Lucid Sound LS-30 Wireless Headset - Test
Die Augen hören mit.
Noch nie von Lucid Sound gehört? Kein Wunder. Die neue Firma des Tritton-Gründers Christopher von Huben hat 2016 ihr erstes Produkt auf den Markt gebracht. Aber wenn das LS-30 ein Ausblick darauf ist, was uns von dieser Firma noch erwartet, darf sich der versammelte Rest der Hersteller in diesem Segment auf etwas gefasst machen.
Zum Kontext: An meinem Spiele-PC hängt eine externe Soundkarte von Creative (150 Euro), die das klanglich konkurrenzlose Beyerdynamic MMX 300 (klickt hier für den Test) befeuert, das mal eben schlappe 300 Euro kosten kann. Es grenzt an ein Wunder, dass mir das schon ab gut 160 Euro erhältliche LS-30 wie eine gangbare Alternative erscheint.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die oben genannte Kombo hat klanglich definitiv die Nase vorn. Das MMX 300 spielt mit und ohne externe Soundkarte klarer auf, ist durch nichts zu beeindrucken und hat vor allem das bessere Mikro - später dazu mehr. Aber das Lucid Sound hat so viele eigene Vorzüge, dass man es einfach ins Herz schließen muss und benutzen will. Gleichwohl umschifft es all die Klippen, auf die sonst typische Gaming-Headsets so auflaufen.
Deren umfassende Ausstattung erkaufen sich die meisten Firmen, indem sie bei der Verarbeitung sparen und oftmals wirken Bedienfeatures oder Verkabelung nicht unbedingt ausgereift. Der Klang ist oft aufschneiderisch bassig, nur um dann in Extremsituationen in den Höhen unschön zischend den Schwanz einzuziehen. Die meisten machen ihren Job unterm Strich fraglos okay. Aber es ist selten, dass einem mal ein Gerät auf den Kopf kommt, bei dem man merkt, dass ihre Macher Herzblut und echte Ambitionen reingesteckt haben.
Also, was haben wir hier? Ein extrem gutaussehendes, drahtloses Headset in geschlossener Bauform und in der Preisklasse zwischen 160 und 180 Euro. Oberes Mittelfeld also. Fasst man es an, bekommt man aber schnell den Eindruck, ein echtes Premiumgerät in der Hand zu halten. Schwere gebürstete Metallbügel legen sich um nach Art einer Schallplatte gerillte Muschelkappen. Angenehmes Kunstleder schmeichelt die Hände, ist am Bügelpolster sogar rustikal gesteppt. Das LS-30 fühlt sich durch und durch nach wertigem Hi-Fi Equipment an. Der Korpus der Lautsprecher ist scheinbar aus dem Kunststoff, aus dem Lenovo sonst seine ThinkPads macht. Allein das Plastik auf dem Bügel und an den ausziehbaren Armen macht einen leichteren Eindruck, ist aber so schön matt, dass es sich gut ins Gesamtbild einfügt.
Kein Vergleich mit dem leichten, kratzempfindlichen und oft billig wirkenden Glanzkunststoff der versammelten Konkurrenz. Auf dem Kopf nimmt das nicht ganz leichte Gerät trotzdem ohne zu stören Platz. Die Passform umschließt die Ohren großzügig, meine berührte das Headset kaum. Das Gewicht verteilt sich so angenehm, dass ich schnell vergaß, wenn ich das LS-30 trug. Bewegt man den Kopf schnell hin und her wackelt es minimal. Bei vielen Spiele-Headsets setzt das Knartschen ein, wenn man den Kopf bewegt, oder Grimassen schneidet, weil hier gesteckte Kunststoffteile aufeinander reiben. Das LS-30 ist sich für derartige Kapriolen zu schade. Schön.
