Lost Ark ist das MMORPG, das New World hätte sein sollen
Das zweite MMO-Rollenspiel hinter dem Amazon Games steht, macht eine viel bessere Figur. Warum das so ist, verrät euch Melanie.
New World beginnt bereits zu schwächeln, doch wie sieht es mit dem neuen MMORPG von Publisher Amazon aus? In Südkorea ist das inzwischen drei Jahre alte Lost Ark ein Hit und auch ich konnte dem Hack'n'Slay-Getümmel mit isometrischer Perspektive einiges abgewinnen, auch wenn für mich in einigen Punkten noch ein winziges bisschen Luft nach oben ist.
Schön, schöner, Lost-Ark-Charaktere
Beim Start des Spiels dürft ihr euch erst mal eine Klasse aussuchen. Mit festgelegten Geschlechtern lässt euch Lost Ark die Wahl zwischen fünf verschiedenen Hauptklassen und jeweils ein bis drei Subklassen besitzen, die sich teils stark voneinander unterschieden. Der Magier kann etwa als unterstützender Barde oder als mächtige Naturmagierin gespielt werden, die ordentlich Schaden drückt. Bei der Kampfkünstlerin gibt es drei Stufen, die immer dickere Prügelhandschuhe besitzen, dafür aber weniger wendig sind.
Welchen Weg ihr einschlagen wollt, müsst ihr direkt am Anfang festlegen - unwiderruflich! Zum Glück könnt ihr jede Subklasse vorher in einem Trainingsraum so lange austesten wie ihr Lust und Zeit habt.
Danach könnt ihr euch über den Charaktereditor hermachen. Mit Optionen für Gesichtsformen, Hautfarbe, einer Frisur mit bis zu zwei Haarfarben und sogar verschiedenen Outfits und Hintergründen, vor denen ihr euren neuen Look austesten könnt, hat Lost Ark einiges zu bieten. Bedenkt aber: Ihr könnt euer Aussehen im Nachhinein nur noch gegen Bezahlung ändern.
Leider gab es einen kleinen Bug beim Umschalten der Hintergründe, bei dem ich nicht mehr ins Gesicht meiner Magierin zoomen konnte. Ein fatales Problem, wie sich im Verlauf des Spiels herausstellte, denn ich hatte mir, ohne es zu merken, Augen mit Herzchen-Reflexion verpasst, die mich fortan in jeder Zwischensequenz mit Nahaufnahme an mein Missgeschick erinnerten. Von Weitem sieht man das zum Glück nicht.
Lustige oder verrückte Charaktere lassen sich nur schwer erstellen, da jede Option den Charakter makellos erscheinen lässt. Ihr könnt lediglich dafür sorgen, dass eure Figur ohne wilden Glanz in den Haaren und auf der Haut etwas schlichter aussieht. Aber genug davon, jetzt geht es erst mal nach Arkesia, einer hübsch gestalteten Fantasy-Welt mit Charme, die hordenweise Gegner zu bieten hat - etwas, dass ich letztes Jahr an New World vermisst habe.
Story trotz Fantasy-Klischees gut umgesetzt
Die Hauptstory führt euch durch verschiedene Gebiete, mit angenehm unterschiedlichen Maps, aber den immergleichen Aufgaben. Die Heilige Dreifaltigkeit der eintönigen Missionen - reden, töten, sammeln - bleibt euch also nicht erspart. Eine gelungene deutsche Vertonung begleitet euch auf eurem Weg, auch wenn bei weniger wichtigen Gesprächen auf die reine Textform gesetzt wird. Zwischendurch werdet ihr in kleinere Dungeons entführt oder ihn nehmt an einer episch inszenierten Schlacht teil, da gibt es hingegen nichts zu beanstanden.
Für mich wirkte die Story selbst ein wenig generisch und überraschte trotz einiger Plot-Twists an keiner Stelle. Punkte gibt es aber für die gute Inszenierung, einen klaren roten Faden und die kleinen Versuche den Spieler hier und dort eine für den Spielverlauf weniger wichtige Entscheidung treffen zu lassen. Nach etwa 20 Stunden - oder bis zu 60, wenn ihr wirklich jede erdenkliche Nebenquest und Tätigkeit mitnehmt - seid ihr mit der Geschichte durch, bei der ihr ein altes und mächtiges Relikt finden müsst, bevor es in die Hände des dämonischen Feindes gerät.
Hin und her kommt ihr dabei zu Fuß, auf dem Pferd oder mit Teleportern, die ihr nach einmaligem Freischalten nach Belieben ab 15 Silber die Reise nutzen könnt, was wirklich nur Peanuts im Vergleich dazu sind, was ihr auf euren Missionen verdient. Auch die Karte selbst ist wunderbar übersichtlich und kann in halbtransparenter Form sogar offenbleiben, während ihr zu eurem nächsten Ansprechpartner reitet. Das Beste daran: Für einfache Gespräche müsst ihr nicht mal absteigen.
Wenn ihr allerdings nach einem polyamoren Leben mit mehreren NPCs strebt, müsst ihr schon ein wenig eurer kostbaren Zeit investieren und andere kleine Opfer bringen, wie etwa den furchtbaren Fraß einer superfreundlichen Wirtin bis hin zur Ohnmacht essen. Was man nicht alles tut.
