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LucasArts ist schuld!

Warum mir Adventures keinen Spaß mehr machen

Ich habe sie alle gehabt! Zork, Monkey Island, Myst, Runaway, Deponia... Ich bin mit Adventures groß geworden, als sie die Königsdisziplin unter den Computerspielen stellten. Dann waren sie zwischenzeitlich tot, mittlerweile sind sie wieder da, irgendwie. Doch obwohl sie sich seit damals kaum verändert haben, sind sie nicht mehr das Gleiche. Warum eigentlich?

Zu einer Zeit, als Computerspiele aus zwei Strichen bestanden, die mit viel Fantasie einen Tennisball hin- und herschlugen, schickte mich Zork bereits auf große Abenteuerreise durch ein unterirdisches Fantasy-Reich. Als Zak McKracken bereiste ich gar die ganze Welt, um sie zu retten. Und Roger Wilco warf mich hinein in eine Galaxie voller Gags.

Ich habe Adventures geliebt, weil sie mir das Gefühl gaben, Teil einer großen Geschichte zu sein. Weil sie fantastische Welten erschufen, durch die ich mir mit Grips statt Schrotflinte den Weg erschließen musste. Weil ich faszinierende Personen kennenlernen und Wunder bestaunen durfte. Niemand hat sich mehr gefreut als ich, dass es sie seit ein paar Jahren wieder gibt: die Spiele von Daedalic, Deck13, King Art, Telltale & Co. Einige davon sind absolut hervorragend, ein paar vermutlich sogar besser als jene Oldies, die heute noch als vermeintlich unerreichte Klassiker gelten.

Edna bricht aus: So sahen Adventures früher aus. Und so sehen sie heute aus.

Dennoch machen sie mir nicht mehr so viel Spaß wie früher. Und das liegt nicht daran, dass ich ihrer überdrüssig oder alt geworden wäre. Es liegt daran, dass sie so sind, wie sie sind. Dass sich die Zeiten geändert haben, nur Adventures nicht.


1. Adventures sind das Gegenteil von zeitgemäß

Früher konnten Spiele ganz schön frustrierend sein. Wenn man gestorben war, musste man ganz von vorne beginnen. Wenn man nicht weiterwusste, war man aufgeschmissen. Heutige Spiele versuchen mit allen Mitteln, Frust zu vermeiden. Im schlimmsten Falle berauben sie sich dabei jedweder Herausforderung, wie ein Assassin's Creed, im idealen Falle aber finden sie die perfekte Balance aus Herausforderung und Befriedigung.

Wenn der Spieler an einer Stelle ewig nicht weiterkommt, hat das Balancing versagt. Selbst ein Dark Souls, das mancher als frustrierend empfinden mag, basiert darauf, dass der Spieler sich und seine Fähigkeiten fortlaufend verbessert, seine Taktik wechselt, andere Vorgehensweisen probiert, immer ein Stückchen weiter kommt, bis er das Hindernis überwindet. In Adventures gibt es diese Möglichkeit nicht.

Das Spielprinzip von Adventures fußt einzig und alleine auf Frust. Hier läuft der Spieler so lange gegen eine Wand, bis diese einbricht. Jeder kennt die Situation: Wer in einem Adventure hängenbleibt und nicht weiterkommt, ist schlicht und ergreifend komplett aufgeschmissen. Irgendwann fängt man an, alles mit allem zu probieren. Es können Stunden vergehen, in denen nichts passiert, in denen ich nur meine Zeit verschwende. Und wenn ich dann endlich die entscheidende Aktion tätige, die mich voranbringt, ist das oftmals keine Situation des Triumphes, sondern eine des: „Waaaas??? Darauf hätte ich kommen sollen?! Wer hat sich denn diesen Schwachsinn ausgedacht?!?!"

'DARAUF hätte ich kommen sollen?!' A Vampyre Story.

Das perfekte Balancing in einem Adventure ist praktisch gesehen ein Ding der Unmöglichkeit. Sind die Rätsel zu leicht, wird es langweilig. Sind sie zu schwer, wird es frustrierend. Die goldene Mitte ist so schmal wie eine Linie. Es klingt absolut paradox: Obgleich sich Adventures auffallend casual geben, sind sie so hardcore wie kein anderes Genre. Und jetzt?


