LucasArts - Ein Nachruf
Die einstige Traditionsschmiede, die viele Klassiker hervorgebracht hat, ist nicht mehr.
Es war der 3. April, kurz vor 20 Uhr. Mehr und mehr Fans rund um die Welt dürften zu der Zeit buchstäblich eine Erschütterung der Macht gespürt haben. Man verzeihe mir die offensichtliche aber einfach zu passende Anspielung, denn zu dem Zeitpunkt ploppte bei mir auf Facebook ein Link zu einem Bericht auf, wonach Disney LucasArts geschlossen hatte. Mein erster Gedanke dazu lässt sich in drei Buchstaben zusammenfassen: WTF?
Es brauchte nur wenige Minuten, bis daraus leider traurige Gewissheit wurde. Die einstige Traditionsschmiede, die zahlreiche Klassiker hervorgebracht hat, wird in ihrer jetzigen Form nicht weiter existieren. Und obwohl man natürlich zurecht sauer oder enttäuscht sein kann, hat sich doch vor allem in den letzten Jahren angedeutet, dass LucasArts einfach nicht mehr das ist, was es mal war.
Das goldene Zeitalter
LucasArts-Spiele gehörten mit zu den ersten Titeln, die ich damals zu Beginn meiner PC-Zeit erleben durfte. Zugegeben, ich habe bei weitem nicht alle der Klassiker gespielt - Maniac Mansion, Full Throttle oder Grim Fandango fallen mir da ein -, aber es sind dennoch Namen, die sich einem ins Gedächtnis gebrannt haben. Eben weil LucasArts damals diesen guten Ruf hatte und einfach viel Tolles produzierte. Ich liebte Monkey Island, verbrachte Stunde um Stunde mit Guybrush Threepwood (auch wieder in den tollen HD-Neuauflagen), bestritt mit dem bekanntesten Archäologen der Welt die Indiana-Jones-Abenteuer und stieg mit der X-Wing-Reihe ins virtuelle Cockpit, um meinen persönlichen Krieg der Sterne auszutragen. Das sind Spiele, die heute allesamt zu Recht als zeitlose Klassiker betrachtet werden.
Es war auch die Zeit, in der vor allem die Nicht-Star-Wars-Spiele noch große Erfolge feierten, was man von der jüngeren Vergangenheit leider nicht behaupten kann. Gleichzeitig gingen aus der Adventure-Zeit einige der noch heute bekanntesten Namen der Spieleindustrie hervor. Ron Gilbert, Tim Schafer, Steve Purcell, Dave Grossman und Co. werden selbst in diesen Tagen noch für ihre Arbeit an den Adventure-Klassikern verehrt, ihre Spiele und Erzählkunst prägen nicht nur dieses Genre bis heute.
Vom Pfad abgekommen
Mit der Zeit entwickelte sich LucasArts weiter - oder wollte sich zumindest weiterentwickeln. Mehr und mehr richtete man den Fokus auf die Star-Wars-Spiele, obwohl nebenbei immer mal wieder Franchise-fremde Titel wie Outlaws, Armed and Dangerous oder Fracture veröffentlicht wurden - zumeist trotz guter Qualität aber nicht mit dem erhofften Erfolg. Aber auch beim umfangreichen Star-Wars-Portfolio war natürlich nicht alles Gold, was glänzt.
Wir haben LucasArts jedenfalls einige tolle Titel zu verdanken, für die zum Teil auch mit anderen Studios fruchtbare Kollaborationen eingegangen wurden. Man denke nur an Spiele wie Jedi Knight 2, Knights of the Old Republic, Republic Commando, Battlefront, Empire at War, The Force Unleashed und die LEGO-Titel. Ich erinnere mich noch, wie mich damals Rebel Assault als eines der ersten CD-ROM-Spiele (das Erste war für mich Command & Conquer) schlicht begeistert und an den Bildschirm gefesselt hat. Titel wie LEGO Star Wars oder LEGO Indiana Jones brachten in mir das Kind im Manne deutlich zum Vorschein. Mit Battlefront 1 und 2 habe ich viele schöne Stunden im Multiplayer verbracht und auch Star Wars Galaxies zog mich regelrecht in seinen Bann. Tatsächlich bin ich der Meinung, dass Galaxies nach wie vor in bestimmten Bereichen (Crafting, Housing, Ressourcen-System) selbst die aktuellsten MMOs mit Leichtigkeit schlägt. Wenn man dieses tolle Sandbox-MMO nur nicht durch dumme Entscheidungen ruiniert hätte ...
Gleichermaßen gab es natürlich richtige Flops. Oder besser gesagt: Spiele, die ich am liebsten wieder vergessen würde. Force Commander glänzte durch seine pure Mittelmäßigkeit, das an Age of Empires 2 erinnernde und auf der gleichen Engine basierende Galactic Battlegrounds, das zwei Jahre nach AoE2 auf den Markt kam, sah für mich nicht nur schlechter aus, auch entwickelte sich nie die gleiche Faszination wie beim Vorbild. Ein Empire at War war da schon eher nach meinem Geschmack. Wenn doch Petroglyph nur einen Nachfolger machen könnte ... mein Geld wäre ihnen gewiss!
"Ich erinnere mich noch, wie mich damals Rebel Assault als eines der ersten CD-ROM-Spiele (das Erste war für mich Command & Conquer) schlicht begeistert und an den Bildschirm gefesselt hat."
