Mario und Sonic bei den Olympischen Spielen: Rio 2016 - Test
Rio Bravo geht anders.
Ah, die Mario-und-Sonic-Spiele, besonders das erste. Die Wii-Motion-Steuerung war perfekt für ein großteils aus Quick-Time-Events und Minispielen bestehendes Nachäffen großer Sportarten, von Schwimmen bis Hürdenlauf. Es gab auf der Wii nicht mal wenige dieser einfachen Bewegungsspielchen, aber mit Mario und Sonic bei den Olympischen Spielen oder Mario und Sonic bei den Olympischen Spielen: London 2012 verbindet mich die Erinnerung, dass nicht alle davon schlecht waren. Mario und Sonic bei den Olympischen Spielen: Rio 2016 für Wii U ist bei dieser Betrachtung nun endgültig raus. Und da mir jedes Mal "Mario und Sonic" zu schreiben auf Dauer zu lang und anstrengend ist, kürze ich das hier ab sofort mit MuSbdOSR16 ab. Vielleicht auch mal mit XtR78jUS.
Also, Rio 16 ist kein totaler Ausfall, aber witzlos, inhaltsarm und ohne die Fuchtelsteuerung irgendwie verklemmt. Die Wiimote wird zwar unterstützt, allerdings nur in Querhaltung und als Ersatz für den Pro-Controller. Der daneben liegen und sich ausgeschlossen fühlen darf, weil ihn das Spiel nicht akzeptiert. Da kein Mensch der Welt mehr als ein Wii-U-Gamepad besitzt, braucht ihr für Vier-Spieler-Runden noch drei Wiimotes. Keine Ahnung, was da schieflief und wieso dieses etablierte Bedienelement so schändliche Missachtung erfährt.
Es ist ursprünglich ein Konzept mit einem großen Reiz darin, sich selbst gewahr zu werden, wie albern man aussieht, während man Eggman, Donkey Kong, Sonic und Yoshi wild gestikulierend über Eislaufbahnen jagt. Ohne die körperliche Steillage mit der Wiimote, in die man sich dabei begibt, ohne das sich in angestauten Lachern entladende Rumrudern, steckt hier nur halb so viel Spaß drin. Es funktioniert ganz nüchtern betrachtet, alle 14 Disziplinen, darunter leider nur drei in Duellvarianten, aber Stimmung kommt eher bei der Diskussion darüber auf, wieso die Vorgänger besser funktioniert haben. Den Bogen mit dem Stick auf bewegte Zielscheiben auszurichten oder Speerwerfen per Knopfdruck, das ist einfach nicht dasselbe wie mit dem kompletten Handgelenk.
Nehmen wir Fußball. Mit wenigen Tasten lässt sich hier ein Fünf-gegen-fünf austragen, verständlich für jeden, der seit NES World Cup nicht mehr virtuell kickte, aber wieso sollte man das, wenn es Mario Smash Football oder Strikers Charged gibt? Die Möglichkeiten sind dermaßen beschränkt, dass man nur vor dem Hintergrund 13 anderer Disziplinen auf der Disc nicht von der Tonne sprechen kann. Um fair zu bleiben, die Umstände entscheiden, ob man hiermit was Launiges im Ergebnis oder Primitives im Aufbau erlebt: mit wem man spielt, wie alt diese Leute sind und so weiter. Am Ende ist immer jemand der Sieger und gemessen wird in Tausendstelsekunden oder Millimetern, egal ob Dreisprung, Staffellauf, Schwimmen oder 100-Meter-Sprint, insofern scheint die Sache halbwegs grazil.
Nur spielerisch hat das nicht viel mit Können zu tun, eher mit rhythmischem Knöpfchendrücken. In praktisch jeder Disziplin muss man tun, was auf dem Bildschirm eingeblendet wird, und ich glaube, schon erwähnt zu haben, wie profan das in einem Partyspiel wie diesem ist, wenn man einmal mitgerissen wurde vom halbwegs beherzten Körpereinsatz der Wii-Vorgänger. Was zumindest mir immer Spaß machte, waren die Traumdisziplinen, doch dafür ist in diesem Ableger ebenso wenig Platz wie für einen klassischen konkurrenzbetonten Online-Modus. Das Spiel zieht sich zum Start einer Olympiade einfach nur irgendwelche Miis anderer Menschen, die dann gegen euch reiten, boxen oder Volleyball spielen, aber Input von der anderen Seite gibt es nicht.
Immerhin lernt man in der Lobby, einem Strand in Rio, einiges. Etwa dass man mit dem Miimaker Gesichter erstellen kann, die aussehen wie das vom bärtigen Holzwurmhändler aus Asterix, der Gallier. Oder auch, dass Weihnachten in der Ukraine erst am 7. Januar gefeiert wird. Das Spiel pickt sich hier anscheinend Miis anderer Leute heraus und setzt sie in eurem kleinen Hub ab. Sie erzählen euch dann ein, zwei Funfacts aus dem Land, für das sie antreten und... bekommen sonst wahrscheinlich nicht viel mit von dieser Aktion. Haben ja ihren eigenen Strand und sehen dort eigene Leute, von wo auch immer die kommen mögen.
Herzstück der zurückgefahrenen Interaktion ist es, ihre Nationalflaggen in Empfang zu nehmen, und daneben noch Mii-Kleidung von Mützen bis hin zu Sport-Outfits für Siege, sogar mit leichten Auswirkungen auf die drei Charakterwerte. Außerdem sammelt man Münzen, natürlich Medaillen und Ringe, Letztere für einen Shop, wo es weitere Stempel, Polohemden, Turnanzüge und was weiß ich nicht alles gibt. So füllt man eine Rumpelkammer und wer die über 400 Kleidungsstücke haben will, um sich für jede Sportart zumindest im Geiste passend einzukleiden, dürfte hier wirklich seine Freude haben. Ansonsten könnt ihr die Geisterdaten richtig guter Spieler in Angriff nehmen, was einem klassischen Online-Multiplayer am Nächsten kommt.
Wenn das Ding dann schon mal da ist, kann man es auch spielen, ungefähr einen Abend lang oder zwei, bis man feststellt, wie viel durch die fehlende Wii-Motion-Steuerung verloren geht. Obwohl jeder weitere Spieler eine Wiimote braucht. Ich will nicht ausschließen, dass da die eine oder andere Party etwas Spaß bei finden kann, je nach Auffassung. Doch wenn man die Wahl und unbedingt jetzt Lust hat auf ein Partyspiel dieser Art, spricht so gut wie alles dafür, einen der Wii-Vorgänger zu nehmen.