2. Adventures berauben sich ihres eigentlichen Sinns

Ganz einfach: Man schaut in die Komplettlösung. Oder konsultiert die eingebaute Lösungshilfe. Das mindert zwar den Frust, beseitigt aber den eigentlichen Sinn des Spiels. Das ist so, als hätte ein Shooter den God-Mode auf Tastendruck bereits eingebaut oder verließe sich darauf, dass man den Cheat im Netz schon findet. Wenn es so weit mit einem Genre gekommen ist, läuft irgendwas verkehrt.

Früher gab es kein Internet, keine Komplettlösungen. Als ich Maniac Mansion spielte, berichteten wir uns täglich auf dem Schulhof von unseren jüngsten Taten, trafen uns nachmittags zum gemeinsamen Spielen, weil einem zu zweit mehr Ideen kamen, unter denen sich die eine zündende befinden könnte.

Nun könnte man sagen: „Selber schuld! Dann schau halt nicht in die Komplettlösung!" Ja, ich versuch's. Aber spätestens, wenn ich zwei Stunden an einer Stelle nicht weiterkomme, gebe ich in der Regel klein bei und spicke. Allein schon, weil mir meine Zeit zu schade ist. Und wenn der Damm einmal gebrochen ist, sinkt meine Frusttoleranz rapide. Dann schaue ich bereits nach 30 Minuten, nach fünf, nach vier... Es kam sogar vor, dass ich schon in der Lösung nachschaute, bevor ich etwas machte, obwohl ich den richtigen Einfall hatte, nur, um mir 30 Sekunden möglicherweise überflüssigen Laufweg zu sparen.

Tolles Spiel, tolle Rätsel, aber ohne Komplettlösung kaum zu schaffen: Memento Mori 2.

Adventure-Entwickler hassen Spieler, die eine Komplettlösung benutzen. Entwickler wollen nicht, dass man schummelt. Vor allem aber hassen sie Spielejournalisten, die Komplettlösungen benutzen, weil dann am Ende im Test eine Spieldauer steht, die deutlich niedriger ist als das, was sie erwarten. Sie gehen davon aus, dass die Zeiten des Leerlaufs Teil der Spielerfahrung sind. Doch in Zeiten des Internets ist eine solche Annahme abwegig. Adventures fordern es geradezu heraus, dass man schummelt. Sie sind so entworfen, dass es weder mit noch ohne geht. Das Genre führt sich selbst ad absurdum.


3. Adventures sind nicht immersiv

Das Problem liegt im spielerischen Kern des Genres: den Rätseln. Dem Kombinieren von Gegenständen. Adventures basieren auf einer simplen If-Then-Situation: Wenn Gegenstand A mit Gegenstand B, dann „Das klappt so nicht!". Aber wenn Gegenstand A mit Gegenstand X dann Y. Und zwar erst dann und nur dann. Der Rest des Spiels besteht aus Fehlschüssen.

Ich möchte Adventures nicht vorhalten, dass sie ihre eigene Logik mitbringen. Jedes Spiel tut das. Aber Adventures beharren in einem arroganten Maße auf dem, was sie als richtig definieren: Warum kann ich den Topf mit Wasser füllen, aber nicht den Eimer? Warum kann ich die Gabel einstecken, aber nicht das Messer, obwohl ich das viel besser gebrauchen könnte? Wie ist es eigentlich möglich, dass ich eine Leiter, einen Amboss und eine brennende Fackel in meinen Taschen herumtrage? Warum kann ich den Apfel nicht mit der Angel vom Baum holen, sondern muss dafür erst umständlich ein Paddel organisieren?

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich will Adventures nicht vorhalten, dass sie nicht logisch oder realistisch wären. Das ist nicht ihr Sinn. Aber: Sie tragen ihre Gemachtheit stets deutlich vor sich her. Sie verweigern grundsätzlich die Immersion, die heutzutage in Spielen so wichtig ist. Sie können gar nicht anders.

Den Busfahrer mit dem Golfschläger, harten Baguette oder der Tröte wecken: In Zak McKracken führten noch alle drei Möglichkeiten zum Ziel.

Adventures lassen mich nicht Teil ihrer Welt werden, sondern vollkommen willkürlicher Abläufe, die ein Entwickler für mich vorgesehen hat. Ich tue nicht das, was ich für sinnvoll halte, sondern was von mir erwartet wird. Auch das ist in Spielen im Allgemeinen nicht unüblich. Der geniale Twist von Bioshock spielt sogar genau darauf an.

