Mad Catz R.A.T. Pro X - Test
Sie bauten sie, weil sie es konnten.
Ab einem gewissen Punkt geht es nicht mehr nur darum, dass es wirklich nötig ist. Oder dass es nicht auch anders zu lösen gewesen wäre. Manchmal muss es einfach „Weil wir es konnten" sein. Weil es da draußen Leute gibt, denen Spielen so wichtig ist, dass sie nicht nur diese Features begrüßen werden, sondern auch vor dem Preis, den es kostet, sie zu produzieren, nicht zurückschrecken. Oder vielmehr, seien wir ehrlich: den es kostet, sie zu entwickeln, denn die Produktion, in welchem Schwellenland auch immer, wird nicht ganz so teuer sein.
Dass Mad Catz bei seinen Mäusen ein Hersteller ist, der gerne neben der üblichen Spur läuft, dürfte mittlerweile bekannt sein. Wenn es aussieht, als wäre die Maus in der Mitte der Explosion eingefroren, ist es wahrscheinlich eine von Mad Catz. Manche lieben es, manche nicht. Ich persönlich stehe auf der „Mir egal, wie es aussieht, Hauptsache es funktioniert"-Seite, aber bei der neuen R.A.T. Pro X guckte ich auch zweimal hin. Vor allem, weil ich mich noch nicht entscheiden kann, ob ich sie nun mit „Streets-of-Rage-Neon" adeln soll, sie doch lieber „dreckiger Kolibri am Strick" nenne oder gar mit „Die Schwarze Hornisse" einen neuen Superhelden erfinde. Ja, das Design ist eigen, ob es euch gefällt, ist eure Sache und nur mit einem Blick auf die Bilder zu entscheiden.
Der Anblick war selbst für Mad-Catz-Verhältnisse überraschend. Was dann folgt, sorgt für etwas, das ich bei Gaming-Mäusen schon lange nicht mehr hatte: erstaunt hochgezogene Augenbrauen. Das erste Mal sah ich das gute Stück während einer Gamescom-Präsentation und ich stellte gelangweilt eine der üblichen Fragen zum Start. Welchen Sensor hat sie denn, gibt's es da was Neues auf der Welt? Die Antwort lautete: Welchen hättest du denn gerne? Sprachs, nahm die Maus, rupfte unten die Sensoreinheit raus und legte sie neben zwei andere Einheiten auf dem Tisch. Ja, die R.A.T. Pro X wird mit einem von drei Sensoren verkauft, die anderen zwei könnt ihr für jeweils ungefähr 25 Euro nachkaufen.
Die Bandbreite ist sinnvoll gewählt. Ihr habt einen Philipps PLN2037 TwinEye mit 8200 dpi, 50g Beschleunigung und 240 ips Tracking-Speed. Er passt sich automatisch dem Untergrund an, lässt sich bei Pick-up von 1mm bis 0,2mm justieren und hat eine Sensordämpfung, die ungewollte Mikro-Eingaben kompensieren kann. Der zweite, der auch in dem Testmuster steckt, ist ein Pixart ADNS 9800 mit 9800 dpi, 30g Beschleunigung, 150 ips Tracking und einem Pick-up von 3mm bis 0,3mm. Es ist ein etwas ruhigerer, immer noch schneller High-End-Sensor. Der dritte im Bunde ist ein Pixart PMW 3310 mit 5000dpi, 30g, 130 ips. Nicht der schnellste Sensor, aber ein bis heute ausgesprochen bewährtes Modell, für viele immer noch ein guter Kandidat, wenn es einfach nur ums Shootern geht. Welchen ihr haben möchtet, bleibt euch beim Kauf überlassen, keiner kostet mehr als der andere.
Der Wechsel ist extrem simpel und zeigt weitere austauschbare Teile der Pro X. Die beiden „Fußleisten" links und rechts an der Unterseite sind per Magnet angeklickt und zur Wahl habt ihr Teflon- oder Keramikfüße. Was davon „besser" ist, hängt von der Unterlage und eurer Position in einer fast religiösen Debatte ab. Manche mögen dies, manche das, ihr könnt es mit dieser Maus leicht rausfinden, denn der Wechsel dauert keine zehn Sekunden und beide Sets sind mitgeliefert. Sind die Leisten ab, lässt sich der ebenfalls magnetisch gehaltene, eingehakte Sensor ohne Probleme herausnehmen und austauschen. Theoretisch auch im laufenden Betrieb, praktisch würde ich die Maus dann doch vorher abstecken, da sie in der Hälfte der Fälle nach dem Abnehmen und Einsetzen wieder neu eingesteckt werden musste, bevor der Zeiger sich wieder bewegte. Trotzdem, denkbar simpel, keine Schrauben nötig.
