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Lollipop Chainsaw - Test

Kurze Röcke, Kettensägen, ein körperloser Freund, rockende Zombies, jede Menge Witz. Und das alles in einem Spiel.

Lollipop Chainsaw ist einer dieser Titel, bei denen man froh ist, dass Spiele eben manchmal doch mehr sind, als nur die Summe ihrer einzelnen Teile. Und das nicht nur in wertungstechnischer Hinsicht. Man kann ein Spiel eben nicht ausschließlich nach festgelegten Mustern bewerten, denn selbst Dinge wie die Grafik oder den Sound empfindet jeder anders. Auch wenn das eine oder andere in Lollipop Chainsaw nicht perfekt sein mag, Spaß macht es doch allemal.

Das liegt vor allem daran, dass es Suda- beziehungsweise Grasshopper-typisch mal wieder ein ziemlich abgedrehtes Spiel ist. Übertrieben, bunt, aber auch sympathisch. Kurz zur Story: Ihr spielt die Zombiejägerin Juliet Starling, die sich an ihrem 18. Geburtstag mit einer Zombieinvasion aus einer anderen Dimension herumschlagen muss, die von einem ihrer Mitschüler heraufbeschworen wurde. Ein Glück, dass die gute Juliet praktischerweise immer ihre Kettensäge - übrigens mit integriertem Telefon, auf dem euch hin und wieder mal Mami anruft - in der Sporttasche dabei hat, denn die braucht sie nämlich.

Im Kern ist Lollipop Chainsaw ein Hack'n'Slash á la God of War, auch wenn Juliet ihre untoten Gegner nicht ganz in dem gleichen Tempo und mit der über die Jahre erlangten Eleganz zerlegt, wie das etwa Kratos oder Dante tun. Das Gameplay des Spiels fühlt sich hier zwar ganz ordentlich, aber eben auch nicht perfekt an - von den Größen dieses Genres ist man noch ein Stück weit entfernt. Es könnte alles noch ein bisschen schneller vonstattengehen, die Animationen könnten manchmal besser und flüssiger ineinander übergehen. Und auch die Kamera ist hin und wieder alles andere als hilfreich. In manchen Bereichen kann man sie ein wenig frei drehen, wobei sie sich allerdings wieder automatisch mit Juliet mitdreht, andernorts seid ihr auf die vorgegebene Perspektive angewiesen. Wenigstens hilft eine Lock-On-Funktion dabei, ein wenig besser den Überblick zu behalten, wobei man die jedoch eher bei den gefährlicheren Bossen und Subbossen braucht. Das normale Zombie-Fußvolk ist auch so vergleichsweise angenehm zu erledigen - außer es verschlägt euch in eine Ecke, in der die Kamera plötzlich ein wenig verrückt spielt.

Lollipop Chainsaw - Launch-Trailer

Zur Bekämpfung des untoten Gesindels kann Juliet verschiedene Kombos einsetzen, auch wenn die grundlegenden Fähigkeiten zum Start relativ beschränkt sind. Zusätzliche Angriffsvarianten schaltet ihr nicht etwa frei, indem ihr Juliet hochlevelt oder dergleichen, nein, ihr müsst sie euch in den Shopping-Terminals kaufen, an denen ihr immer wieder vorbeikommt. Dazu braucht ihr wiederum Goldmünzen, die ihr hauptsächlich für getötete Zombies erhaltet, aber ebenso auch für das eine oder andere zerstörte Objekt in der Welt oder bestimmte Interaktionen. Einen Bonus gibt es, wenn ihr mindestens drei Feinde gleichzeitig erledigt - sind es mehr, steigt auch die Zahl der Münzen, die in euren Geldbeutel wandern. Neben den Kombos findet ihr im Shop dann auch noch Verbrauchsgegenstände wie Lollis (steigern Gesundheit) oder Munition (ja, die Kettensäge kann später auch schießen), Gegenstände, die permanent eure Gesundheit oder Stärke erhöhen, und ebenso Extras wie zusätzliche Outfits, weitere Musikstücke oder Artworks, die ihr freischalten könnt. Das soll euch dann auch dazu anspornen, den Titel mehr als einmal durchzuspielen, denn in einem Durchgang könnt ihr das alles gar nicht freischalten.

Und wo wir gerade bei den Kombos sind - grundsätzlich habt ihr verschiedene Möglichkeiten:Einmal könnt ihr eurer Kettensäge einen hohen oder tiefen Angriff durchführen, lasst Zombies mit einer Pompon-Attacke taumeln oder springt zur Seite beziehungsweise über einen von ihnen herrüber. Ein übermäßig taktisches Vorgehen ist jedoch in den wenigsten Fällen erforderlich, mal abgesehen davon, wenn ihr bestimmte Gegner nur erschießen könnt oder auf dem Boden kriechende Feinde logischerweise nur mit tiefen Attacken der Kettensäge trefft. Hier hat man ein bisschen Potenzial verschenkt, so gut wie jeder Zombie ist im Grunde für jeden Angriff anfällig. Die Kombos sind halt etwas effektiver, kommen insgesamt aber eher auf den höheren Schwierigkeitsgraden wirklich zum Tragen. Auf den niedrigeren Stufen fehlt dadurch aber jenseits des Scores der Anreiz, abseits von ein, zwei Kombos dafür virtuelles Geld zu investieren, da auch ansonsten die normale Auswahl an Attacken völlig ausreicht.