Doch in Adventures gibt es einen gravierenden Unterschied: In jedem anderen Genre unterwerfe ich mich den Regeln eines Spieles und nutze diese für meine Vorgehensweise, um seine Hindernisse zu überwinden. In Adventures unterwerfe ich mich allein dem Diktat des Spieldesigners und versuche zu erraten, was in seinem Kopf vorgegangen sein mag, als er sich dieses oder jenes Rätsel ausgedacht hat. Oftmals verstehe ich den Sinn dahinter erst im Nachhinein. Adventures lassen mich nicht in ihre Welt eintauchen, um ihre Möglichkeiten zu erkunden, sondern sie jagen mich fortwährend daraus hinaus, um im Analysieren ihrer Künstlichkeit ihre Sinnhaftigkeit zu erkennen.

Adventures sind damit von Grund auf verlogen: Ich schlage sie nicht mit den eigenen Waffen, ich gebe ihnen keine ehrliche Antwort, sondern versuche zu erraten, was sie von mir hören wollen.


4. Rätsel-Designer sind faul und einfallslos

OK, ich gebe zu, das klingt jetzt hart und ist unfair. Es gibt viele originelle Adventure-Rätsel, und die Adventure-Entwickler, die ich kenne, sind im Gegenteil äußerst fleißig und mit Herz und Seele bei der Sache. Aber beim Rätsel-Design machen sie es sich meist zu einfach. Adventure-Rätsel wirken meist wie am Reißbrett entworfen und nach Schema F zusammengesetzt.

Adventure-Welten gleichen häufig einer Rumpelkammer, Heldentaten entsprechen einer Bastelstunde. Sie stecken ein begrenztes Areal ab, über dem scheinbar wahllos der Inhalt einer Umzugskiste ausgeleert wurde. Klebeband, Zange, Zahnrad, Messer, Kieselsteine, Ast, Schraubenzieher, Plastikflasche. Ihr kennt das. Auf die Plätze, fertig, los!

Wenn ich ein Adventure spiele, denke ich häufig an eine Szene aus dem Film „Apollo 13": Als die Luftversorgung an Bord des Raumschiffes kaputt geht, muss sich die Boden-Crew eine Möglichkeit überlegen, wie sich die eckige Buchse der Pumpe mit der runden Öffnung des Filters verbinden lässt. Der Teamleiter schüttet dazu eine Kiste voller Gerümpel auf den Tisch, in dem sich alles befindet, was an Bord nicht niet- und nagelfest ist: Schläuche, Rohre, Raumanzug etc. Er schließt mit den Worten: „Meine Herren, die Bastelstunde ist eröffnet!"

Bastelstunde statt großes Abenteuer: Geheimakte Sam Peters.

Adventure-Rätsel funktionieren nach dem gleichen Schema. Der Entwickler legt lediglich die Art und Anzahl der Gegenstände in der Kiste fest und knüpft die Verbindungen dazwischen. Am Ende muss das Runde halt irgendwie ins Eckige.

Wo in anderen Spielen Klempner große Abenteuer erleben dürfen, wird der Abenteurer eines Adventures selbst zum Klempner degradiert. Die Rätsel bringen so die Handlung nicht voran, sie stehen ihr vor allem im Weg herum. Sie gehen nicht aus dem Geschehen hervor, sondern behindern dieses. Sie sind wie ein Spinnennetz, das vor den Ausgang gehängt ist.

Vor allem in den letzten Jahren ist zu beobachten, dass Adventures daher immer linearer werden, dass die Zahl der Locations pro Kapitel immer geringer wird. Denn so können die Entwickler den Inhalt der Bastelkiste überschaubar gestalten, die Geschichte klar strukturieren und die Spannung in schnellen Intervallen vorantreiben - auf dem Papier ein scheinbar durchaus sinnvoller Kompromiss. Allerdings...


5. Adventure-Geschichten sind meistens Mist

Bevor ich gesteinigt werde: Es gibt etliche Adventures mit wirklich tollen Geschichten. Die Story von Gabriel Knight 2 halte ich gar für die womöglich beste, die je in einem Computerspiel erzählt wurde. Auch jüngere Beispiele wie Das Schwarze Auge: Memoria bestechen durch eine in meinen Augen meisterlich clevere Erzählweise. Dennoch ist auffällig, dass ausgerechnet das Genre, dem gemeinhin das Geschichtenerzählen als herausstechendstes Merkmal attestiert wird, sich am wenigsten in dieser Disziplin mit Ruhm bekleckert. Selbst ein Strategiespiel wie Warcraft 3 erzählt eine bessere Geschichte als 95 Prozent aller Adventures.

