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Markentrolling oder Selbstverteidigung? Die Saga vom Candy-Crush-Klagehammer

King.com hat alles Recht, sein Markenzeichen zu verteidigen. Mit dem Echo muss es trotzdem leben.

Casual-Game-Anbieter King hat in den letzten Wochen viel Ingrimm auf sich gezogen. Erst ging der Marktführer und Candy-Crush-Saga-Hersteller gegen kleinere Anbieter vor, die ebenfalls das Wort "Candy" in den App Stores zu Felde führten. Dann machte ein Indie-Entwickler auf die beunruhigende Ähnlichkeit aufmerksam, die Kings Spiel Pac-Avoid zu einem Titel hatte, den er dem britischen Platzhirschen vor einer Weile zum Kauf angeboten habe. Und jetzt geht das von Core-Spielern als Marktschreier geistloser Zeitfresser gemiedene Unternehmen auch noch auf Fantasy-Darling The Banner Saga los.

Lässt man aber alle Enthüllungen der letzten Tage außen vor und fragt sich ganz nüchtern, ob einen die Reaktion auf den versuchten Markenzeicheneintrag von The Banner Saga überraschen muss, ist der Fall nicht so eindeutig, wie man vielleicht denkt. Bei aller Unsympathie kraftmeiernden Big-Business-Rechtsabteilungen gegenüber, hat auch diese Geschichte zwei Seiten. Um ein bisschen Licht in den Copyright-Dschungel zu bringen, haben wir uns mit jemandem unterhalten, der sich besser auskennt als wir, dem Anwalt für Markenrecht Hans-Christian Woger von der Kanzlei CMS Hasche Sigle.

Sagenhaftigkeit fraglich: In Candy Crush Saga tauscht man statt Juwelen Bonbons.

Im Gespräch wird schnell klar, dass in den letzten Tagen viele Begriffe durch die Gegend flogen, die im verwendeten Rechtsjargon etwas anderes bedeuten, als die Wortwahl einen normalsterblichen Nicht-Juristen vermuten lässt. In diesem Fall wurde King vielfach die monierte "Verwechslungsgefahr" zwischen The Banner Saga und Candy Crush Saga mit reichlich Häme unter die Nase gerieben. Hardcore-Wikingertaktik und Dropsschiebereien sind schließlich schwerlich durcheinanderzubringen. Hält King seine Zielgruppe wirklich für so beschränkt? Tatsächlich geht es darum erst einmal nicht.

Verwechslungsgefahr ist nicht gleich Verwechslungsgefahr

"Das Wort Candy ist durch seine Eintragung keinesfalls vom Sprachgebrauch ausgenommen", erklärt Hans-Christian Woger. "Eine Marke schützt immer nur die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist. Das bedeutet, dass eine Marke auf der ersten Ebene aus einem Kennzeichen besteht und diesem auf der zweiten Ebene Waren- und Dienstleistungen zugeordnet werden. Wenn nun von Verwechslungsgefahr die Rede ist, geht es eher um eine konkrete Betrachtung der beiden sich gegenüberstehenden Marken", so der Anwalt. "Das heißt, man vergleicht die beiden Kennzeichen und die Dienstleistungen, für die sie geschützt sind bzw. für die sie verwendet werden. In diesem Fall sind die Waren beides Computerspiele. Wie diese Computerspiele im Detail aussehen, ist in einem ersten Schritt nicht relevant. Es werden nur die Begriffe und die Warengruppe im weitesten Sinne verglichen."

Im letzten großen Urheberrechtsdisput der Spieleindustrie ging Elder-Scrolls-Hersteller Bethesda Mojangs Scrolls an. Die Parteien einigten sich schließlich.

"Wer also ein neues Spiel mit "Tomb", "Effect" oder "Scrolls" im Namen anbieten will, muss sich darauf gefasst machen, dass die Rechtsabteilungen von Square Enix, EA und Bethesda schon reflexartig einen Hefter anlegen."

Wer sich fragt, warum man sich Alltagsbegriffe wie Candy ("Süßigkeiten") überhaupt als Marke schützen lassen kann, sollte sich bewusst sein, dass in Sachen Computerspiele fast jeder Titel auch als Marke angemeldet ist. Wer also ein neues Spiel mit "Tomb", "Effect" oder "Scrolls" im Namen anbieten will, muss sich darauf gefasst machen, dass die Rechtsabteilungen von Square Enix, EA und Bethesda schon reflexartig einen Hefter anlegen. Ob dem auch weiter nachgegangen wird, ist dann eine andere Frage, aber ohne Zweifel wird nicht jedes markenrechtliche Tauziehen wie hier auf der großen Bühne ausgetragen.

King selbst weist mit Recht daraufhin, dass es gang und gäbe ist, sich alltagsgebräuchliche Begriffe als Marken schützen lassen ("Apple"). Eine Aussage, die Hans-Christian Woger bestätigt: "Das Markenrecht verbietet grundsätzlich, Begriffe einzutragen, die für die Waren und Dienstleistungen, für die sie angemeldet werden, rein beschreibend sind. Es ist demnach untersagt, eine Marke 'Apple' für Äpfel anzumelden, denn der Begriff ist unerlässlich, um über das Produkt zu reden. Um Computer zu beschreiben, ist das Wort Apple aber nicht notwendig. Deshalb ist es auch in diesem Fall als Marke eintragungsfähig, genau so wie Candy für Videospiele."