Lollipop Chainsaw - Kombo-Trailer

Ein weiteres ... nun, sagen wir "Utensil" ... ist Juliets Freund Nick. Der hat allerdings ein kleines Problem. Er wurde von einem der Zombies gebissen, doch bevor er vollständig infiziert wurde, trennte Juliet ihm kurzerhand den Kopf ab. Warum er immer noch lebt? Nun, it's a kind of magic. Nein, ernsthaft: dank eines magischen Rituals. Das ist auch die einzige Antwort, die er selbst auf diese Frage erhält. Will man es denn genauer wissen oder eine plausible Erklärung haben? Nein, nicht wirklich. Jedenfalls nicht in diesem Spiel. Nach seinem kleinen Unfall baumelt Nick fortan an Juliets Gürtel und ist eben nicht gänzlich nutzlos. Einerseits gibt es Situationen, in denen ihr seinen Kopf auf einen kopflosen Zombie steckt und ihn dann in einem kleinen Mini-Spiel - drückt nacheinander verschiedene Knöpfe - zu seinem Ziel dirigiert, wo er dann explodiert, den Weg freiräumt oder Juliet zu einem Sprung über ein Hindernis verhilft.

Andererseits findet ihr immer mal wieder ein Nick Ticket und könnt seinen Kopf für spezielle Aktionen einsetzen. Das erfordert allerdings ein wenig Glücksspiel: Die entsprechenden Aktionen rotieren fast so schnell wie in einer Slot-Maschine über den Bildschirm und ihr drückt dann den Button, wenn ihr glaubt, die gewünschte Aktion erwischen zu können. Das erfordert allerdings auch, dass man sich die Symbole der jeweiligen Attacke einprägt, denn nur die sind da sichtbar. Hätte man besser lösen können. Warum nur diese Form des Glücksspiels? Wenn die Nick-Tickets schon so selten in der Welt verteilt sind - wenigstens kann man welche in den Shops kaufen -, dann will ich doch eigentlich auch genau festlegen, was ich nun damit anstelle,Und nicht weitestgehend den Zufall bestimmen lassen.

Wie gerade schon angesprochen, gibt es also Mini-Spiele und auch Quick-Time-Events. Ihr müsst in einigen Situationen schnell reagieren und eine Taste drücken, wenn etwa ein Auto auf euch zu geflogen kommt. Oder aber ihr drückt den linken Stick in eine Richtung und hämmert auf die Dreieck-Taste (auf der PS3), während ihr einen Zombie-Boss buchstäblich in seine Einzelteile zersägt. Solche Momente, in denen ihr eben eine angezeigte Taste oder auch mehrere betätigen müsst, gibt es oft, allerdings erfreulicherweise nicht während der Zwischensequenzen.

Was das Spiel so herrlich verrückt macht, ist neben der bereits erwähnten Story die gesamte Aufmachung. Nicht nur wegen des Cel-Shadings erinnert Lollipop Chainsaw dabei an einen Comic, was man erfreulicherweise auch bei der USK erkannt und dem Spiel eine Freigabe ab 16 erteilt hat. Und das, obwohl hier schon mal Körperteile durch die Gegend fliegen. Blut fließt dabei aber praktisch keines. Ganz im Gegenteil: Erledigt ihr einen Zombie, löst der sich in glitzernd bunten Farben auf, erwischt ihr mindestens drei, seht ihr im Hintergrund Sternchen, allerlei bunte Farben und so weiter.

Insgesamt gesehen ist Lollipop Chainsaw mal witzig, mal vulgär, mal einfach nur crazy - also eigentlich so, wie man es von Suda- und Grasshopper-Titeln gewohnt ist. Es ist gespickt mit verrückten Ideen und Dingen, die man so vielleicht nicht erwartet. Nun, jedenfalls wenn man noch keinen anderen Titel des Japaners gespielt hat. Da gibt es zum Beispiel bei zwei Gelegenheiten ein kleines Mini-Spiel auf einem Basketballfeld. Vollführt ihr hier den hohen Angriff mit der Kettensäge, säbelt Juliet die Köpfe ihrer Gegner ab, die dann automatisch in den Korb fliegen - selbstverständlich unter Beachtung der realen Punkteregeln. Innerhalb eines Zeitlimits müsst ihr dann eine festgelegte Punktzahl erreichen, während auch mal ein Zombie eure Würfe abblockt. Andernorts gibt es in einer Spielhalle Level, in denen es euch selbst immer wieder zwischendurch in andere Videospiele hinein verschlägt. Etwa in ein kleines Areal, in dem ihr acht Schlüssel sammeln müsst, damit sich der Ausgang öffnet, während ihr von Pac-Man-ähnlichen Kreaturen durch die Korridore verfolgt werdet. Und das alles in der spärlichen Optik der frühen Spielejahre, aber dennoch stark neonfarbig leuchtend. Und nicht zu vergessen den kleinen Abschnitt, in dem ihr mit einem Mähdrescher Hunderte Zombies in ihre Einzelteile zerhackt. Daraus könnte man glatt ein eigenes unterhaltsames Spiel machen. Zombie Combine Harvester, oder so. Egal ...

