Luigi's Mansion 3 - Test: Einfach bezaubernd
Tollpatsch auf Geisterjagd, Teil drei.
Ach Luigi, du bist einfach zu leichtgläubig für diese Welt. Erneut folgst du einem verlockenden Versprechen in einen vermeintlichen Traumurlaub, der sich als Horrortrip entpuppt und deine Freunde in Gefahr bringt. Und wer steckt dahinter? König Buu Huu! Wer sonst? Nein, Nintendo zählt abseits einiger Ausnahmen nicht zur Crème de la Crème in der Kunst des Geschichtenerzählens, wenngleich es seinen Zweck als Aufmacher für dieses wundervolle Erlebnis - zumindest für euch als Spieler - erfüllt.
Die Story dient hier allein als Vorwand und wirft euch, Gott sei dank, damit aber auch schnell ins Geschehen rein. Nachdem König Buu Huu Luigis Freunde einmal mehr in Gemälde verwandelt hat, gelingt es Luigi, sich rechtzeitig zu retten. Fortan begibt er sich auf eine weitere Geisterjagd, um Mario und Co. wieder heil einzusammeln.
Und dafür haben sich die Entwickler ein paar Neuerungen einfallen lassen, die das altbewährte Spielsystem auflockern und vor allem bereichern. Ihr habt es gelesen und gehört: Neu dabei ist die Saugschuss-Funktion, mit der ihr Wände einreißen, Kisten und Vasen öffnen und Schalter betätigen könnt. Allein durch diese erweiterte Funktion bieten sich in dieser wunderschönen und abwechslungsreichen Welt des Spukhotels diverse Möglichkeiten zur Interaktion, die Luigi in den ersten beiden Teilen nicht hatte.
Und sie ist sinnvoll eingebaut, ebenso die neue Funktion mit Fluigi, eine glibberige Version des Helden, die an Orte gelangt, die für Luigi unerreichbar wären. Keine der neuen Funktionen ist überdurchschnittlich häufig im Einsatz, hier zeigen die Entwickler ihr Fingerspitzengefühl für die richtige Mischung und lassen sich für jeden Raum und jedes Rätsel was Anderes einfallen, so dass keine Langeweile aufkommt oder ihr denkt: "Boah, das hab ich jetzt dreimal hintereinander machen müssen, lasst euch mal was Neues einfallen." Vielmehr kommt zum Beispiel Fluigi ebenso sinnvoll zur Geltung, indem er Luigi neue Wege eröffnet. Einfach per Tastendruck zwischen beiden hin und her wechseln, ein Kinderspiel.
Was vor allen Dingen maßgeblich beeindruckt, ist der Erfindungsreichtum. Es lässt sich anhand des Aufbaus des Hochhauses erahnen, dass in dem Gruselhotel einige Etagen auf euch warten, aber wow, was sind das für Etagen! Startet ihr zu Anfang noch in einer Innenausstattung, wie ihr sie in einem herkömmlichen Hotel vermutet - Keller mit Tiefgarage und Waschraum, Lobby und hübsch eingerichtete Zimmer, hält mit jedem Aufstieg eine Etage nach der nächsten eine Überraschung für euch bereit, die mich staunend Luigi durch die Themenbereiche steuern ließ. Mal kämpft ihr euch auf den Spuren von Indiana Jones durch einen zugewucherten Dschungel, mal befindet ihr euch in einer Disco und macht auf John Travolta und ein anderes Mal seid ihr ein Ritter in einem Spukschloss. Mit einer unglaublichen Liebe zum Detail gestaltet Next Level Games hier Etage für Etage mit einem eigenen, unvergleichlichen und einfallsreichen Motto, bei dem es euch schwer fällt, euch für eine Lieblingsetage zu entscheiden.
Die hübsche Grafik tut ihr Übriges und lässt dank realitätsnaher Ausleuchtung das Horrorerlebnis plastischer wirken, erweckt jede der Etagen mit einem eigenen Stimmungsbild zum Leben. Luigi's Mansion 3 ist eines der hübschesten, wenn nicht das hübscheste Spiel, das ihr derzeit für die Switch bekommt. Der Blick fürs Detail steckt in jedem Grashalm, der auf eure Bewegung und den Schreckweg reagiert, steckt darin, dass man alles einsaugen kann, darunter Dinge, die für einen Staubsauger viel zu groß sind. Aber egal, Luigi hat in seinem magischen Staubsauger für alles Platz, auch wenn er eine komplette Wüstenregion von tonnenweise Sand befreit.
Es ist alles so schön bunt und farbenfroh, ein wahres Fest für die Augen und in dem Sinne typisch Nintendo. Das Spiel lässt euch obendrein mit so vielen Dingen interagieren, wenngleich manche davon nicht immer einen spielerischen Zweck erfüllen. Macht nichts, allein, dass sie da sind und euch durch Spielereien und Experimentierfreude die Möglichkeit dazu geben, erzeugt eine lebendig wirkende Welt. Jeder einzelne Raum hinterlässt den Eindruck, als hätten die Entwickler viel Freude daran gehabt, sie zu gestalten. Und allein diese Spannung und Vorfreude, wenn ihr mit dem Aufzug zum nächsten freigeschalteten Stockwerk fahrt, um zu sehen, welche kreativen Ideen sich die Macher dafür einfallen ließen ...
