Magna Carta 2
Klischee-behaftet, aber gut
Eigentlich ist Softmax´ Magna Carta 2 das ideale Rollenspiel für ein kleines, lustiges Trinkspielchen unter Erwachsenen: Jedes Mal, wenn man das Spiel bei einem typisches RPG-Klischee ertappt, kippt man sich gepflegt einen Klaren hinter die Binde. Eigentlich eine witzige Sache. Das Problem dabei ist nur: Nach spätestens zwei Stunden werdet ihr unweigerlich mit einer ausgewachsenen Alkoholvergiftung ins nächstgelegene Krankenhaus eingeliefert. Glaubt ihr mir nicht? Na dann machen wir doch einmal die Probe aufs Exempel.
Juto, ein junger Mann mit einer ungesunden Vorliebe für bauchfreie Outfits (1) lebt ohne große Sorgen, aber auch ohne Gedächtnis (2) auf einer kleinen abgelegenen Insel, weit entfernt vom Bürgerkrieg (3), der im Lande Lanzheim tobt. Der fiese Kanzler Schuenzeit hat die Königin ermordet und die Macht an sich gerissen (4), aber Prinzessin Rzephilda konnte entkommen und nun organisiert sie gemeinsam mit dem etwas zwielichtigen Graf Alex (5) den Widerstand (6). Als auf Jutos Insel ein uralter mechanischer Wächter (7) entdeckt wird, gerät die kleine Insel auf einmal zwischen die Fronten und ein Ereignis nach dem anderen kommt ins Rollen.
Erst wird sich Juto einer verborgenen Kraft in seinem Inneren bewusst (8), dann, nur kurz darauf, zerstören Schuenzeits Truppen sein Heimatdorf (9) und töten obendrein seine beste Freundin (10). Voller Zorn schwört Juto Rache (11) und schließt sich Rzephilda und ihren Mitstreitern an (12). Und das war nur der Anfang... Na denn mal Prost!
Glaubt ihr mir jetzt? Selten hat sich ein Rollenspiel-Plot so ausgiebig und freimütig im großen Buch der RPG-Klischees bedient. Vorwerfen will ich das Magna Carta 2 aber nicht. Nicht jedes Spiel muss ein frisch-unverbrauchtes Setting á la Brütal Legend ins Feld führen, um zu überzeugen. Und genauso wie sich ein Uncharted 2 bei den Actionfilm- und ein Halo 3: ODST bei den gängigen Shooter-Normen bedient, so schöpft Magna Carta 2 eben bei den RPG-Klischees aus dem Vollen. Und das tut das Spiel gekonnt und durchaus auch mit Gusto. Charaktere und Situationen sind allesamt eigentlich bekannt, trotzdem folgt ihr der Handlung interessiert, freundet euch langsam mit den Protagonisten an und bevor ihr euch verseht, seid ihr bereits im „nur noch einen kurzen Subquest“-Status angekommen.
Aber so sehr sich Magna Carta 2 inhaltlich an den gängigen Klischees entlang hangelt, so sehr geht es gleichzeitig auch eigene Wege. Da ist zum Beispiel das Design der Helden, deren Kleidung, Rüstungen und Frisuren noch eine Spur exorbitanter ausfallen als in einem normalen Rollenspiel fernöstlicher Machart. Die Monster haben noch ein paar mehr Zähne, die exotischen Waffen sind noch ein Stück exotischer und die Frauen sind noch etwas üppiger gebaut als ihre japanischen Cousinen. Der koreanische Illustrator Hyung-Tae Kim macht in seiner Arbeit keinen Hehl aus seinen persönlichen Präferenzen beim weiblichen Geschlecht.
Auch spielerisch gibt sich das Abenteuer von Juto und Co. weit weniger Regel-konform als inhaltlich. Hier werden fröhlich Elemente aus japanischen und westlichen Rollenspielen zusammengewürfelt. Aus hiesigen RPGs wurde beispielsweise das Quest-System entliehen: An allen Ecken und Enden stehen NPCs herum, die kleinere und größere Aufträge für euch parat haben. Mal sollen ein paar Monster eliminiert werden, dann dürft ihr etwas Proviant zu einem Trupp Soldaten schaffen und ein anderes Mal gilt es, eine bestimmte Kampftechnik bei einem bestimmten Gegner anzuwenden.