Manche finden Star Wars Andor langweilig. Ich feiere, wie Folge 5 den Charakteren die Bühne überlässt
Wollt ihr Fast and Furious oder Heat?
Nach dem exzellenten Action-Finale von Episode drei lässt es Andor mal wieder ruhiger angehen und das nun schon zum zweiten Mal in Folge. Bei einem Film- und Fernsehuniversum, das dermaßen für Spektakel und Eskapismus steht, trifft das natürlich nicht überall auf uneingeschränkte Gegenliebe. Einige finden den Ansatz eines behäbigen, charakterzentrischen Thrillers eher langweilig, wünschen sich eine höhere Action-Frequenz.
Ich verstehe das vollauf… obwohl ich jetzt einen wenig schmeichelhaften Vergleich auspacken werde. Denn hier auf mehr Rambazamba zu pochen, ist ein wenig, als wünschte man sich, Michael Manns Heat wäre mehr wie einer der späten Fast-and-Furious-Filme (die, um keinen falschen Eindruck zu erwecken, als perfekte Guilty-Pleasure-Streifen entschieden besser sind als ihr Ruf). Natürlich muss die Mission, auf die wir seit nunmehr zwei Missionen vorbereitet werden, nächste Folge in Sachen Spannung und Eskalation auch liefern. Aber daran, dass sie das wird, besteht nach der dritten Episode dieser Staffel eigentlich nur wenig Zweifel. Und dadurch, dass Star Wars Andor den Charakteren jetzt viel Bühne gab, ist der Einsatz umso höher.
Mittlerweile überrascht mich nicht einmal mehr, dass die Rebellentruppe wahnsinnig natürlich spielt und miteinander spricht, wie ausgewogen und authentisch der Trupp scheint, dem Cassian Andor unter die Arme greifen soll. Denn die Show hat bereits bewiesen, dass sie mit kleinen Drehbuch- und Dialog-Details und facettenreichem Schauspiel plastische Charaktere zeichnet. Was mir aber imponiert ist, wie gleichberechtigt auch die Gegenseite ihr Blickwinkel-Momente bekommt.
Das beginnt mit Syril Karn, dem nun arbeitssuchenden Heimkehrer, dem Cassian in Folge drei durch die Lappen ging. Der muss sich von seiner missbilligenden Mutter nun Ratschläge zu seiner Haltung anhören – “Du könntest genauso gut ein Schild tragen, mit der Aufschrift: ‘Ich verspreche, dich zu enttäuschen’”, was mir einen bösen Lacher entlockte. Direkt darauf hatte die wunderbare Schauspielerin, deren Name ich bislang nicht herausfinden konnte, sogar noch eine schöne elterliche Lebensweisheit parat, als sie sagt, dass eine “offene Einladung” im Grunde gar keine Einladung sei. Wir sehen Karn als müde in seinem Müsli stochernden Buben, der seiner anspruchsvollen, missbilligenden, aber nicht lieblosen Mutter nie genügen konnte und verstehen ein wenig, warum er trotz mangelnder Eignung zum Tyrannen sich dennoch an diesem Weg versuchte.
Selbst auf der Seite der Sternen-Stasi blickt man mit viel Vergnügen Dedra Meero über die Schulter, die so nah am Regime gar nicht zu merken scheint, was sie anrichtet, während sie “nur ihren Job” macht. Andor traut sich, auch ihr eine gute Prise Menschlichkeit zu verleihen, während sie mit ihrem Assistenten Überstunden macht. Der Mix aus Karrierismus und verblendetem Pflichtbewusstsein, den wir aufseiten des imperialen Geheimdienstes aus nächster Nähe beobachten dürfen, ist faszinierend.
Den direkten Gegenpol bildet eine Bande an Rebellen, die durch die Ankunft des Neuen in Form von Cassian auf die Probe gestellt wird. Nemik hat als werdender Kriegerphilosoph einige exzellente Monologe, die gut untermauern, welche Enttäuschung er später spüren muss, als Cassian notgedrungen beichtet, dass er nur des Geldes wegen dabei ist. Das hätte in der Hand geringerer Autoren und Darsteller schnell bemüht wirken können, aber Nemik nimmt man ab, dass er Ideen hat. Er scheint wirklich ein kluger Kopf und nicht nur das, was weniger kluge Leute dafür halten. Die deutsche Übersetzung lässt ihn ein bisschen im Stich: “They’ll soon see, a suprise from above is never as shocking as one from below” wird durch die Übersetzung von “below” mit “vom Boden aus”, um den Klassenkampf-Subtext beraubt, was ein Stück weit ein Jammer ist.
Auch die Interaktionen zwischen Cassian und Skeen (Eben Moss-Bachrach, den ich immer gerne sehe), die entweder die Basis für eine treue Freundschaft oder eine verbissene Rivalität legten, waren gut gemacht. Dieses Austarieren innerhalb der Gruppe war ein schöner Dreh- und Angelpunkt der Episode und von Taramyn bis Cita hat auch der Rest viel Profil gewonnen. Und dass selbst dem so Undercover-gestählten Luthen (Skarsgard) so langsam die Muffe geht, ist ein interessanter Punkt, der die Spannung im Anlauf auf die nächste Folge noch gehörig anzieht.
Mit feiner Charakterzeichnung, einem überzeugenden Cast, wundervoller Ausstattung und tadelloser Effektarbeit ist Andor mittlerweile das Highlight meiner Fernsehwoche.
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