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Mario Golf: World Tour - Test

Ein Spiel, das nach einem verbesserten Online-Service schreit.

Das Spiel an sich ist tadellos, aber die Struktur dahinter erinnert mehr an NES-Zeiten. Da helfen auch rudimentäre Turniere wenig.

Wann erhalten wir auf Nintendo-Konsolen ein gescheites Online-System? Es ist 2014. Ich will keine dämlichen Codes mehr eingeben, um mich mit Freunden zu verbinden. Genau deswegen geschieht es nämlich nie. Stattdessen durchforste ich diverse Foren, da ich so die einzige Chance auf Turniere mit Leuten sehe, denen ich später hasserfüllte Nachrichten schicken kann, wenn sie mich am letzten Loch schlagen. Es bleibt ein unnötig umständliches System, das endlich sterben muss. Bitte, Nintendo. Gebt uns normale IDs, Freundeslisten und anständige Lobbysysteme in euren Spielen. Dann würde ich auch gerne mehrere Wochen in Mario Golf: World Tour investieren, anstatt es nach ein paar Tagen ermüdet wegzulegen.

Das muss nicht sein

Denn so begrenzt die Möglichkeiten im Online-Modus auch sind, so unglaubliches Potenzial hat er. Ihr könnt euch entweder auf kurze Runden mit Nintendo-Charakteren einlassen oder größere Turniere mit eurem Mii spielen. Neben typischen Golfkursen erwarten euch sogar abwechslungsreiche Aufgaben. So gewinnt manchmal nur derjenige, der nach einem Schlag den geringsten Abstand zum Loch hat. Liebend gerne hätte ich mehr davon gespielt, wenn mir Nintendo nur einen leichteren Kontakt mit Freunden ermöglichen würde.

Na gut, vielleicht ist es nicht ganz so schlimm, wie ich es gerade darstelle. Aber wieso man eine dermaßen veraltete Online-Struktur nicht längst überarbeit hat, ist mir jedes Mal erneut ein Rätsel.

Jede Figur bringt beim Schlagen mal wieder seine eigene Persönlichkeit mit ein.

Währenddessen überzeugt das Hauptspiel durch die gewohnte Qualität von Entwickler Camelot, der auch für die bisherigen Ableger verantwortlich zeichnete. Noch immer schlagt ihr mit dem Dreiklicksystem die Bälle über den Platz und versucht dabei, nicht den 3DS auf den Boden zu schmeißen. Denn egal, wie gut ihr die Steuerung beherrscht, Fehler passieren ständig. Dafür sorgt notfalls die eigene Gier. Natürlich könnt ihr den Ball sicher aus der Sandgrube schlagen und im nächsten Zug einfach auf das Grün gelangen. Aber wieso zwei Züge verschwenden, wenn es mit einem Superschuss auch sofort zum Loch geht? Wie ihr sicherlich wisst, gehen solche Pläne niemals so perfekt auf, wie man es sich vorstellt. Und schon verwandelt sich der eingesparte Schlag in drei zusätzliche, während ihr euch mal wieder selbst hasst.

Damit es Anfängern ein wenig leichter fällt, gibt es nun einen automatischen Schuss, bei dem ihr nur die Stärke des Schlags bestimmt. Zwar fehlen Nuancen wie der Backspin beim Ballverhalten, im Gegenzug erhaltet ihr jedoch ein wesentlich verringertes Risiko vermasselter Schwünge. Trotzdem existiert bei automatischen Schlägen die Gefahr zufälliger Abweichungen vom normalen Ballveralten. So tendiert die weiße Kugel manchmal ein wenig stärker zur Seite als gedacht, was allerdings weit hinter eurer eigenen Fehlerspanne beim manuellen Schlagen liegt.

Was soll ich als Nächstes tun?

Obwohl ihr im Singleplayer-Modus direkt ein schnelles Spiel mit eurem favorisierten Mario-Charakter starten könnt, empfehle ich zu Beginn die Hauptkampagne. Hier dürft ihr nur mit eurem persönlichen Mii antreten, dessen Fertigkeiten allein neue Klamotten beeinflussen. Die süchtig machenden RPG-Elemente aus dem letzten GBA-Ableger strich man leider komplett, wodurch ein Großteil der Motivation verschwindet.

"Egal, wie gut ihr die Steuerung beherrscht, Fehler passieren ständig. Dafür sorgt notfalls die eigene Gier."

Die Hubwelt ist ein wenig unübersichtlich gestaltet.