Überwiegend sind die einzelnen Level aber vor allem eines: zweckdienlich. Soll heißen, sie sind eng, abgegrenzt und lassen euch nun nicht allzu viel Freiraum. Ein gutes Beispiel dafür wären etwa ein paar kleinere, höchstens kniehohe Flammen auf dem Boden, durch die ihr partout nicht hindurchlaufen oder drüberspringen könnt. Unsichtbare Mauer und so. Nein, ihr müsst nicht mal einen Meter daneben durch die zerstörte Wand eines Klassenzimmers und dann durch die Tür gehen, die euch hinter die Flammen führt. Das Design der Abschnitte an sich mutet dadurch relativ altbacken an. Erledigt ein paar Zombies hier und da (meist mit Anzeige, wie viele noch verbleiben), dann öffnet sich durch eine Skriptsequenz ein weiterer Weg für euch und das gleiche Spielchen geht wieder von vorne los. Und dann wären da natürlich auch die vergleichsweise vielen Ladezeiten, die zuweilen auch mal etwas umfangreicher ausfallen. Man hat die Unreal Engine 3 jedenfalls schon mal besser in Form gesehen, was diesen Bereich anbelangt.

Bei den Bossgegnern handelt es sich unterdessen ausschließlich um Zombie-Rock-Lords. Jeder von ihnen repräsentiert einen unterschiedlichen Musikstil, mal Rock, mal Disco, mal Hippie-Gedudel. Auch die Abläufe der Fights sind für sich selbst genommen schön abgedreht und übertrieben, gehen stets über mehrere Runden und dauern so mehrere Minuten lang. Der Kampf gegen die schwebende Hippie-Tante erinnert an einen psychedelischen Trip voller bunter Farben und klampfiger Klänge. Ach ja, nebenbei werdet ihr auch noch von einer großen, auf ihren Fingern wandernden Hand verfolgt. Muss man dazu noch mehr sagen?

Lollipop Chainsaw - ZOM BE-GONE

Lollipop Chainsaw mangelt es also wahrlich nicht an verrückten Einfällen und abwechslungsreichen Ideen, zudem erledigen die englischen Synchronsprecher - es gibt nur deutsche Untertitel - einen guten Job. Insbesondere die ganzen Nicklichkeiten und Gespräche zwischen Juliet (Tara Strong, unter anderem Harley Quinn in Batman: Arkham City) und Nick (Michael Rosenbaum, Lex Luthor in Smallville) sorgen durchweg für Unterhaltung - ebenso wie auch die Interaktionen mit dem Rest von Juliets alles andere als normaler Zombiejäger-Familie. Und der Soundtrack von Akira Yamoaka (Silent Hill) sowie die lizenzierten Songs, zum Beispiel von The Chordettes (Lollipop), Buckner & Garcia (Pac-Man Fever), Dead or Alive (You Spin Me Round) oder Atari Teenage Riot (Speed), sind schlicht hervorragend.

Schlussendlich kann man also sagen, dass auch Lollipop Chainsaw seine Faszination wieder allen voran aus diesem Abgedrehten, dem Übertriebenen, dem Überspitzten, dem Humor zieht. Das tut es wirklich gut und nutzt es gleichermaßen, um euch zu motivieren. Man will einfach wissen, welche verrückten Einfälle die Entwickler noch hatten und wie man das gerade Gesehene toppen will. Spielerisch ist der Titel hingegen wahrlich nichts Besonderes. Nicht schlecht, aber auch nichts, woran man sich noch lange zurückerinnern wird. Das gilt freilich nicht für den Rest des Titels, wenngleich Lollipop Chainsaw dadurch keineswegs zu einer Empfehlung für jedermann wird. Ihr müsst wirklich diese Art von Spielen mögen, um auch mit Juliet Starling und ihrer Kettensäge wirklich Spaß haben zu können. Und wenn ihr das tut, wenn ihr über ein nur überdurchschnittliches Gameplay hinwegsehen könnt, ist Lollipop Chainsaw sicherlich ein gutes Spiel, um sich im Sommer ein wenig die Zeit zu vertreiben.

7 / 10

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