MARVEL vs. CAPCOM Fighting Collection: Arcade Classics im Test - Eine goldene Marvel-Ära, lange vor Iron Man
Let it take you for a ride!
MARVEL vs. CAPCOM Fighting Collection: Arcade Classics, das rollt einem ja direkt von der Zunge. Wie wäre es stattdessen mit „Tournament Fighting, Awesome AF!“ Kurz, prägnant und auf den Punkt. Normalerweise ist es ja eher so, dass man rennt, wenn man irgendwo Marvel sieht, aber das hier kommt aus einer anderen Zeit. Einer, als alle Marvel Filme auch furchtbar waren, aber die Spiele phänomenal. Und hier gibt es sieben Stück davon, eines besser als das nächste. Wenn ihr denn Turnier-Prügler mögt, sonst ist die Auswahl dünner.
1993 – The Punisher
Der Ausreißer der Runde und wohl eher als Bonus gedacht, aber einer, der es in sich hat. Der Punisher hatte damals seinen Auftritt als Prügel-Wander-Spiel im Stile der Turtles oder Simpsons oder Aliens oder AD&D oder was immer sonst Capcom in die Finger bekam, um es prügelnd von links nach rechts ziehen zu lassen. The Punisher war auch kein Arcade-Schnellschuss, sondern einer der zu Recht erfolgreichsten Automaten dieses Jahres. Sicher, es ist kein Streets of Rage 2 und auch kein Turtles Arcade, aber gerade mit einem Freund steckt hier ein bis drei Bierflaschen lang jede Menge Prügelspaß drin. Capcom hatte es zu dieser Zeit einfach raus, dass es sich gut anfühlt, wenn eine Comic-Figur einer anderen eine reinzimmert.
1994 – X-Men: Children of the Atom
Ihr kennt nur die minderwertige Playstation-Version, die Jahre nach der Arcade erschien? Vergesst sie, ihr habt nie erlebt, wie gut X-Men: Children of the Atom sein kann. Spielerisch habt ihr einen Cast aus einem Dutzend der damals beliebtesten X-Men – das war alles Jahre vor dem ersten Film und der Mainstream-Werdung der X-Men – und Akuma als Bonus. Es spielt sich sehr ähnlich Super Street Fighter II Turbo und das ist sicher keine schlechte Sache, ganz im Gegenteil. Nehmt noch ein paar Tweaks bei den Super Kombos dazu und ihr habt ein Spiel, das einem heute zwar reduziert erscheint, was Mechaniken und Charaktere angeht, aber wenn es sich immer noch so verdammt gut anfühlt zu spielen, dann könnte mir das nicht egaler sein.
1995 – Marvel Super Heroes
Erneut, wenn ihr das auf Saturn oder Playstation gespielt habt, dann habt ihr es nicht erlebt, auch wenn die Versionen besser sind als noch bei Children of the Atom. Aber die Arcade-Version hat so fantastische Animationen und Farbfreude, dass einem glatt das Herz bei jedem Kampf aufgeht. Die Spielmechanik lehnt sich natürlich weiter stark an den Vorgänger und damit Street Fighter an, ergänzt dies aber mit den Infinity Steinen, die heute sehr viel berühmter sind als damals. Diese bekommt ihr für besondere Moves im Vs. oder im Arcade-Mode und sie geben euch kurz besondere Moves und Fertigkeiten. Dazu noch die Inifinity-Kombos und ihr habt einen nahezu perfekten Arcade-Prügler. Den letzten Halbsatz werdet ihr noch häufiger hier zu hören bekommen.