All diese Interaktivität, die ganzen beweglichen Elemente und was sonst alles in den Räumen passiert, wenn Geister auftauchen, bringt die Konsole dabei nie ins Schwitzen. Das Spiel flutscht in Sachen Performance einwandfrei über den Bildschirm, ob auf dem großen Fernseher oder auf dem kleinen Screen der Switch. Next Level Games liefert technisch saubere und vorbildliche Arbeit ab.
Analog zu den einzelnen Etagen halten die Bosskämpfe immer ein neues Schema parat und manche von denen sind so witzig wie genial gemacht - ich möchte an dieser Stelle nichts vorweg nehmen und halte die Klappe diesbezüglich, aber es gibt vor allem einen Bosskampf, für den ich dieses Spiel feiere. Okay, kleiner Spoiler: Er kommt auf Etage 8. Am Ende ist jeder einzelne Bosskampf ein besonderes Erlebnis für sich und der schaurige Höhepunkt der kleinen Geschichte, die jedes Stockwerk für sich erzählt.
Dabei geht zudem der Humor und Charme des Spiels nicht verloren, ganz im Gegenteil. Das Spiel beschert euch ob einer obskuren Situation oder neuen Idee das ein oder andere Grinsen im Gesicht. Es ist diese Tolpatschigkeit von Luigi, die ihn charmant macht und die jeder nachvollziehen kann, dem einmal was Dummes passiert ist. Wenn Luigi wiederholt auf ein kleines Gummientchen tritt und so einen Geist auf sich aufmerksam macht, kommt euch ein x-beliebiges Facepalm-GIF in den Sinn. Zugleich muss man den Kerl, der alles gibt, um seine Freunde zu retten, einfach liebhaben. Ihr fiebert und zittert mit ihm mit und spürt das eigene Herz aufgehen, wenn ihr ihn mit seinem Geisterhund herumtollen seht.
Wie Alex in seinem Artikel fand ich die Steuerung auf der gamescom noch fummelig - dieser Eindruck verschwindet aber, nachdem ihr euch ein Weilchen mit dem Spiel beschäftigt. Ihr verinnerlicht die anfangs noch ungewohnte Steuerung und dass ihr Luigis Blickrichtung relativ zur Spielfigur bewegt. Die Bewegungsteuerung wirkt nicht hinderlich, sondern förderlich, hilft dabei, nach oben oder nach unten zu schauen. Neben dieser gibt es auch eine alternative Tastenbelegung (ihr aktiviert die Taschenlampe beispielsweise mit den Schultertasten), die die Handhabung von Luigis Ausrüstung erleichtert.
Dank Fluigi funktioniert auch der Koop-Modus von der Couch aus einwandfrei. Einfach jederzeit in den Optionen das "Teamspiel" auswählen, Controller anmelden und der kooperative Spaß beginnt nahtlos. Der zweite Spieler schlüpft dabei wortwörtlich in die Rolle von Fluigi und ihr müsst Luigi nicht mehr links liegen lassen, um an Geheimnisse für Fluigi zu kommen - Spieler zwei übernimmt diesen Part und ihr erkundet die Etagen zu zweit. Zumindest innerhalb eines begrenzten Rahmens, da ihr euch immer in den gleichen Räumen aufhaltet und nicht unabhängig voneinander im Splitscreen durch die Stockwerke wuselt. Macht aber auch mehr Spaß, gemeinsam die Räume leerzusaugen und Geister durch die Gegend zu schleudern.
Was soll ich zum Gameplay von Luigi's Mansion 3 noch groß sagen, außer dass es bestens funktioniert? Next Level Games baut auf der Arbeit am zweiten Teil auf, streut neue und sinnvolle Features ein und legt somit insgesamt noch eine Schippe drauf. Was dabei herauskommt, ist kein revolutionäres Spiel, aber eines, das unglaublich viel Spaß macht und nicht mit Abwechslungsreichtum geizt. Es stellt die Serie nicht auf den Kopf und ist von vorne bis hinten linear - und das ohne viel Backtracking - , aber was es macht, das macht es verdammt gut.
Die Liebe zum Detail in jeder noch so kleinen Ecke des Spiels begeistert ebenso wie die charmante Präsentation der Abenteuer des tolpatschigen Luigi, wenngleich die Geschichte in ihrer Gesamtheit mit Sicherheit keinen Oscar für das beste Drehbuch abräumt. Es reicht als Aufmacher für dieses Spiel, um euch am Ende bis an die 20 Stunden lang - wenn ihr alle Geheimnisse entdecken möchtet - bei Laune zu halten. Luigi's Mansion 3 wirkt wie ein Spiel, das nicht unter Berücksichtigung so vieler aktueller Trends wie möglich designt ist, oder sich komplett neu erfindet, es hält am altbewährten Aufbau fest. Ob das gut oder schlecht ist, muss jeder mit sich ausmachen. Ich betrachte es als eine Liebeserklärung an das Franchise und an diesen Charakter. Luigi hat bei Next Level Games ein vorzügliches Zuhause gefunden. Wenn ich einen Wunsch an Nintendo frei hätte: Lasst sie alsbald bald mit der Konzeptionierung von Teil vier beginnen!
Entwickler/Publisher: Next Level Games - Erscheint für: Switch - Preis: zirka 50 bis 60 Euro - Erscheint am: 31. Oktober - Getestete Version: Switch - Sprache: Deutsch - Mikrotransaktionen: nein