Magical Starsign
Durchaus magisch!
Deutsche immer dicker
BERLIN - Frauen und Männer in Deutschland werden laut Gesundheitsministerium immer unbeweglicher. Der Trend zu Bewegungsmangel und Fettleibigkeit habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verstärkt.
So stand es zumindest am Montag in meiner Tageszeitung. Und ich bin froh, dass der zuständige Autor Magical Starsign (noch) nicht kennt, denn sonst wären es erneut die Spiele, die den Schwarzen Peter zugeschustert bekämen. Nachdem ja feststeht, dass Games selbst langjährige Pfadfinder dazu „animieren, andere Menschen zu töten“, den korrekten Umgang mit Waffen vermitteln (Ihr wisst schon: Linke Maustaste schießen, ‚R‘ zum Nachladen. Und keine Sorge: der Rückstoß einer M-60 ist rein optischer Natur!) und selbst Medizin-Studienabbrecher zu Meisterchirurgen trainieren, ist es gut möglich, dass wir uns nun zu Brownie Browns überzuckertem Rollenspiel ein paar unangenehme Fragen gefallen lassen müssen. Oha!
In der Welt von Magical Starsign sind Land und Leute nämlich vornehmlich nach herrlich fettigen, salzigen oder süßen Schleckereien benannt. Was man bei „Frontal 21“ und/oder „Panorama“ aber wohl wieder nicht sehen wird, ist, dass mit Mokka, Kiwi, Brokkoli und Sorbet auch einige leichte, bekömmliche und vor allem auch Vitaminreiche Kulinaria als Namenspatronen Spalier stehen. „Spielecomputer Gameboy DS fördert Fettsucht bei Kindern – Wie Spiele auch ohne Kettensägen schwingende Nazikommunisten unsere Jugend gefährden!“ klingt ja ohnehin viel besser, um nicht zu sagen „Grimme-Preis“-verdächtig!
Da man für die Meinungsmache aber natürlich immer zwei bis drei Jahre alte Spiele als Beispiel heranziehen muss (aus Gründen der Aktualität, Ihr wisst schon), können wir DS-Besitzer also noch mehr als genügend Zeit mit diesem leichtfüßigen, traditionellen Rollenspielchen totschlagen. Denn wer einmal gekostet hat, wird mir beipflichten: Magical Starsign schmeckt durchaus nach „mehr“. Allerdings muss man eventuell erst auf den Geschmack kommen: Bis das Stylus- und Double Screen-verliebte RPG sein volles Aroma entfaltet, gehen schon einige Spielstunden ins Land.
Gleich zu Beginn ihrer Mission, die verschollene Zauberlehrerin Baiser zu retten, wird die sechsköpfige Clique Magie-Schüler - zu der auch der Spieler gehört - im ganzen Sonnensystem verstreut. Ihr seid also zu Anfang nur zu zweit unterwegs. Folglich eröffnen sich Eurer kleinen Party nicht allzu viele taktische Finessen und Ihr klickt Euch die ersten zwei Stunden ein bisschen gelangweilt per Wiederholungsbefehl durch die nicht zu großzügig bemessenen Zufallskämpfe. Ist allerdings auf dem Wasserplaneten erst das dritte (von maximal einem halben Dutzend) Gruppenmitglied eingesammelt, beginnt Ihr recht fix, das eingängige Affinitäten-System und die interessanten Formationsfunktionen zu nutzen, die sich der japanische Entwickler Brownie Brown ausgedacht hat.
Insgesamt sieben Sternzeichen – Feuer, Holz, Wind, Erde, Wasser sowie Licht und Dunkelheit – bestimmen die Hackordnung in den strikt rundenbasierten Kämpfen: Jedes Element, mit Ausnahme von Licht und Dunkelheit (diese schaden sich gegenseitig besonders stark), hat ein Über- und ein Untergeordnetes Gegenstück. Dabei spielt die Konstellation der Sterne eine wichtige Rolle: Jede der elementaren Magien wird am Firmament durch einen Planeten repräsentiert, der den Zauberkünsten seines Schützlings in einer bestimmten Konstellation ordentlich Pfeffer in den Hintern pustet. Spielentscheidend ist dieses Astrologie-Element aufgrund des milden Schwierigkeitsgrades zwar nicht, trotzdem ist man in der Lage, viele Kämpfe deutlich zu verkürzen – wenn man ab und an einen Blick auf die Sternenkarte wirft, die sich jederzeit auf dem oberen Screen einblenden lässt.