Da hört das Customizing aber längst nicht auf. Ihr findet in der Packung neben einer praktischen Transporttasche einen ganzen Batzen an Extrateilen. Die beiden Extrem-Fußleisten wurden schon genannt, als Nächstes sind drei Maus-Wheels dran. Ihr habt ein Gummirad, eines aus Metall mit großen Zacken und eines mit feinen. Das mit den groben eignet sich gut zum Waffendurchschalten und für ähnliche Dinge; das feine immer noch für pointiertes Scrollen und das aus Gummi für stufenloses Scrollen. Der Wechsel ist wiederum extrem einfach. Statt irgendwo einen Schrauber ansetzen zu müssen, lässt sich das ganze Rad nach oben kippen, der Ring zur Seite abziehen, der gewünschte wird aufgeschoben, nach unten klappen, fertig. Dauert keine Minute.
Diese Mausaufhängung hat aber noch einen anderen Vorteil. Mad Catz nennt es analoges Strafing und es bedeutet, dass ihr das Rad nach links und rechts verschieben könnt. Und zwar die ganze Aufhängung in einem Bereich von einigen Millimetern stufenlos, nicht einfach nur das Rad kippen und damit einen digitalen Kontakt auslösen. Seitliches Scrollen ist damit genauso möglich wie das Strafing im Spiel auf der Maus selbst. Letzteres halte ich eher für eine theoretische Angelegenheit, da der Widerstand zu hoch ist, um es im präzisen Bewegungs- und Klickrhythmus eines Shooters nebenbei zu bedienen, aber im realen Leben als Variante, um schnell mal zur Seite zu scrollen, hat es was. Eine interessante Innovation, die in Zukunft hoffentlich noch weiterverfolgt wird.
Möglich sind der Wechsel des Rads und vor allem die Anpassung der Scroll-Geschwindigkeit durch ein neuartiges optisches System, das die Radbewegung abtastet. Das Rad-Tempo selbst wird allerdings nicht über die Software gelöst, sondern mithilfe einer kleinen Schaube - entsprechender Dreher anbei -, die angezogen oder gelöst wird. Auf diese Weise könnt ihr euch stufenlos aussuchen, ob das Rad fast schon alleine läuft oder fast nicht zu bewegen ist.
Nach der Neuerfindung des Mausrads - oder zumindest der Abtastung und Aufhängung - folgen Dinge, die für eine R.A.T.-Maus fast schon Standard sind. Die Handflächenauflage lässt sich in drei Stufen vor- und zurückschieben, um für alle Handgrößen und -haltungen eine bequeme Distanz zu den Tasten zu bieten. Neu ist, dass ihr die Auflage nun auch kurz anheben und dann in fünf Positionen aufgeteilt um jeweils 15 Grad nach links und rechts kippen könnt. Diese neue Achse sollte endgültig dafür sorgen, dass jeder genau dort die Auflage hat, wo er sie bevorzugt. Die Auflage lässt sich komplett abnehmen und gegen eine der beiden anderen mitgelieferten austauschen, wobei eine 4 mm höher ist als die anderen, falls ihr das mögt. Die eine hat zwei Lüftungslöcher und wiegt ein Gramm weniger, die andere ist rein schwarz, falls euch das Gelb nicht liegt. Aber dann habt ihr mit der Pro X eh ein Problem.
Als Nächstes sind die Seiten dran. Auf der rechten könnt ihr die normale Seitenwand gegen eine austauschen, die oben eine Ablage für den Ring- oder kleinen Finger dann neben der rechten Taste bietet, wenn ihr das mögt. Ich tue das offensichtlich nicht, aber das weiß ich jetzt zumindest. Auf der linken Seite habt ihr einmal eine Variante, bei der es keine seitlichen Tasten mehr gibt. Ich kenne Leute, diese Tasten seit jeher komplett ignorieren, die sie als störend empfinden, und hier können sie sie loswerden. Die dritte Variante verbreitert die Maus um einen halben Zentimeter nach links. Die seitlichen Tasten liegen etwas weiter außen, was großen Händen entgegenkommen kann. Ich empfand es als sehr angenehm und es ist die Variante, bei der ich dann auch blieb.
