Mass Effect 2
Gelungene Umsetzung
Fast genau auf den Tag ein Jahr nach dem Release für Xbox 360 und PC kommen nun auch die PS3-Besitzer in den Genuss von BioWares Rollenspiel Mass Effect 2. Die lange, lange Zeit voller Gerüchte um eine mögliche Umsetzung für Sonys Konsole fand auf der letzten gamescom ihr Ende, als Electronic Arts die PS3-Fassung des zweiten Teils ankündigte – ohne den Vorgänger wohlgemerkt. Und das gerade bei einem Spiel, das durch einen Import eines Spielstandes aus dem ersten Mass Effect so viel dazugewinnt.
Im Großen und Ganzen gleicht die PS3-Fassung mehr oder weniger den bereits vorhandenen Versionen, für die inhaltlichen Aspekte des Spiels empfiehlt es sich daher, zusätzlich zu diesem Artikel unseren umfangreichen Test zu Mass Effect 2 vom letzten Jahr durchzulesen.
Konzentrieren wir uns hier also auf die Besonderheiten der PS3-Umsetzung. Da Mass Effect nie für die PlayStation 3 erschienen ist, haben Neueinsteiger dementsprechend auch keine Spielstände, die sie importieren könnten. Um eine kleine Abhilfe zu schaffen, hat sich BioWare mit Dark Horse zusammengesetzt und einen kleinen, interaktiven Comic produziert, den ihr euch auch schon mal bei uns im Walkthrough von Digital Foundry anschauen könnt.
Eine nette Geste für die PS3-Spieler, aber gleichzeitig ist es für mich persönlich auch einer der größten Kritikpunkte. Mit dem Comic können Neulinge die sechs wichtigsten Entscheidungen des ersten Teils treffen. Fehlen also die unzähligen kleinen Dinge, die ihr ebenfalls beeinflusst und die sich auch an vielen Ecken in Mass Effect 2 entsprechend zeigen.
Das schafft wiederum ein ganz besonderes Mittendrin-Gefühl, mit dem man den Eindruck hat, wirklich etwas bewegt beziehungsweise beeinflusst zu haben. Und auch wenn es vergleichsweise Kleinigkeiten sind, ist es meiner Meinung nach doch sehr fördernd für die Atmosphäre des Spiels, dieses Universums, wenn ich immer wieder Personen treffe, mit denen ich in Mass Effect zu tun hatte, einen kleinen Plausch mit ihnen führen oder eine Quest für sie erledigen kann.
All diese Wiedererkennungswerte und dieses Gefühl für Kontinuität fehlen also – abgesehen von den Dingen, die ihr durch den Comic beeinflussen könnt – in der PS3-Version... oder anders gesagt: Diese diversen Entscheidungen sind schlicht von BioWare vorgegeben, ihr könnt nichts daran ändern. Auch abseits davon ist der Comic alles andere als perfekt, lässt beispielsweise mit Feros eine der Hauptmissionen des Vorgängers völlig aus, liefert zu wenig Hintergrundinfos bei den Entscheidungen oder charakterisiert manche Begleiter nicht wirklich passend. Unterm Strich: Nette Idee, aber schwache Umsetzung. Ein Spiel mit 30 bis 40 Stunden Umfang kann man eben nur schwer in einen 15 Minuten langen interaktiven Comic quetschen. Und das merkt man leider.
Was den Umfang anbelangt, hat die PS3-Version etwas mehr zu bieten als PC- und 360-Fassungen zum Start. Auf der Blu-Ray stecken zusätzlich die drei sehr gelungenen DLCs Kasumi - Gestohlene Erinnerungen, Overlord und Lair of the Shadow Broker, wobei insbesondere letzterer mit zu den besten Missionen des gesamten Spiels zählt. Insgesamt sind das dann nochmal fünf bis sechs Stunden an zusätzlicher Unterhaltung, die sich allemal lohnen, zumal ihr mit Kasumi noch ein weiteres und durchaus nützliches Teammitglied dazu bekommt. Obendrein fehlen natürlich die DLCs aus dem Cerberus-Netzwerk inklusive eines weiteren Mitstreiters (Zaeed) nicht, sofern ihr denn als Erstkäufer des Spiels den jeweiligen Freischaltcode habt oder nachträglich einen kauft. Wer unterdessen die englische Sprachfassung bevorzugt, findet diese ebenfalls auf der Blu-Ray-Disc.
Technisch gesehen basiert die PS3-Fassung von Mass Effect 2 laut BioWare bereits auf der Engine-Version, die in Mass Effect 3 zum Einsatz kommt. Das klingt auf dem Papier gut, letzten Endes sind es aber noch die alten Assets, die hier Verwendung finden, und deshalb fallen die Unterschiede größtenteils eher marginal aus. Die Umsetzung hat zudem mit einer leicht schwächeren Gesamtperformance zu kämpfen als die Xbox-360-Version, aber das ist kein echter Deal Breaker. Mehr dazu im umfangreichen Technik-Vergleich zu Mass Effect 2.
Zugegeben, das klingt nun gerade in Bezug auf den Comic so, als hätte ich viel zu meckern, aber als echter Mass-Effect-Fan will ich hier doch eigentlich nur das Beste für die PS3ler. Und die sechs Entscheidungen sind zwar nett, aber eben nicht das, was ich als beste Option bezeichnen würde. Warum kein echter Savegame-Editor mit Schiebereglern für jede relevante Quest des ersten Teils und zugehörigen Hintergrundinfos zu den jeweiligen Entscheidungen, meinetwegen auch optional zum Comic? Für mich gehören eben auch die kleinen Dinge zu Mass Effect dazu und tragen ihren Teil zur stimmigen Atmosphäre und dem Reiz des Spiels bei. Die Reihe setzt so sehr auf den Import eines Spielstandes beziehungsweise bindet es so ein wie kein anderes Spiel zuvor und dann haben die PS3-Spieler leider am wenigsten davon. Gegen eine Umsetzung oder eine im Allgemeinen aktualisierte Fassung (auch für die Xbox) von Mass Effect 1, vielleicht sogar mit neuer Engine-Version, die Framerate-Probleme und Texturen-Pop-Ups ausmerzt, hätte ich in dem Zusammenhang absolut nichts einzuwenden.
Aber wie dem auch sei, Mass Effect 2 kann - wie zum Beispiel ein Das Imperium schlägt zurück - ganz gut für sich alleine stehen und vielleicht interessieren euch die ganzen früheren Entscheidungen ja viel weniger als mich. Auch so bleibt BioWares Rollenspiel ein hervorragendes SciFi-Epos mit grandioser Story, erstklassiger Inszenierung, wunderbaren Dialogen, interessanten Charakteren und leicht zugänglichem Gameplay, das gerade auf den höheren Schwierigkeitsstufen kein Spaziergang ist. Kurz gesagt: Ein Spiel, das PS3-Besitzer nicht verpassen sollten.
Mass Effect 2 ist bereits für die PlayStation 3 und natürlich auch weiterhin für Xbox 360 und PC erhältlich.