1996 – X-Men vs. Street Fighter
Wie kann man das alles noch besser machen? Nun, indem man direkt das beste Prügelspiel überhaupt mit in den Mix wirft. Zu sagen, dass man es zu der Zeit skeptisch sah, ob Street Fighters damalige Perfektion nicht durch X-Men-Charaktere verwässert werden würden, wäre milde ausgedrückt. Aber wir hätten Capcom gleich vertrauen sollen. Sie tackerten die beiden Kombo- und Special-Stile nahtlos zusammen, wobei die Grundlagen auf den beiden Superhelden-Vorgängen basieren. Aerial-Kombos sind hier, wie auch die Super Jumps. Das Tag-System wurde verfeinert und Hyper- wie Variable-Kombos lassen sich präzise ausführen. Wenn man diese Perfektion der Animationen sieht und die Präzision, in der das alles abläuft, fragt man sich schon wie blutgeil wir damals waren, dass wir auch nur eine Mark in Mortal Kombat steckten. Das hier spielt sich so viel besser als selbst MK3. Und ganz sicher besser als die Playstation-Version von X-Men vs. Street Fighter damals. Warum hat Capcom nicht einfach aufgegeben, diese minderwertigen Ports zu liefern? Ach so, ja, Geld. Ich vergaß. Und das brauchten sie ja für…
1997 – Marvel Super Heroes vs. Street Fighter
Warum sich mit den X-Men aufhalten, wenn man auch Spider-Man, Hulk oder Captain America haben kann. Oder Blackheart, US Agent oder Shuma-Gorath? Wer sind diese Typen? Es ist witzig zu sehen, wer den Cut schaffte, um heute durch die Filme populär zu werden und wer in den Comics und der Arcade bleiben musste. Ein Dutzend Kämpfer aus Marvel, ein Dutzend aus Street Fighter, der Roster wird größer, die Tag-Mechaniken weiter verfeinert und die Variable-Assists zu einem endgültig prägenden Element der Reihe.
Die richtige Kombo zweier Charaktere zu finden, die sich gegenseitig perfekt ergänzen, ist eine kleine Wissenschaft, wenn man es denn möchte. Oder man genießt das nach wie vor brillante Spielgefühl. Und ja, ich gebe zu, wenn ich damals jedes Jahr 120+ Mark für eine minderwertige Umsetzung dessen hätte ausgeben müssen, hätte ich mich vielleicht auch nach mehr Abwechslung gesehnt. Aber hier in Arcade-Perfektion und in einer preiswerten Collection, ich stelle keine Fragen, sondern mache immer noch von Spielglück erfüllt weiter mit…
1998 - Marvel vs. Capcom: Clash of Super Heroes
Heute ist es wunderlich zu sehen, dass War Machine mit in den zehn Marvel Helden dabei ist, aber nicht Iron Man. Damals interessierte es keinen, Robert Downey Jr. war noch zehn Jahre weit weg. In den USA lag das Spiel im Arcade-Umsatz-Erfolg vor Street Fighter 3 und man kann streiten, ob das so richtig ist. Ich würde ja SF3 bevorzugen, aber dann wiederum MvC: CoSH nicht von der Bettkante stoßen. Eher fragen, ob es an einem Dreier interessiert ist, außer natürlich es handelt sich um die Playstation-Version. Aber zu Hause war nicht alles verloren, die beste Konsole aller Zeiten, das Dreamcast war da und hier war die Welt für ein goldenes Jahr oder so in Ordnung.
Natürlich gibt es wieder Tag-Team mit den nun knapp über 20 Charakteren, wobei der nicht im Spiel befindliche Charakter ein wenig Energie zurückgewinnt. Um für ein wenig Neuerungen zu sorgen, fliegt das Variable-Assist-System raus, und das Guest-System ist drin. Ihr bekommt zufällig vor einem Match einen Gast zugewiesen und mit diesem einen Angriff starten. Neu ist auch der Duo-Angriff, indem beiden Tag-Partner auf den Gegner gleichzeitig eindreschen. All das spielt sich fantastisch, außer natürlich auf der Playstation, wo es nicht mal Tag-Teams gab. Erstaunlich, dass es überhaupt startete. Zum Glück hatte dieses Elend ein Ende, als das nächste Spiel erschien:
2000 – Marvel vs. Capcom 2: New Age of Heroes
Weil Ddei besser als zwei sind, wählt ihr jetzt drei Charaktere für euer Tag-Team aus. Nun, das hätte Capcom auch vorher schon realisieren können, es war zu der Zeit okay bei SNK abzuschauen, denn King of Fighters zeigte da bereits zum zigsten Mal, dass Dreier-Tag-Teams cool sind. Das Variable-System ist zurück und mit drei Kämpfern im Team gibt es auch keinen Bedarf für Gäste mehr. Und wenn ihr keinen Bedarf für den aktuellen Gegner im Ring habt, dann könnt ihr in MvC2: NAoH Snapbacks ausführen, um ihn aus dem Ring zu werfen und einen anderen Kämpfer aus dem Gegner-Team reinzuzwingen. Wer da rausfliegt und reinkommt kann sich sehen lassen, denn dieses Mal ging Capcom in die Vollen und gibt euch die Auswahl aus über 50 Kämpfern. Kein Wunder, dass dieser Teil bis heute als der Höhepunkt der Reihe gilt und zwei Minuten zu spielen reichen aus, um das als die absolute Wahrheit zu akzeptieren.