Der Weg zur dunklen Seite
Es gibt leider mehrere Punkte, die dann vor allem in jüngerer Vergangenheit schon durchblicken ließen, dass bei LucasArts längst nicht mehr alles rund lief. Klar, unter Jim Ward hat man 2004 mit Battlefront das bis dato erfolgreichste Star-Wars-Spiel veröffentlicht und schob bereits ein Jahr später Battlefront 2 hinterher. Doch das eigentlich Traurige ist das, was man ohne zu zögern als "Battlefront-3-Desaster" bezeichnen kann.
LucasArts hat definitiv versucht, einen dritten Teil zu machen, der sich vermutlich auch wieder erfolgreich verkauft hätte, aber es sollte wohl einfach nicht sein. Free Radical Design arbeitete an einer Fortsetzung, doch nach Umstrukturierungen bei LucasArts brach alles zusammen. Es folgten in den letzten Jahren gegenseitige Schuldzuweisungen. Zwischenzeitlich soll dann Slant Six Games an einer eigenen BF3-Version gearbeitet haben, die jedoch ebenfalls nicht das Licht der Welt erblickte. Was auch immer genau passiert ist, es lief sicherlich bei jeder der beteiligten Parteien viel falsch und gleichermaßen wurde offensichtlich viel Geld verschwendet, ohne auch nur einen einzigen Cent durch einen fast sicheren Erfolg wieder einzunehmen.
Hinzu kamen übereilte Veröffentlichungen, etwa von Knights of the Old Republic 2. Um das Spiel rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft veröffentlichen zu können, musste Entwickler Obsidian besonders zum Ende hin viele Inhalte streichen - was sich entsprechend negativ auf die Spielqualität auswirkte, wie man anhand dieser Liste erahnen kann. Mittlerweile haben Fans per Mod gestrichene Inhalte wiederhergestellt und wer KotOR 2 spielen will, sollte das nicht ohne diese Fan-Ergänzung tun.
Eine verpasste Chance stellte auch The Force Unleashed 2 dar, das seinem erfolgreichen Vorgänger - 2008 immerhin das bislang bestverkaufte Star-Wars-Spiel - folgen sollte. Auch wenn nicht jeder den ersten Teil mochte, blieb doch besonders die Fortsetzung deutlich hinter den Erwartungen zurück - allen voran hinsichtlich der ziemlich kurzen Spieldauer und eines Cliffhangers, der wohl nie aufgelöst werden wird. Und auch in puncto Verkaufszahlen lag man deutlich hinter dem ersten Teil.
Der Anfang vom Ende
Intern spiegelten sich die Probleme auf der personellen Seite wider. LucasArts-Präsident Jim Ward verließ das Unternehmen im Jahr 2008 und wurde durch Darrell Rodriguez ersetzt. Der wiederum hielt sich bis zum Jahr 2010, als Paul Meegan seinen Posten übernahm. Im gleichen Jahr wurde auch ein Drittel der LucasArts-Mitarbeiter entlassen. Aber selbst Meegan überstand nicht mehr als zwei Jahre und musste 2012 seinen Platz räumen. Kevin Parker und Gio Corsi übernahmen vorläufig das Ruder, während man einen neuen Präsidenten suchte. Aber dazu kam es nicht mehr. Es ist bezeichnend für den Zustand von LucasArts in diesen Jahren. Es wirkt, als hätte man kein wirklich klares Konzept mehr gehabt. Und die ständigen Führungswechsel dürften nicht dazu beigetragen haben, dass sich das bessert.
Ende Oktober 2012 gab Disney schließlich völlig überraschend den Kauf von Lucasfilm und der zugehörigen Spieleschmiede bekannt. Nach Angaben eines LucasArts-Sprechers hat der Mickey-Mouse-Konzern dabei schon von Anfang an eine etwaige Schließung von LucasArts geprüft. Und offensichtlich kam man wohl zu dem Schluss, dass zumindest die interne Entwicklung keinen Sinn mehr macht. Und das trotz eines vielversprechenden Projektes wie Star Wars 1313, das im letzten Jahr auf der E3 und gamescom begeistern konnte. Und dann gab es da ja auch noch den Download-Titel First Assault, mit dem man offensichtlich das Interesse an einem Battlefront 3 feststellen wollte. In Anbetracht dieses Vorhabens stellt sich natürlich die Frage, wie gut man bei LucasArts den Markt kannte, denn Battlefront 3 wurde eigentlich immer in Foren und auf Webseiten sehr häufig als einer der Wunschtitel von LucasArts genannt.
"Man kam zu dem Schluss, dass zumindest die interne Entwicklung keinen Sinn mehr macht. Und das trotz eines vielversprechenden Projektes wie Star Wars 1313."
Was bleibt, sind für mich und sicherlich auch für euch allen voran die Erinnerungen an sehr schöne Zeiten und unvergessliche Klassiker, die mich in meiner Jugend begleitet haben. Alleine deshalb schon betrachte ich die Schließung von LucasArts selbstverständlich mit einem weinenden Auge, aber auch mit ein wenig Hoffnung. Hoffnung dahin gehend, dass wir durch die geplante Vergabe von Lizenzen an externe Partner endlich wieder ein paar wirklich gute Star-Wars-Spiele bekommen. Und vielleicht sehen wir ja auch noch einmal die Rückkehr von Monkey Island oder anderen Klassikern? Disney versichert jedenfalls, es werde weiter Star-Wars-Spiele geben. Hoffen wir, dass es nicht nur irgendein Lizenzschrott wird, der passend zu den neuen Filmen auf den Markt geworfen wird. Denn das wäre so ziemlich das Schlimmste, was man jetzt machen könnte.
R. I. P. LucasArts
May the Force be with you. Always.