Anschluss findet das drahtlose Headset mit der nicht unbekannten Kombination aus optischem ("Toslink") Kabel und drahtlosem USB-Sender, was bedeutet, dass man den mitgelieferten optischen Draht von der Rückseite von Xbox One, 360, PS4 oder PS3 zu einem USB-Dongle nach vorne führt und dieses dann den Verkehr der Klangsignale regelt. Bei der Xbox ist für den Chat wie immer noch zusätzlich das Verkabeln mit dem Controller nötig (Kabel liegt bei). Wer mag, kann das LS-30 aber auch komplett über ein vierpoliges Klinkenkabel als normalen, passiven Kopfhörer betreiben, um so an Smartphone oder Tablet zu funktionieren. Der eingebaute Verstärker des Headsets kommt dann natürlich nicht zum Einsatz, was ein paar Klangpunkte kostet. Wer einen mobilen Verstärker wie zum Beispiel den Creative E3 nutzt, kann das LS-30 aber auch so bei vollen Kräften genießen.
Lucid Sound bezeichnet das LS-30 als "Universal-Headset", spricht auf der Verpackung aber nicht explizit vom PC. Das wundert insofern, als dass das Gerät an einem Rechner mit optischem Ausgang haargenau so seinen Dienst verrichtete, wie an der Konsole. Ich will euch hier keine 100-prozentige Garantie für Kompatibilität geben, kann euch aber sagen, dass ich das LS-30 fast ausschließlich am Rechner genutzt habe. Beim Anschluss gilt nur zu beachten, dass das LS-30 unter Windows zwar als USB-Headset angezeigt wird, man das aber ignorieren muss und als Standard-Wiedergabegerät die Soundkarte wählt, in die man das optische Toslink-Kabel gesteckt hat. Das war schon beim Tritton Katana HD so, das zwar über HDMI angeschlossen wurde, dessen Basis-Sendestation sich aber auch als USB-Headset ausgab (und dann fürchterlich klang). Insofern gebe ich interessierten PC-Usern meinen Segen, es auf den Versuch ankommen zu lassen. Bei mir hat's tadellos funktioniert.
Im aktiven, also drahtlosen Modus überzeugen dann vor allem die Bedieneinfälle, die bei kabelgebundenem Betrieb nicht verfügbar sind: Man merkt es erst nicht, aber die LP-artigen Einlässe sind von Drehscheiben eingefasst. An der linken Ohrmuschel regeln sie die Spiel- oder Musiklautstärke, an der rechten die des Voice-Chats. Am PC erkannte der Chat-Regler zumindest Skype, wenn auch nicht Teamspeak, Dischord oder Steam, deren Lautstärken ich softwareseitig regeln musste. Andere Headsets verfügen jedoch gar nicht über diese Möglichkeit, weshalb das nicht wirklich gegen dieses Headset spricht.
An der Konsole sind die Sprachkanäle für die Kopfhörer in jedem Fall eindeutiger vom Rest der Klanglandschaft getrennt, weshalb das hier immer wie vorgesehen funktionierte und sich die Bande Dreizehnjähriger mit unerklärlicher Schwäche für meine Mutter wunderbar wegregeln lässt. Ebenfalls clever: drückt man den Schallplatten-Einlass an der linken Seite, wird das Headset stummgeschaltet, klickt man die Ohrmuschel rechts, schaltet man das Mikro stumm. Ein LED (das ruhig eine Idee kleiner sein dürfte, aber man kann das Mikro ein wenig drehen, sollt es einen stören) auf dessen spitze zeigt an, dass einen gerade niemand hört.
