenswerten Nebeneffekt: „Time Sinks“ werden so gut es geht gleich mit eliminiert. Während sich viele Entwickler bei diesem Aspekt auf Teleport-Funktionen und Portale beschränken, stellt Cyanide das gesamte Interface auf den Kopf. Ein mutiger und zugleich lobenswerter Schritt.

Das Charakter-System ist nicht weniger ausgefeilt, erinnert vom Grundkonzept her aber an Titan Quest. Generell sind alle Fähigkeiten den drei Gottheiten zugeordnet, man ist jedoch bei der Auswahl nicht auf eine "Richtung" beschränkt. Mit Level 200, der maximalen Ausbaustufe, soll man gar alle „Spells & Skills“ gelernt haben. Bis dahin muss man seinen Glauben an die gewünschten Götter manifestieren und kann dementsprechend Punkte auf Fertigkeiten verteilen. Und wie glaubt man „mehr“? Auf der einen Seite natürlich durch das erfolgreiche Beenden von Quests und auf der anderen Seite durch Opfer. Wer jetzt an unschuldige Lämmer und Schafe denkt, will sich das Leben ein wenig zu einfach machen. „Es muss weh tun“, lachte Kai Fiebig während der Präsentation. Und so wie sich das anhört, wird man sehr wohl überlegen, wie viel einem die Gunst der Götter wert ist: Um an die begehrten Extra-Punkte zu gelangen, müssen Gegenstände als Opfergabe herhalten. Und zwar nicht billiger Kram, den man dem nächstbesten Händler sowieso auf's Auge gedrückt hätte. Vielmehr handelt es sich um eine der besten Waffen oder Rüstungen des Spielers. Wie war das noch gleich? Es muss eben weh tun.

Und wie spielt sich Loki? Für den Nahkampf steht das gesamte Repertoire an Äxten, Schwertern und Lanzen zur Verfügung – natürlich in ein- und zweihändigen Ausführungen. Das visuelle Feedback passt zur sehr hohen Klickgeschwindigkeit. Bei den Fernwaffen sieht es ähnlich aus, wobei es uns vor allem der Diskus angetan hat: Mit etwas Geschick schnetzelt sich die Flugwaffe im Kreis durch die den Spieler umgebende Monsterhorde; sie kann aber auch auf Distanz einzelne Gegner zu Boden bringen.

Der Kampfmagier zaubert einen Feuerspruch, der die Feinde in der Umgebung versengt.

Der Einsatz von Magie bringt zum Teil infernalische Auswirkungen mit sich. So wurde uns ein Feuerschlag gezeigt, der die nähere Umgebung und damit auch die nahenden Feinde in Brand steckte. Das Ganze sieht optisch so eindrucksvoll aus, dass man sich selbst daran erinnern muss, weiterzukämpfen und nicht dem explosiven Spektakel auf dem Bildschirm zu folgen. Schließlich kann man von bis zu 40 Widersachern gleichzeitig angegriffen werden – da gibt es keine Zeit für Atempausen. Höchstens vor den Boss-Gegnern, die eine besondere Inszenierung erfuhren. Beispielhaft sei hier der Drache Fafnir erwähnt, der nicht nur aufgrund seiner Größe Furcht einflößend wirkt: Sein düsteres Erscheinungsbild wird durch gelegentlich aufflammendes Feuerschnauben aufgehellt – was ihn nicht gerade freundlicher erscheinen lässt. Es bedarf schon sehr viel Kamera-Arbeit, um das ganze Ausmaß dieser gewaltigen Bestie einmal gesehen zu haben. Entsprechend hektisch ist der Kampf, der nicht darin besteht, festgewurzelt vor dem Ungetüm die Klingen fliegen zu lassen. In Loki tragen Bosse ihren Namen nicht umsonst. Adrenalin pur.

Der Mehrspieler-Modus findet seine Realisierung über ein Battle.Net-ähnliches System, dem so genannten „Game Center“. Hier können bis zu acht Spieler miteinander kooperativ auf Item-Jagd gehen – oder sich im PvP gegenseitig die Hölle heiß machen. In der vorliegenden Alpha-Version war diese Funktion natürlich noch nicht enthalten, so dass wir später einen genaueren Blick darauf werfen müssen.

Loki verspricht zum jetzigen Zeitpunkt schon jede Menge "Hack'n'Slay-Vergnügen". Die vielen intelligenten Lösungen für allgegenwärtige Inventory- und Interface-Probleme zeigen, dass die Entwickler nicht nur Fans des Genres sind, sondern sich auch eingehend damit beschäftigt haben, wie es sich in Bezug auf die Pflicht weiterentwickeln lässt. Was die Kür angeht: Die absolviert Cyanide zum Teil mit einer herrlich düsteren Grundstimmung, die durch einen konsequenten Grafikstil samt passender musikalischer Untermalung erzeugt wird. Hier macht man keine Kompromisse. Der zweite Teil der Kür ist sicherlich die Wiederspielbarkeit im Mehrspieler-Modus. Die theoretischen Grundvoraussetzungen sind geschaffen, es muss nur noch in der Praxis funktionieren. Ich bin gespannt.

In unserem Interview beantwortet Patrick Pligersdorffer Fragen zum Multiplayer, Spielen aus Frankreich und Jack Bauer.

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