Mario & Luigi: Brothership im Test: Robust wie ein Leuchtturm
Peach against the Machine.
Hier und da etwas zu konservativ und redselig, aber ein durch und durch spaßiges Comeback mit erweiterten Kampfmechaniken und einem Rucksack voller Unsinn.
Eines der herzlichsten Details in Mario & Luigi: Brothership ist Luigis gelegentlicher Bauchklatscher, wenn er und Mario sich aus einer Kanone auf eine Insel schießen lassen. Schnauzüber fegt er den Strand und holpert mehr schlecht als recht zurück in eine aufrechte Haltung. "Made it" hätte er in New Super Luigi U gerufen aus schierer Freude, überhaupt in einem Stück anzukommen, während Super Mario Number one nicht mal einknickt.
Aus Sentimentalität verbieten sich Bauchklatschbezüge zu Alpha Dream, dem von 2003 bis 2019 für die Mario-&-Luigi-Reihe zuständigen und kurz darauf geschlossenen Entwicklerstudio. Ihm verdanken wir fünf hochgradig alberne, schrille, manchmal anzügliche (3)DS-RPGs und die Erkenntnis, dass auch Toads zuweilen das Bedürfnis verspüren, einen Tag lang in den Spiegel zu rülpsen.
Besonders Mario & Luigi: Superstar Saga und Abenteuer Bowser gehören zu den besten Handheldspielen, die man für gar nicht mehr so kleines Geld kaufen und dafür anhimmeln kann, wie unbekümmert und einfallsreich sie Charakter- und Ausrüstungswerte im Mario-Pilzkosmos ausschütten. Überschaubare RPG-Mechaniken, Hüpfpassagen, abstruser Humor, dazu Rundenkampf mit abwechselnd angreifenden Brüdern, Reaktionstests und zum bombastischen Spektakel ausgewachsenen Spezialfähigkeiten. Mann, ist das schön, dass die Reihe wieder da ist, vor allem mit solchen Effekten und erstmals auf dem großen Screen:
Neun Jahre nach Paper Jam Bros. nun also "Brothership" wie in "Bruderschaft", im Sinne einer eingeschworenen Gruppe mit gemeinsamen Interessen, aber auch Deutschdeutsch übersetzt wie in "Bruderschiff". Bruderschiff! Anders kann man das Konstrukt nicht nennen, mit dem der rote und der grüne Mario die Konektania genannte Spielwelt erkunden.
Konektania liegt nicht im Pilzkönigreich, ein Glück. Die Reihe war immer am stärksten jenseits etablierter Nintendo-Landesgrenzen, weitab von Gumbas, Koopas und Bob-ombs, sondern in Gesellschaft von Bohnenmenschen, Pilzaliens und, äh, Bowsers Darmbakterien. Mit einem hauchzarten Steampunk-Touch, einem Fetisch für Glühbirnen, Platinen, elektronische Steckverbindungen und robotische Geier, die Zahnräder als Halskrausen tragen, gelingt Brothership die Abkopplung seiner Welt wortwörtlich.
Sie besteht aus Dutzenden Splitterinseln in einem Meer, das zu erkunden auf den ersten Blick wie in Zelda: Phantom Hourglass anmutet, sich aber schienenhaft anfühlt wie in Spirit Tracks. Vorgegebene Meeresströmungen verhindern freies Befahren und belassen das System bei einer Draufsicht samt Automatikfunktion, wobei man jederzeit die Meereskarte öffnen und den Kurs ändern kann. Ein netter Meta-Game-Ansatz.
Das Highlight ist der Anflug. Blickt durch das Kanonenvisier und bewegt den Bildausschnitt zur Seite über den schier endlosen Ozean. Geortete Inseln tauchen am Horizont auf, erst als kleiner Felsen, dann immer größer. Sie tragen Namen wie Hitzefreisig, Desolütje oder Flammaika (jupp...). Ein Schuss aus der Kanone, Purzelbäume in der Luft, dann landen wir in den mit Siedlungen, Läden, Hindernissen und Gegnern gespickten Leveln. Letztere sind immer sichtbar, also keine Zufallskämpfe aus dem Nichts.
Dr. Dustin Bowser, ein reicher und pflichtbewusster Betriebsarzt, taucht im Intro zwar kurz auf, ist aber nicht unser Hauptgegenspieler. Dieser zeigt sich in den ersten Stunden nur mit dem Rücken zur Kamera und quatscht vor sich hin, wie es im Leitfaden für Nintendo-Bösewichte geschrieben steht, unterstützt von einer Gruppe Handlanger namens Drahtus, Stekko und Klinka (gute Besserung den deutschen Übersetzern!).
Hier wuchern Kalauer wie "Nicht so Wildschwein" in direkter Nähe zu "Tadelsalat mit extraviel Motzerella" (I shit you not) und einem Opa, den man wie eine Rübe aus dem Boden pflückt, damit er das nächste Ding raushauen kann. Ein geläufiger Fisch, der in einem simplen Angelminispiel aus dem Wasser springt, heißt… sorry… Gibsüberaal. Mehrere Schüsseln ließen sich mit dieser manchmal zu bemüht, meist aber beherzt gequirlten Kacke füllen.