Toll ist ebenfalls, dass sich das Mikrofon abnehmen lässt (3,5mm Klinke) und man den Anschluss mit den gleich doppelt mitgelieferten Gummipfropfen verschließen darf, das LS-30 schaltet dann automatisch auf das in die linke Muschel eingelassene interne Mikro um. Gut genug für Telefonanrufe oder Skype, wenn man unterwegs ist. Draußen muss man aber zugeben, dass diese Kannen durchaus etwas Sound "lecken" und man die Umgebung schon ganz gut mitbeschallen kann. Das liegt zum einen an der durchaus ordentlichen Kraft, die die riesigen 50mm-Treiber mitbringen und zum anderen an einer Isolation, die eben doch darauf baut, dass man das LS-30 doch eher in den eigenen vier Wänden nutzt. Dass ich bei einem Gaming-Headset überhaupt in Betracht ziehe, es mit nach draußen zu nehmen, spricht für den fantastischen Look dieses Hinguckers von einem Kopfhörer.
Ebenfalls nett ist das Monitoring des Mikrofons, das eure eigene Stimme jederzeit an eure eigenen Ohren durchschleift. So schreit ihr auch mitten in der Nacht nicht in wilden Mehrspielerpartien so sehr rum, dass eure bessere Hälfte, der Nachwuchs oder die Nachbarn aufwachen. Abschalten kann man die Funktion leider nicht, was in Ruhephasen dafür sorgt, dass man schon etwas "Leerrauschen" auf die Ohren bekommt. Aber im Spiel geht das restlos unter und wenn man eh nicht chattet, kann man das Mikrofon auch komplett stummstellen.
Passend zum wertigen und ansehnlichen Äußeren gibt sich auch der Sound wenig Blößen, vor allem angesichts seines Ausstattungsniveaus. Tatsächlich klingt er deutlich natürlicher und pegelfester als die meisten anderen Headsets in diesem Segment. Charakteristisch ist er tatsächlich näher an einem Hi-Fi-Schallwandler als an den häufig angeberisch röhrenden und eher stumpf klingenden Gaming-Konkurrenten. Der 50mm-Bass wummert wunderbar tief und auch druckvoll, wenn auch im Vergleich zum ungleich teureren Beyerdynamic nicht ganz so präzise. Überhaupt ist der Sound ein spürbar wärmerer, ohne dass Details zu sehr untergebuttert würden.
Wenn nötig, schnellt der LS-30 aber auch selbstbewusst in die Höhen, bei denen die günstigere und gleich teure Konkurrenz gerne deutlich früher kapituliert und unangenehm ausfranst. Insgesamt eine sehr ausgewogene Performance. Von den drei Equalizer Einstellungen lasse ich lieber die Finger, aber wer will, dreht Höhen und Tiefen durch einen Tastendruck noch einmal extra rauf. Im Normalbetrieb klang es für mich aber am besten, was sich vor allem in Rainbow Six Siege zeigte, wo das Headset auch in Stereo mit toller Ortung überzeugt, während einem Schusswaffenentladungen in Nähe der Spielfigur angemessen angst und bange werden lassen. Die räumlichen Details der Gruften aus Rise of the Tomb Raider bilden die Spielumgebungen exzellent ab.
Auch in Sachen Musik gibt es wenig zu beanstanden. Ich würde ihn nicht "audiophil" nennen, weil er im Zweifelsfall eben doch Kraft und Lautstärke über Genauigkeit stellt. Aber die Charakteristik eines Kopfhörers, dem daran gelegen ist, nah am Medium zu bleiben, ohne aufzuschneiden, schlägt hier voll und ganz durch. Ich habe das erste Mal im Preissegment bis 200 Euro nicht das Gefühl, fürs Musikhören eigentlich ein besseres Gerät anstöpseln zu müssen. Womit wir wieder bei unserem musikalischen Testkarussell wären: TV on the Radios Halfway Home schnellt treibend unter brillanten Handclaps seinen Neon-Highway hinauf und selbst die einzelnen Stimmen des Background-Chors gehen im Schraddel-Finale nicht unter. In der Indie-Pop-Liebeserklärung Party Police von Alvvays tritt Molly Rankins fragiler Gesang sorglos und ohne sich zu sehr zu verlieren in Konkurrenz mit erst verträumten, dann immer knarzigeren Gitarren und retro-seligen Keyboards.