Ich würde gar behaupten: Ein Großteil der Adventures erzählt nicht mal wirklich eine Geschichte. Versucht mal, den Plot von Monkey Island 2, Die Vieh-Chroniken oder „Edna bricht aus" in zwei Sätzen zusammenzufassen. Es dürfte keine Schwierigkeiten bereiten. Die meisten Adventures ersetzen ihre Storys um etwas, das viel einfacher zu schreiben und automatisch unterhaltsam ist, ohne dass man es in einem komplizierten Spannungsbogen strukturieren müsste: durch Witze. Darum sind so viele von ihnen Komödien: Sie sind im Grunde das Computer-Pendant zu einer Sitcom. Die Geschichte ist lediglich Aufhänger: eine Wäscheleine, auf die man die Rätsel wie ein Paar Socken hängt, deren Löcher mit Gags gestopft wurden. Das macht sie nicht automatisch schlecht, aber ziemlich austauschbar.

Gähnen statt gruseln: Alter Ego.

Beinahe ebenso häufig finden sich Kriminalgeschichten. Das hat einen guten Grund: Kriminalromane sind vom Prinzip her bereits angelegt wie ein Adventure. Sie geben dem Leser ein Rätsel auf, das es zu lösen gilt, sie machen ihn zum Komplizen des Detektivs. Ihre Geschichten bestehen grundsätzlich aus zwei Handlungsfäden: der Ermittlung und der Vorgeschichte, dem Verbrechen, das aufgeklärt wird. Einen linearen und einen fragmentierten Teil also, die perfekt mit der halb linearen, halb offenen Spielweise eines Adventures in Einklang zu bringen ist. Einige der besten Adventure-Geschichten machen sich dies zunutze: Gabriel Knight, Discworld Noir, The Lost Crown.

Doch die naturgemäß gemächliche Spielweise von Adventures macht es schwer, die Spannung einer ernsthaften Geschichte langfristig aufrechtzuerhalten. Es fällt nicht leicht sich zu gruseln, während man aus Holzscheit und Schraubenzieher einen Propeller bastelt. Dann doch lieber Witze am laufenden Band.

Black Mirror, Memento Mori, Geheimakte Sam Peters... Ich könnte noch stundenlang aufzählen. Selten kommt die Geschichte eines ernsthaften Adventures über das Niveau von Groschenromanen hinaus. Spieler auf der ganzen Welt feiern das Ende von Bioshock Infinite, rühmen den Story-Twist von KotOR, beweinen den Tod von Aeris oder philosophieren über die Bedeutung von Silent Hill. Doch wo sind die ikonischen Momente des Adventure-Storytelling? Wie passend, du kämpfst wie eine Kuh...

Adventures haben selten wirklich etwas zu sagen. Stattdessen schwafeln sie. Endlos. Jeder NPC erzählt in ermüdender Ausführlichkeit seine ganze Lebensgeschichte und will damit vermutlich Tiefe vortäuschen, wo doch nur spiegelnde Oberfläche ist. In Filmen werden Charaktere innerhalb von Sekunden anhand weniger markanter Eigenschaften vorgestellt. In Spielen führt man ganze Vorstellungsgespräche, die am Ende den Plot doch nicht voranbringen. Adventure-Dialoge sind wie der sich ständig wiederholende Smalltalk auf einer langweiligen Dinner-Party. Zum Glück kann man sie meistens wegklicken, ansonsten hätte man noch weniger zu tun, denn...


6. Adventures sind wenig interaktiv

Wenn ich Adventures spiele, verspüre ich nach einer Weile eine gewisse Unruhe. Weil ich über weite Strecken nichts zu tun habe. Ich klicke auf eine Stelle und warte, bis sich mein Charakter ganz gemächlich dorthin bemüht hat. Ich führe eine Aktion aus und beobachte, wie meine Spielfigur für mehrere Sekunden in ungelenker Animation mit gebastelter Kelle ein Fahrrad aus dem Wasser fischt. Ich wähle eine Dialogoption und lasse mein Gegenüber in Ruhe aussprechen, bis ich die nächste aussuchen darf. Meistens einfach die Darauffolgende in der Liste. Das ist so, als ob man beim Musikplayer nach jedem Lied erneut auf Play drücken müsste.

Halt die Klappe, und lass mich spielen! The Moment of Silence.