Kommen wir zu den ganz wenigen Dingen, die sich nicht anpassen lassen. Es gibt keine unterschiedlichen Gewichte für die Maus. Sie liegt mit 105 Gramm im unteren Mittelfeld - Razer Mamba 130g, Logitech G512 135g, Mad Catz R.A.T. TE 90g -, und es sollte ein Gewicht sein, mit dem viele gut zurechtkommen. Aber wenn ihr zum Beispiel sehr schwere Mäuse bevorzugt, gibt es nichts, was die Pro X da für euch tun kann. Schade, denn in meiner primitiven Nicht-Ingenieurs-Vorstellung wäre es sicher möglich gewesen, einfach die unterschiedlichen Handauflagen unterschiedlich schwer zu machen. Aber vielleicht hätte das die Balance gestört.
Ebenfalls nicht anpassbar ist die nötige Kraft, eine Taste zu drücken. Alle Tasten, sowohl die seitlichen wie auch die beiden Haupttasten, haben einen definierten Druckpunkt, den ich persönlich als mittel bezeichnen würde. Man kann den Finger ruhen lassen, ohne auszulösen, der Klick erfordert dann aber auch keinen Kraftakt. Durch die mechanische Kippaufhängung der beiden Haupttasten ist die erforderliche Kraft an allen Stellen der Fingerablage - rechts gut am neckischen Geld zu erkennen... - weitgehend gleich, wobei sich die Hebelwirkung nicht ganz außer Kraft setzen lässt. Ganz vorn ist es leichter zu klicken als ganz hinten, auch Mad Catz muss der Physik folgen. Trotzdem, die Tasten sollten sowohl für Ganzhand-Fingeraufleger als auch für Krallentipper gleichermaßen angenehm sein.
Oben hinter dem Rad liegt der DPI-Schalter, der wie alle anderen Tasten auch frei definierbar ist. In seiner Grundfunktion schaltet er drei definierbare DPI-Geschwindigkeiten durch, was mittels einiger Leuchtpunkte auf der linken Taste auch gut sichtbar und unmissverständlich angezeigt wird. Links habt ihr die beiden üblichen Seitentasten und darunter liegt eine in ihrer normalen Funktion als Precision-Aim definierte Taste. Diese bietet die inzwischen gut bekannte Funktion, beim Drücken die DPI-Zahl zu reduzieren, um genauer zielen zu können. Alle drei Seitentasten sind haptisch gut zu fühlen und liegen in einer für den Daumen idealen Position - vorausgesetzt, ihr habt die Handflächenauflage richtig eingestellt, sodass es nie ein Raten gibt, auf welcher der drei denn nun der Daumen liegt. Fehleingaben sind praktisch ausgeschlossen. Die letzte Taste ist die Radtaste, die es bei aller Innovationen in der Aufhängung natürlich immer noch gibt, und die löst insoweit keiner versehentlich aus, als dass ihr sie mit ein wenig Kraft und mit gut spürbarem Druckpunkt nach unten drückt.
Bevor es zur Software geht, ein paar Worte zur Verarbeitung: Sie ist bemerkenswert! Mad Catz nahm nicht einfach ein bestehendes Konzept oder gar Modell, sondern entwarf für die Pro X ein eigenes, minimalistisches Magnesium-Chassis, das sowohl sehr leicht als auch widerstandsfähig ist. Titanschrauben wurden auch aus Gründen der Haltbarkeit und Leichtigkeit gewählt. Links unten als Daumenauflage gibt es Karbon - weil sie es konnten, denke ich. Das restliche Plastik hätte diese Aufgabe kaum schlechter erfüllt. Aber Spaß beiseite, das haptische Gefühl ist perfekt. Hier wackelt nichts, klappert nichts, es wirkt in keiner Weise wie aus einem Guss, aber das ist ja auch so gewollt. Mehr wie ein komplexes Puzzle, das sich um den metallenen Rahmen herum nahtlos zusammenfügt. Das dürfte es auch sein, was den Preis noch mal deutlich nach oben schraubt.
Die Software ist mal keine Universallösung für alles aus dem Programm des Herstellers, sondern spezifisch für die Pro X. Sie ist nach einer kurzen Einarbeitung durchaus übersichtlich, nur einige Funktionen haben sich ein wenig versteckt. Man sollte meinen, dass die ganzen DPI-Einstellungen unter „Einstellungen" zu finden sind und nicht hinter einem kleinen Zahnrad in der Ecke vom Menü „Programmierung". Hier justiert ihr für jeden der drei Sensoren getrennt die DPI-Zahlen, sodass diese bei einem Wechsel gleich übernommen werden. Sinnvoll, dass sich der Philipps und der Pixart 3310 grundlegend unterschiedlich verhalten. Die drei DPI-Presets lassen sich beliebig verändern und die Art, wie ihr die durchschaltet, bleibt am Ende euch überlassen. Die Precision-Aim-Bremse lässt sich nach Gusto einstellen, wie auch der Pick-up innerhalb der Limits des jeweiligen Sensors.