Deafheavens Post-Black-Metal in Dream House sah der LS-30 dann recht entspannt entgegen, was in anderen Kopfhörern schon mal undefinierbarer Matsch wird, dröselt dieser hier auf höchst passable Weise schön dynamisch auf. In Lianne La Havas' sinnlicher Tanznummer Unstoppable saugen einem die 50mm-Tieftöner unterdessen förmlich die Luft aus den Ohren, ohne den feineren Samtnoten im Gesang der Britin zu überdecken. Erst als sich gen Ende die Klangebenen durchaus absichtlich gefährlich hoch übereinanderschichten, kommt der Kopfhörer - in sehr hohen Lautstärken - etwas ins Schwitzen. Die Bilanz: Tatsächlich würde ich den Klang durch die Bank weg als doch ziemlich massenkompatibel und frei von wirklichen Tadeln bezeichnen, was nicht bedeuten soll, dass ich dem LS-30 Charakterschwäche unterstelle. Er lässt sich einfach nichts zu Schulden kommen und fast wundert man sich ein bisschen, dass man für dieses Geld und zu diesem Ausstattungsniveau ein solches Headset geschossen hat.
Wenn ich meckern müsste, würde ich sagen, dass das interne Mikro nicht besonders gut klingt - gerade gut genug fürs Telefonieren eben und dafür ist es ja auch gedacht -, während das schön flexible Ansteckmikro zwar angenehm rauschfrei tönt, es aber an Klarheit vermissen lässt. Vollkommen okay, aber eben nicht wirklich gut. Für den vorgesehenen Zweck, zum Spielen und vielleicht dem Kommentieren aufgezeichneter Spielevideos reicht es aber allemal.
Noch was zum Thema Kabellosigkeit. Die Reichweite ist wirklich ordentlich. Durch mehr als eine Wand hindurch reicht es zwar nicht zuverlässig, dafür ist die mit von offizieller Seite mit 15 Stunden ausgewiesene Akkulaufzeit keinesfalls übertrieben. Selbst als der Signalton kundgab, dass die Kannen bald per USB ans Netz mussten (wobei sie weiter genutzt werden können), hatte ich noch eine gute Stunde Laufzeit auf der Uhr. Schön auch, dass er nach zwei Stunden schon wieder voll war.
Trotz der kleinen Einschränkung in Bezug auf das Mikrofon gilt also: Das LS-30 ist das beste Headset, das mir für unter 200 Euro bisher untergekommen ist. Dass es noch einmal deutlich weniger kostet, macht es nur noch attraktiver.
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Das LS-30 sieht nicht nur gut aus, es ist einfach schön. Die Verarbeitung wirkt im Großen und Ganzen unverwüstlich, beinahe kostbar. Das Steuerungskonzept ist einfallsreich und ausgereift und der Leistungsumfang aller Ehren wert. Dazu kommt, dass der Klang zwar in erster Linie von sich reden macht, weil man kaum Schlechtes über ihn sagen kann, aber genau das kommt einem über viele der direkten Konkurrenzgeräte eben nicht über die Lippen. Nicht einmal musste ich in diesem Test schreiben "für ein Gaming-Headset klingt es...". Das ist in diesem Marktsegment eine Premiere.
Natürlich, besser geht es immer, vor allem, wenn man mehr Geld ausgibt, das zum Beispiel Beyerdynamic zu recht für den viel beschworenen MMX 300 verlangt. Vor diesem Hintergrund würde es mich brennend interessieren, ob im höherpreisigen Segment von Lucid Sound noch etwas kommt. Immerhin entscheide ich mich schon jetzt regelmäßig trotz teurerer griffbereiter Alternativen regelmäßig für diesen günstigen, kabellosen Newcomer. Das hätte ich noch vor zwei Wochen definitiv nicht für möglich gehalten.