Womit wir beim eigentlichen Eingemachten wären, denn dieses Markenzeichen gilt es auch durchaus zu verteidigen. Fast jeder Anbieter eines geschützten Begriffs gerät beinahe automatisch in Zugzwang. "Der Schutz eines Kennzeichens ist durchaus markenzeichenimmanent und nichts Verwerfliches. Verteidigt man sein Kennzeichen nicht, ist es sehr wohl möglich, dass einem das irgendwann vorgehalten wird." Sprich: Wird King in diesem Fall nicht zumindest kurz bei den zuständigen Ämtern im gebotenen Umfang laut, könnten etwaige spätere Candy-Crush-Klone in Gerichtsprozessen das Versäumnis, die Marke zu schützen, zu Felde führen. Und nichts anderes sagt King im Grunde, wenn es verspricht, Stoic nicht an der Verwendung des Namens hindern zu wollen, sondern lediglich "alle nötigen Schritte zu unternehmen", um seine unsere Marken "jetzt und in Zukunft zu schützen".

Und das liebe Geld?

Ob King auch monetäre Interessen umtrieben, ist fraglich und Gegenstand reiner Spekulation. Grundsätzlich bestehe laut Woger ein nicht unerheblicher Schadensersatzanspruch, wenn ein etwaiger Prozess gewonnen würde. Diese Gefahr sehe der Anwalt für Stoic wegen der rechtlich gesehen geringen Verwechslungsgefahr aber nicht. Denn zwar vergleiche man in erster Linie nur Kennzeichen und Ware miteinander, in der Praxis verschließe aber kein Gericht die Augen davor, wenn sich zwei Produkte innerhalb ihrer Warengruppe vollkommen voneinander unterscheiden.

The Banner Saga erfreut sich auf Steam gerade großer Beliebtheit.

Und dann würden auch die Begriffe im Einzelnen unter die Lupe genommen, wobei eine Aufspaltung in einzelne Bestandteile grundsätzlich unzulässig sei "In beiden Fällen handelt es sich um Wortkennzeichen ohne Bildelemente", geht der Anwalt ins Detail. "Im Markenrecht würden diese auf erster Ebene schriftbildlich, dann lautmalerisch und schließlich auf der Bedeutungsebene verglichen. Die Kennzeichen beinhalten ein gleiches und zwei unterschiedliche Worte, was gegen eine Verwechslungsgefahr spricht. Sie klingen nicht ähnlich und liegen auch von der Bedeutung her relativ weit auseinander. Auch die eigene Bedeutung des einzig übereinstimmenden Begriffes ,Saga' spricht gegen eine Verwechslungsgefahr in diesem konkreten Fall".

Und obwohl King im Fall der Fälle ein so genanntes Serienkennzeichen anführen würde - immerhin 13 veröffentlichte Spiele mit „Saga" im Titel wecken aus rechtlicher Sicht eine Erwartungshaltung beim Verbraucher - läuft am Ende wohl alles darauf hinaus, dass man hier nur pro forma sein Revier markiert. Schließlich steht immer noch die Frage im Raum, was für King zu holen wäre. Sind die gefühlten paar Hunderttausend Dollar, die wohl im besten Fall einmalig bei Stoic zu holen wären, die negative Publicity wert, wenn man mit seinem erfolgreichsten Spiel täglich ein Vielfaches davon einfährt? Gleichfalls ist auch das Vorgehen gegen einen so offensichtlichen Trittbrettfahrer wie Candy Casino Slots - Jewels Craze Connect: Big Blast Mania Land - und ja: Das ist ein Titel - vollkommen rechtens und nachvollziehbar. Von "Markentrolling", wie es King.com vielerorts vorgeworfen wurde, kann keine Rede sein.

Es gibt keine schlechte PR?

Dennoch zwickt es einen dann aber doch ordentlich in der Magengegend, wenn man diese Geschichte liest. Der Konflikt, so wie wir ihn erleben, ist nämlich in Wahrheit kein rechtlicher, sondern ein moralischer. Auch ohne großes juristisches Wissen hat es mehr als nur ein wenig Geschmäckle, dass ein Hersteller davon spricht, seine "IPs zu schützen", wenn diese durch die Bank aus nichts anderem bestehen, als aus notdürftig verschleierten Klonen von Bejeweld, Bust-a-Move und Peggle. Der Aufruhr, dass der kopierfreudige Casual-Goliath einem originellen Indie-Studio nachstellt, ist somit nur verständlich.

Wenn diese Ereignisse eines zeigen - abseits davon, dass "rechtens" nicht automatisch immer mit "richtig" gleichzusetzen ist - dann, dass das Markenrecht im digitalen Zeitalter nicht so gut Schritt hält, wie es das vielleicht sollte. Wie dem auch sei, Stoic kommt aller Voraussicht nach mit dem Schrecken davon - und über die zusätzliche weltweite PR, zwei Wochen nachdem ihr erstes Spiel erschien, werden die Texaner letztlich alles andere als traurig sein.

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