Sicher, das war jetzt eine Menge Lob, aber ich meine das absolut ernst. Jedes dieser Spiele für sich ist phänomenal gut, einige der besten 2D-Prügler, die ihr jenseits von Street Fighter oder Darkstalkers spielen könnt. Sie repräsentieren das goldene Zeitalter der 2D-Turnier-Prügler in Perfektion und es fällt nicht schwer zu sehen, wie sie gegen die Tekken und Soul Edge/Caliburs bestehen konnten. Wenn der Spielfluss so brillant ausgestaltet ist, Treffer und Specials sich einfach richtig anfühlen und elegant aus dem Pad fließen, dann braucht keiner in dem Genre Polygone. Der Comic-Look ist zeitlos schön und ich lasse nichts auf diese Games kommen!
Außer vielleicht die Frage, ob man die jetzt wirklich alle braucht… Sicher, die Entwicklung der Spiele vom eher langsamen Children of the Atom zum deutlich hektischeren, aber komplexeren MvC2 Spiel für Spiel durchzugehen hat seinen Reiz, so wie auch jeder Titel seinen Reiz hat, aber ihr müsst schon dem Genre huldigen wollen, um das hier wirklich zu genießen. Sicher, das gilt auch für die SF-Collection. Zumindest der Punisher lockert das hier ein wenig auf und die Spiele unterscheiden sich durch den Mix der Charaktere aus im Grunde zwei Welten deutlich mehr. Insoweit würde ich zwar sagen, dass nichts an Street Fighter per se heranreicht, aber als Collection finde ich diese hier spannender.
In der Umsetzung jedenfalls gibt es nichts zu bemängeln. Natürlich sind alles die Arcade-Versionen, keine Playstation-Traumata hier und bei jedem Spiel könnt ihr zwischen US und Japan wählen. Es gibt immer Move-Listen, Trainings-Modi, eine generelle Speicherfunktion, wann immer ihr sie braucht und eine Reihe von Bildschirm-Filtern und Optionen. Dezentes CRT ist zum Glück auch dabei, das passt. Jedes Spiel bietet Online-Modi mit sauberem Rollback-Netcode und spielt sich tadellos. Selten wurde ich so flüssig und professionell zusammengelegt wie hier. Anfänger finden Optionen wie One-Button-Kombos für alle Offline-Modi einfach zum Spaß haben und natürlich darf ein Museum mit über 500 Bildern nicht fehlen. Noch viel wichtiger: Ihr könnt nun nonstop „Take You For A Ride“ laufen lassen. Sicher, hier sind auch noch über 200 weitere Tracks aus all den Games, die zum Besten gehören, was diese Ära des Gamings akustisch hervorbrachte, aber Take You For A Ride ist der Ohrwurm schlechthin. Wenn es keinen Timer gäbe, hätte nie jemand den Charakter-Select von MvC2 verlassen.
Also ja, nach Castlevania nun die zweite praktisch perfekte Retro-Collection diese Woche. Und ja, sosehr ich Street Fighter liebe, heute muss ich den Marvels hier den Vorzug geben, da sich hier die Spielsysteme schon weiterentwickelt hatten, als es teilweise selbst bei SF3 der Fall war. SF2 war der Urknall, aber in den nächsten Jahren passierte viel und was, das könnt ihr hier hervorragend bewundern. Während sich SF eher in Dekaden weiterentwickelt, waren die 90er eine hektische Phase, in der in jedem Jahr in der Arcade etwas Neues stehen musste. Die Konkurrenz zu der Zeit war brutal, spätestens als 3D dazukam und selbst hausintern wurde einem nichts geschenkt. In dieser „survival of the fittest“-Umgebung schafften es sich die Marvel-Capcom-Games immer einen Platz an der Spitze zu sichern und es fällt heute in keiner Weise schwer zu sehen, warum das so war. Jedes dieser Games spielt sich immer noch herausragend gut. Natürlich ist nicht jede Balance perfekt, jeder der Titel hat seine kleinen Macken und Eigenheiten, aber das gehört zum Genre auch dazu. Wenn ihr dem Genre eine Chance geben wollt, ihr könnt es kaum besser treffen als mit dieser Collection. Und wenn ihr das „Take You For A Ride“-Tattoo seit 2000 stolz tragt, dann spielt ihr eh schon.
MARVEL vs. CAPCOM Fighting Collection: Arcade Classics Test | |
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