Bei der Programmierung bleibt alles euch überlassen. Es gibt zehn Profile, wiederum für jeden Sensor einzeln, die ihr unten am Sensor mittels einer kleine Taste durchschaltet und die per LED-Anzeige gut erkennbar sind. Gespeichert werden sie natürlich im Sensor selbst, sodass ihr hier nicht vom Treiber abhängig seid, habt ihr einmal die Konfigurierung vorgenommen. Diese ist denkbar einfach. Es gibt eine große Auswahl an Symbolen für Standardfunktionen und alle Tasten des Keyboards, die sich auf alle zehn Tasten der Maus verteilen lassen. Wer viel damit herumspielt, wird sich über den Favoriten-Reiter freien, wo ihr eure Lieblingsfunktionen sammelt, die ihr in vielen Profilen nutzt. Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, komplexe Makros mit präzisen Timings anzulegen und unter eigenen Funktions-Icons abzuspeichern. All das ergibt eine ausgesprochen leistungsfähige und trotzdem gut nutzbare Software, die auch an drei verschiedenen Rechnern bisher keine Probleme, welcher Art auch immer, verursachte. Saubere Arbeit, wie es aussieht.
Ich habe den Preis gelegentlich erwähnt, jetzt ist es wohl an der Zeit, die Katze aus dem Sack zu lassen: Die Mad Catz R.A.T. Pro X kostet 200 Euro, mit allen drei Sensoren also 250. Damit ist sie derzeit so ziemlich die teuerste Maus überhaupt - eine Razer Mamba mit ihren 16000 dpi liegt bei 180, eine Naga Chroma bei 150, eine ROCCAT Tyon wird euch für einen Hunderter praktisch hinterhergeworfen und ist doch eine ausgezeichnete Gaming-Maus. Insoweit, ja, 200 Euro sind eine Ansage, aber es wird auch geliefert. Keine andere Maus ist dermaßen genau auf euch und eure Hand abstimmbar. Mit ihren Wechselsensoren, Mausrädern, Seitenteilen, Auflagen und Software-Konfigurationen lässt sie sich wie keine zweite euren eigenen Vorlieben anpassen. Und sie ist flexibel. Die gute Software für die Profile und die einfache Auswahl dieser an der Maus selbst sorgen dafür, dass ihr euch innerhalb von Minuten eine praktisch andere Maus baut, sollte es das Spiel oder die Anwendung erfordern.
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Einige dieser Funktionen wie die analoge Achse der Mausradaufhängung gehen schon ein wenig in die Richtung von „Weil wie es konnten", aber sogar diese Dinge sind relativ spannende, kleine Innovationen in einem Segment, das diesen in der letzten Zeit ein wenig abgeschworen hatte. Echte Kritikpunkte gibt es keine. Es wäre schön gewesen, wenn das Gewicht ein wenig justierbar wäre, und ein justierbarer Druckpunkt der Haupttasten ist auf meiner Wunschliste, wenn schon alles andere anpassbar ist. Die Verarbeitung ist perfekt, was angesichts so vieler beweglicher und tauschbarer Teile wichtig ist. Die Pro X macht an keiner Stelle den Eindruck, als würde sie bei längerer Nutzung auseinanderfallen.
Es ist eine Maus, bei der man herausfindet, was man eigentlich bevorzugt. Andere Mäuse sind definiert. Man weiß, ob sie einem grundsätzlich erst mal liegen, und dann gewöhnt man sich an den Rest oder auch nicht. Hier dauerte es einige Tage und ein wenig Ausprobieren, aber am Ende kam ich zu einer Maus, die mir so gut in der Hand liegt wie keine andere, weil ich ihr nicht entgegenkommen musste. Das tat sie und dafür will sie - oder vielmehr Mad Catz - eben auch das Geld sehen. Ich denke, dass sie für den einen oder anderen diesen Preis durchaus wert sein kann. Es ist ein Gerät, mit dem ihr jeden Tag arbeitet und spielt. Jeden Tag. Wenn es dann das Beste ist, was ich meiner Hand in all diesen Stunden antun kann, dann ist das wert. Und derzeit ist die R.A.T. Pro X das Beste, was ich meiner Hand antun kann.