Stattdessen bestimmt ihr in einer kurzen Einführungsrunde euer Handicap und versucht anschließend, die drei großen Turniere zu gewinnen. Ist die Aufgabe nach wenigen Versuchen erledigt, sucht ihr zunächst verzweifelt nach weiteren Zielen. Leider ist der Aufbau des Schlossgartens als Hub-Welt ein wenig verwirrend aufgebaut und das Befragen von NPCs führt selten zu hilfreichen Antworten. In der Welt verstecken sich noch weitere Kurse, die von angenehm leicht bis hin zu abartig schwer reichen. Zumindest wenn ihr sie findet. Besonders die finalen neun Löcher gehören zu den schwierigsten Herausforderungen des Spiels. Hier stehen für jedes Loch nur zwei Schläge zur Verfügung. Wer beim ersten Schwung nicht auf dem Grün landet, darf gleich erneut starten. Bei allen Außenfaktoren und menschlichen Fehlern findet ihr hier die ultimative Challenge.

Ein wenig einfacher - aber keineswegs leicht - gestalten sich spezielle Herausforderungen, bei denen ihr auf bereits besuchten Kursen Münzen einsammelt. Diese verstecken sich meist abseits der normalen Strecke. Oft sogar zwischen Bäumen oder nahe des Wassers. Die Schwierigkeit liegt nicht einmal im Erreichen der Münzen. Das wesentlich größere Problem besteht darin, aus den abgelegenen Positionen zu entkommen. Als Hilfsmittel könnt ihr auf den Feldern verteilte Item-Boxen nutzen, die eurem Ball unterschiedliche Fähigkeiten verleihen. Doch auch sie befinden sich an teilweise unmöglichen Stellen, die fast wie eine direkte Aufforderung der Entwickler wirken und euer Können infrage stellen.

Über diese Aufgaben schaltet ihr auch die meisten Inhalte wie Ausrüstungsgegenstände oder Mario-Kurse frei, die allesamt spezielle Eigenschaften bieten. Sie erinnern demnach stark an die verrückten Strecken aus dem ersten Mario Golf und beinhalten oft die gleichen Item-Boxen der Herausforderungen. Wer hier jedes Loch meistern will, ist einige Tage beschäftigt und erfindet dabei ganz automatisch neue Schimpfwörter. Denn nichts ist schlimmer, als auf dem Donkey-Kong-Kurs den sicheren Birdie mit dem Treffen eines explosiven Fasses zu vermasseln.

"Nichts ist schlimmer, als auf dem Donkey-Kong-Kurs den sicheren Birdie mit dem Treffen eines explosiven Fasses zu vermasseln."

Da möchte man doch glatt in den Bildschirm eintauchen.

Wie für ein Nintendo-Spiel üblich gehört die Präsentation zu den stärksten Aspekten. Selbst schlechte Golfer erfreuen sich stets an der wunderschönen Optik. Vor allem die kreativen Mario-Kurse passen thematisch perfekt zu ihrem jeweiligen Charakter. Genau deswegen möchte man seinen 3DS öfter hervorziehen. Kurz ein paar Löcher spielen und dabei die bezaubernde Atmosphäre absorbieren, zu der natürlich ein ebenso angenehmer Soundtrack gehört, der jeden Kurs perfekt untermalt.

Das leidige Zauberwort bei Mario Golf: World Tour lautet Struktur. Es gibt keine. Sei es nun im veralteten Online-System, im Aufbau der Karriere oder im undurchsichtigen Vorgang zum Freischalten neuer Kurse und Items. Verglichen mit vorherigen Mario-Golf-Titeln entsteht der Eindruck einer fehlenden Vision. Wo auf dem N64 und Game Cube eindeutig die Kurse im Vordergrund standen, legte der GBA-Teil mehr Wert auf die Rollenspielaspekte. Beide Seiten, die in World Tour nur zur Hälfte enthalten sind, vermisse ich beim Spielen. Die neuen Herausforderungen und weltweiten Turniere sind willkommene Neuerungen, füllen jedoch nicht die hinterlassenen Lücken. Es fühlt sich letztendlich wie ein Spiel an, dem eine klare Richtung deutlich geholfen hätte.

Als reines Golfspiel betrachtet ist es dennoch über jeden Zweifel erhaben. Denn die inneren Mechaniken gehören zu den besten des Genres. Nicht ohne Grund weicht man nicht vom bekannten Dreiklicksystem ab. Es ist leicht verständlich, einfach umzusetzen und dennoch schwer zu beherrschen. Mit genügend Tiefgang, um Profis die nötige Motivation der stetigen Verbesserung zu geben. Nur bleiben beim Drumherum zu viele Baustellen offen, die den Titel zurückhalten.

7 / 10

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