Die bunte Truppe Zauberknilche verlässt sich also vornehmlich auf ihren recht übersichtlichen Fundus an Hokus-Pokus, regeneriert Runde um Runde automatisch einige Mana-Punkte und lässt die Fäuste nur in Richtung Magie resistenten Feindgekreuchs fliegen. Bei der Einteilung der Talente von Chai, Pico und Co. solltet Ihr der Formation der Frechdachse die gebotene Aufmerksamkeit zukommen lassen. Physischen Attacken ist man schließlich nur in der ersten der beiden Reihen ausgesetzt. Zauber, die von den Hinterbänklern gewettert werden, prasseln hingegen auf alle Feinde nieder, anstatt immer nur einen Gegner zu treffen. So sorgt die Möglichkeit, pro Reihe vier Charaktere zu parken. für einiges an Flexibilität: Stellt Ihr die überdimensionierten Espressomaschine Mokka in die erste Reihe, kann diese alleine einen Schutzwall vor Handkanten und Rempeleien bilden, während Karnickeldame Lassi den Doktor spielt und der Rest mit seinen Zaubern selbst einer großen Übermacht Herr wird.
Brownie Brown hat hierbei einen guten Kompromiss aus Zugänglichkeit und Anspruch gefunden, war aber eventuell ein bisschen zu sehr auf Idiotensicherheit bedacht. In der gesamten Spieldauer bin ich nicht ein einziges Mal als Verlierer aus einem Kampf hervor gegangen. Anstatt um das blanke Überleben zu kämpfen, setzen es sich erfahrene Rollenspieler zum Ziel, möglichst schnell alle Feinde abzuräumen. Das ist vielleicht nicht ganz so spannend wie es sein könnte, belegt aber immerhin, dass die Spielmechanik Hand und Fuss hat - und zwar jeweils doppelt.
Magical Starsign wurde dem DS voll und ganz auf den Leib geschneidert. Ganz im Gegensatz zu Squares kürzlich erschienenem Children of Mana, steuert sich Brownie Brown’s DS-Debüt komplett mit dem Stylus und nutzt den doppelten LCD-Segen deutlich konsequenter und sehr komfortabel aus. Hier und da eckt man während der Navigation durch die Labyrinthe zwar an Interieur oder den durchgeknallten NPCs an, das hohe Gehtempo und die Möglichkeit die Laufrichtung festzustellen, puffern diesen Kritikpunkt aber recht kompetent.
Schön ist auch die aktive Einbindung in die Kämpfe: Tippt Ihr einen Charakter zum richtigen Zeitpunkt an, potenziert dies das Zerstörungspotential eines Zauberspruches oder polstert die Wucht einer feindlichen Attacke. Sehr überrascht war ich über die hübschen Filmsequenzen, die die schräge Geschichte in regelmäßigen Abständen eindrucksvoll bebildern. Zwar ist man technisch nicht ganz auf Augenhöhe mit Squares Mana-Ableger, diesem hat man aber vor allem einige wirklich urkomische Anspielungen und Spitzen erwachsenen Humors voraus. Die charmanten Party-Mitglieder wissen ihren dünnen Story-Hintergrund deutlich besser zu verkaufen und lassen sich schon am Tonfall unterscheiden. Punktum: Man ist nach einer Weile richtig gerne mit den zauberhaften Rotzbälgern unterwegs.
Und so wundert es auch nicht, dass mich Magical Starsign mit ausreichender taktischer Tiefe und zu weiten Teilen komfortabler Stylus-Kontrollen recht problemlos über 20 Stunden lang beschäftigen konnte. Der zähe Start und das stellenweise überdrehte Design stellen die Geduld zu Anfang etwas auf die Probe, der gemäßigte Schwierigkeitsgrad und die geradlinigen Welten offenbaren aber recht bald die Schokoladenseite des Magical Starsign-Universums. Das ist vielleicht nicht für Jedermann ohne weiteres genießbar, aber was ist das schon?
Ein niedliches Rollenspiel also, ohne allzu großes Brimborium. Klein, bescheiden und doch mit einem grundsoliden Kern ausgestattet. Wollte man bei den Nahrungsmittel-Vergleichen bleiben, wäre Magical Starsign eine Kirsche – und die macht bekanntlich nicht dick.
Gute sieben Punkte von mir.