Kampfsystem nach Diablo-Art
Apropos tun: Lost Ark bietet neben der normalen Hauptstory natürlich auch reichlich Endgame Content. Nicht nur habt ihr später eine eigene Insel, die euch bei guter Führung der Einrichtungen und eurer hoch motivierten Bediensteten mit Ressourcen belohnt, sondern auch einen Markt, bei dem ihr Gegenstände kaufen und verkaufen könnt. Verträge mit Händlern und das Anheuern neuer Arbeiter steht ebenfalls an der Tagesordnung. An klassischen Aktivitäten wie Dungeons oder Raids oder PvP fehlt es euch ebenso nicht. Durch eine Mitspielersuche müsst ihr nicht ewig im globalen Chat nach Verbündeten suchen.
Im PvP kämpft ihr unabhängig von eurem Item-Level und könnt dort zwischen einer Solo-Begegnung oder Kämpfen in kleinen Gruppen wählen. Diese werden dann in einer Arena ausgetragen. Ihr könnt euch aber auch in der frei begehbaren Welt an festgelegten Orten prügeln. Ihr kämpft in Echtzeit und schaltet im Laufe der Geschichte 15 Fähigkeiten frei, von denen ihr nur acht gleichzeitig ausrüsten könnt. Durch diese Einschränkung und verschiedene Aufwertungen der einzelnen Zauber, die ohne Mehrkosten geändert werden können, seid ihr beim Ausprobieren verschiedener Builds sehr flexibel und habt sogar ein paar Slots frei, um bestimmte Konfigurationen für PvE und PvE zu speichern. Gut mitgedacht! Bei der Tastenbelegung lässt euch Lost Ark durch einige festgelegte Tastenplätze dafür weniger Freiheiten.
Ich habe das Kämpfen extrem genossen, denn optisch sehen die Fähigkeiten zauberhaft aus und haben durch ihre Effekte auch ordentlich Wumms, wenn das Feuer knistert, die Blitze einschlagen oder die Faust auf den Boden prallt. Manchmal haben mich die Gegner zwischen sich und einer Wand oder einem Gegenstand eingeklemmt, in diesen Momenten griff ich zur altbewährten Panik-Methode zurück und drückte alle belegten Tasten, bis sich der Wald aus Gnomen lichtete.
Für Sammler, Käufer und Spieler fernab der weltlichen Freuden
Für die wunderschönen Outfits und Waffen, die schon auf niedrigstem Level nach etwas aussehen, kämpft man sich aber wirklich gerne durch die Dämonen-Legionen. Immer mal wieder musste ich zwischendurch an meinen Charakter heranzoomen, um ihn zu bewundern, ja fast ein wenig zu schmachten - aber nur, wenn ich es schaffte, die Herzchenaugen auszublenden. Sammlerfreuden erfahrt ihr auch durch Begleiter, Titel, Orte, Sammelkarten, Emotes und so weiter. Einige davon gewähren eurem Charakter sogar zusätzliche Boni.
Mit einem wunderbar großen Rucksack dauert es wirklich viele Level, bis ihr mal langsam eure Gegenstände aussortieren müsst. Rüstungsteile und Waffen verlieren auf Dauer an Haltbarkeit. Im frühen Spiel lohnt es sich mehr, einfach auf ein besseres Item zu warten und dann das alte zu verkaufen, habt ihr später die Waffe eurer Träume gefunden, lohnt es sich, sie zum Schmied zu bringen, um sie zu reparieren.
Einen Shop, in dem ich weitere Begleiter und Boni finden konnte. Viele dieser Inhalte könnt ihr mit der In-Game-Währung kaufen - da will Amazon Games Lost Ark ein wenig weg von Pay-to-win führen. Meiner Erfahrung nach ist es jedoch sehr mühsam eine brauchbare Menge zusammenzusammeln - durch die Story kommt man aber auch wunderbar ohne. Wie sich die Inhalte des Shops genau zusammensetzen, steht erst nach dem Release fest.
Lost Ark Test - Fazit
Lost Ark hat einen unfairen Vorteil anderen MMORPGs wie New World gegenüber: Es ist schon drei Jahre auf dem Markt und das merkt man auch. Jede Bewegung fühlt sich flüssig an, ich habe nur wenige Bugs erleben müssen und wir können uns dank der bereits großen Fanbase einer erfolgreichen Zukunft des Spiels sehr sicher sein. Im Gegensatz zu New World, bei dem Amazon nicht nur Publisher, sondern auch Entwickler ist, bietet Lost Ark eine besser inszenierte Story und eine viel charismatischere Welt mit variantenreichen Gebieten und Gegnern. Es bietet zwar noch nicht die Inhaltsfülle eines World of WarCraft, aber es gibt stets genug zu tun und Lost Ark hat ein Händchen dafür euch entlang der verschiedenen Quests und Gebiete zu führen. Auch wenn ich während einiger Zwischensequenzen ein wenig mit den Augen gerollt habe, weil - oh, Wunder - ein durch und durch guter Charakter auf einmal dunkle Kräfte besitzt, habe ich mich doch sehr wohl auf Arkesia gefühlt. Lost Ark hat auf jeden Fall das Potenzial, das beste MMORPG des Jahres zu werden. Und ja, das sage ich, obwohl wir erst Februar haben.