Einen nicht geringen Teil der Spielzeit eines Adventures ist man teilnahmslos. Nur Zuschauer. In der Regel vergehen zwischen einzelnen Klicks mehrere Sekunden, in denen ich Däumchen drehen kann. Vergleicht das mal mit Diablo! Keineswegs verlange ich, dass Adventures die Hektik eines Devil May Cry annehmen sollten. Ein bisschen Entschleunigung hin und wieder kann unserer strapaziösen Welt nicht schaden. Doch viele Adventures fühlen sich unnötig zäh und langatmig an, ersticken in Redundanz, quälen den Spieler mit Nichtigkeiten und Wartezeiten. Und wer ist schuld?


7. LucasArts ist schuld!

The Secret of Monkey Island führte Genre-Paradigmen ein, die heute oft als „LucasArts-Tugenden" bezeichnet werden. Man konnte nicht sterben, keine Fehler machen. Es war witzig, optimal spielbar, besaß unvergessliche Charaktere und Szenen. Das Spiel dient vielen bis heute als Vorbild und ist doch nur Blaupause. Denn statt den Grundpfeiler eines Genres zu bilden, steckt es seinen kleinsten gemeinsamen Nenner ab. Nach den gescheiterten Versuchen, das Genre Mitte der 90er neu zu definieren, wagt es kein Entwickler mehr, sich zu weit von seinen Wurzeln zu entfernen. „Bloß keine Fehler machen" heißt nun: bloß nichts anders machen!

Heute kopiert und variiert man nur noch die Zutaten, die Monkey Island per Rezept verschreibt. Wenn's am Ende nach Suppe schmeckt, ist es egal, wenn sie aus der Tüte kommt. Doch im Gegensatz zu einem Eintopf wird ein Adventure nicht besser, wenn man es wieder und wieder aufkocht.

Viele Adventure-Entwickler begegnen mir mit Unverständnis, wenn ich ihnen erkläre, dass ich ihr Spiel nicht so überwältigend finde, wie sie es erhofft hatten. Ihre Augen scheinen dann zu sagen: „Hey, aber wir haben doch alles, was man braucht! Story, skurrile Charaktere, Witze, Rätsel! Was willst du mehr? So sind Adventures nun mal!" Möglicherweise... aber eine Hundehütte hat auch vier Wände und ein Dach, und trotzdem möchte ich nicht darin wohnen. Solange sich Adventures den dargelegten Punkten nicht stellen wollen, werden sie ewig nur Retro bleiben.

Von den Leuten, die Monkey Island gut fanden: The Book of Unwritten Tales.

Ich gebe zu, ich habe viel gemeckert, ohne konkrete Vorschläge zu machen, wie man es besser machen könnte. Das würde vermutlich mehrere Artikel für sich in Anspruch nehmen. Wichtig scheint mir, dass sich Adventures ihrer Natur bewusst werden und alles andere massiv infrage stellen müssen, sich nicht auf eine Formel verlassen, in der lediglich die Variablen ausgetauscht werden, sondern die Gleichung an jeder einzelnen der Konstanten verändern, die ich aufgezählt habe. So wie andere Genres dies immer wieder gemacht haben.

Diejenigen Adventures der letzten Jahre, die genau dies getan haben, waren beinahe ausnahmslos immens erfolgreich. The Walking Dead hat gezeigt, wie sehr viel ergreifender ein Adventure gerade dann sein kann, wenn man komplett auf Rätsel verzichtet und sich allein auf Geschichte, Charaktere und Entscheidungen konzentriert. Ace Attorney degradiert seine Dialoge nicht zum wegklickbaren Ballast, sondern erhebt sie zum zentralen Spielelement. Und Professor Layton könnte sogar auf seine Geschichte weitgehend verzichten, weil sich die Rätsel selbst genügsam sind.

Jedes Genre hat in den letzten Jahrzehnten massiv von Adventures gelernt: wie man eine Geschichte erzählt, wie man Charaktere inszeniert und eine Welt lebendig macht, welche Bedeutung Rätsel für ein ausgewogenes Spielgefühl einnehmen können und welche Auswirkungen Dialoge auf die emotionale Verbindung zum Spiel haben. Mittlerweile machen sie es besser als die Adventures selbst. Adventures haben nichts dazugelernt. Es wird Zeit, dass sie endlich ihre Hausaufgaben machen.

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Matthias Grimm Avatar
Matthias Grimm: „Die Zivilisation liegt hinter uns, Zach.“ - „Gelobt sei die Sonne!“ - „Sie will nur über Weißwurst reden.“ - „Wie passend, du kämpfst wie eine Kuh.“
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