Für die etwa 30 Stunden lange Spielzeit ist der Hintergrund um eine Gruppe, die Insulaner mit Riesenvögeln entführt und zu einer arkanen Energiequelle verarbeitet, einfach zu dürftig. Trotz der vielen Nebenmissionen - mehr als in allen Vorgängern - ist Brothership ultraflacher Blödsinn zum vergnügten Kopfschütteln, so fluffig gestaltet sich der Kampf-Rätsel-Level-up-Rhythmus. Nicht ohne der Textmenge geschuldete Durchhänger allerdings, besonders wenn der redselige Begleiter das Wort hat, ein Steckdose-Sparschwein-Mischwesen.
Brothership tappt selten in die Falle von Dream Team Bros. mit seinen überlangen Erklärungen der rudimentärsten Interaktionen. Dennoch liegt ihm viel an einem bombenfesten inhaltlichen Verständnis, manchmal quälend viel: "Oh, Mario und Luigi, war das also die nutzlose Laterne? Und das Notizbuch lag darunter, unter der nutzlosen Laterne? Meint ihr, von dieser nutzlosen Laterne sprach der Wächter? Ob er das Notizbuch wohl haben möchte?". Das verläuft nicht immer so penetrant, aber ertragen muss man es trotzdem hin und wieder.
Der leichtherzige Ton stützt eine mehr denn je im Vordergrund stehende Partnerschaft mit seichten Rätseln, exzentrischen Dialogen und einem Spielfluss, dem zwei gleichrangig agierende Protagonisten unterstellt sind. Immerhin steuern wir beide Brüder mit einem Stick, wobei der grüne eigenständig über Lücken springt (was früher nicht der Fall war).
Kein Abschnitt ist langweilig. Keine Insel sieht aus wie die andere. Kein Rätsel fordert uns übermäßig viel ab. Kein Kampf ist bestrafend schwer. Erwartet einen heiteren inhaltlichen Kreislauf, ein Bürohaus, eine Schrottinsel, einen kulinarischen Wettstreit und eine Nachtinsel samt Kriminalfall, der hauptsächlich über Dialoge und Spurensuche gelöst wird. Mario und Luigi als (beschnauztes!) Ufo beim Überwinden von Abgründen oder als Kugel beim Erkunden von Röhrenlabyrinthen. Ein Hauch von Metroid. Nintendo und Entwickler Acquire (Octopath Traveller) erfinden nichts neu, sondern erweitern behutsam, damit wir auch morgen noch Felsen sprengen, Brücken ausklappen und Lava abfließen lassen können.
Dann die Luigideen. Die heißen genau so und ermächtigen Luigi zum Handeln, ohne dass sein Einwirken auf die Umgebung einer konsistenten Mechanik zuordbar wäre. Luigideen sind sonderbar. Mal zwängt er sich in durch eine unpassierbare Lücke, mal wuchtet er sich einen Vorsprung hinauf und in jedem Bosskampf hat er einen Geistesblitz, wie man mit einem Wassertank oder einem Förderband im Hintergrund mehr Prügel austeilen könnte. Luigi denkt einfach, wo er seinem Bruder körperlich nicht gewachsen ist. Neben seiner komödiantischen Präsenz und zwei linken Füßen freut man sich auf jede seiner Erleuchtungen.
Zusammen mit einer näher am Geschehen verorteten, dynamischen Kamera wirken die Kämpfe wuchtiger, moderner, fetter. Die Brüder greifen abwechselnd an, standardmäßig mit Hammer oder Sprung. Sie unterstützen sich bei jeder Aktion, stoßen sich voneinander ab, schlagen Hammer auf Hammer und den Hammerhammer dann auf den Gegnergegner. Ein herrlich kinetisches Schauspiel, auch wenn die Animationen Zug um Zug, Stunde um Stunde nicht frischer werden.
Auch mehr Paarattacken hätten es sein dürfen, zumal Klassiker wie Bombenderby und der Krötenpanzer stabile Querschüsse sind, aber eben auch seit einigen Teilen bekannt. Dafür zieht Brothership die Schrauben der Charakterprogression behutsam an. Neben Hose, Hammer und Accessoires, die man mit steigender Qualität in den Inselshops angeboten findet, vertiefen Effektstecker die Möglichkeiten der kämpferischen Einflussnahme noch einmal.
Die erzielten Effekte reichen von automatischer Heilung über eine Schockwelle für alle Gegner bis hin zu leichteren Kontern. Mit mehr als 30 Steckern ist das optionale System umfangreicher, als es sein müsste, und sehr motivierend. Der Koopa-Panzer kracht eben noch schöner, wenn nebenbei die halbe Hütte einstürzt.
Mario und Luigi Brothership - Fazit
Und während das geschieht, merkt man erst, was man all die Jahre vermisste: das kleine Logo rechts über dem Titelschriftzug, Mario und Luigi im Gleichschritt, der wie nichts anderes für Abenteuer steht. Ihr Wippen im Kampf, angeglichen an ein funky Jazzorchester. Das Tänzeln im Level-up-Bildschirm, tölpelhafte Bösewichte, grauenhaft erzwungene Wortspiele und eine Versponnenheit, wie man sie nur aus den RPG-Ausflügen kennt. Am Ende ist das Comeback von Carlo und Maurizio nicht ganz der kreative Knall, den die Reihe nach fast zehn Jahren gebraucht hätte. Aber sie ist zurück, es geht ihr blendend, ich hatte eine Menge Spaß bei der Suche nach den Leuchttürmen und für euch gilt das hoffentlich genauso.
Mario & Luigi: Brothership | |
---|---|
PRO | CONTRA |
|
|