Mass Effect 3: Citadel - Test
Das 'Lair of the Shadow Broker' von Mass Effect 3.
„Alle Mann an Bord", hieß es für den letzten Story-DLC zu Mass Effect 3 aus Sicht der Autoren. Und das merkt man auch gleich von Beginn an. Damit wir uns hier nicht falsch verstehen und bei euch auch keine unbegründeten Hoffnungen entstehen: Nein, es gibt keine Änderungen am Ende. BioWare hatte bereits vor Monaten gesagt, dass man dort nichts mehr anpassen wird und dabei bleibt es auch. Und zugegebenermaßen bietet Citadel euch auch keine Story, die im gesamten Kontext der Geschichte von Mass Effect 3 in irgendeiner Weise entscheidend wäre. Macht aber nichts.
Man sollte es eher als das betrachten, was es tatsächlich ist: Ein unbeschwertes und insbesondere sehr lustiges kleines Abenteuer, in dem ihr noch einmal so gut wie alle bisherigen Squadmitglieder trefft - ein Abschiedsgeschenk sozusagen. Ein würdiger Abschluss, der tatsächlich als DLC, wenn er denn nach dem Ende spielen würde, absolut perfekt wäre. So fühlt es sich schon mittendrin (spielen könnt ihr ihn nach dem Citadel-Coup) wie ein vorgezogenes Ende an. Man verbringt noch einmal ein paar schöne Stunden mit all den vielen Leuten, die man im Laufe der Jahre getroffen, mit denen man Seite an Seite in die Schlacht gezogen ist.
Der Fokus der Hauptstory, die rund drei Stunden in Anspruch nimmt und zu der ich auch nicht allzu viel verraten möchte, liegt auf dem ME3-Squad. Hier sind wirklich alle von ihnen gleichzeitig und auch während der Mission sichtbar im Einsatz, was ein tolles Gefühl ist. Es weckt Erinnerungen an die Selbstmordmission in Mass Effect 2, versprüht in gewisser Weise auch dieses Feeling, das man beim Anschauen von The Expendables hat. Die Besten der Besten treten dem Feind gehörig in den Allerwertesten und man hat ständig mindestens ein kleines Lächeln auf den Lippen. Auch so ziemlich alle Kameraden aus Mass Effect 2 sind mit von der Partie, allerdings nicht im direkten Kampfeinsatz, sondern eher in späteren Gesprächen - davon gibt es hier wirklich viele, auch nach Abschluss der DLC-Story kommen viele neue hinzu - und auf einer abschließenden Party.
Und genau dafür ist Citadel einfach gemacht, für ein letztes Abenteuer mit all euren Mitstreitern, für ein letztes Aufeinandertreffen. Übrigens können sich auch die Wrex-Fans freuen, denn unser aller Lieblings-Kroganer taucht hier nicht nur als Gast auf, sondern steht euch für den gesamten DLC als optionales Squadmitglied zur Verfügung. "Good old times", wie der Kroganer selbst betont.
Dass man die ganze Geschichte eher unbeschwert angeht und sich nicht gänzlich ernst nimmt, merkt man an den vielen, vielen humorvollen Situationen und Gesprächen, die BioWares Autoren hier reingesteckt haben - ich musste mehrmals herzhaft lachen. Zugegeben, der eine oder andere wird es womöglich im Kontext des Krieges albern finden oder vielleicht auch ein bisschen zu klischeehaft, aber ich liebte jede Minute davon - und ja, auch Soldaten brauchen hin und wieder mal eine kleine Auszeit. Ist ja nicht so, dass sich das hier alles über (virtuelle) Tage oder gar Wochen hinziehen würde. Die Normandy bekommt ein paar Upgrades und währenddessen hat die Crew eben einen kleinen Landurlaub. Ich fand es regelrecht erstaunlich, dass manch einer im BioWare-Forum ein paar freie Stunden in einem Krieg für undenkbar hält. Aber na gut ...
Alleine Wrex während der gesamten DLC-Spielzeit mitzunehmen, ist schon mindestens einen Durchgang wert. Man erfährt außerdem viele weitere Einzelheiten über die jeweiligen Charaktere, über Shepard selbst, Anderson hat eine ganze Reihe Audio-Aufzeichnungen hinterlassen. Es gibt so viele kleine Easter Eggs, versteckte Hinweise und kleine Details, die Citadel zu etwas Besonderem machen. Dinge wie Mordins Datenpad mit einigen Aufzeichnungen und Liedern von ihm, Zaeeds letzter Auftritt mit seiner unvergleichlichen Stimme und Art (RIP Robin Sachs), eine Gedenkfeier für Thane. Oder die gewisse Selbstironie in bestimmten Situationen oder einfach die erneute Anerkennung von Shepards individueller Hintergrundgeschichte und Klasse - endlich setzt mein Vanguard mal seine Biotik in einer Zwischensequenz ein. Das alles sind für sich genommen vielleicht nur Kleinigkeiten, in ihrer Gesamtheit lassen sie das Fan-Herz jedoch höher schlagen.
Fan-Service? Ja, das ist Citadel wohl allen voran. Aber verdammt nochmal, es ist ein Guter. Wie gesagt, die Hauptstory beschäftigte mich rund drei Stunden, für weitere Gespräche und die Abschlussparty kommt locker noch einmal eine weitere Stunde hinzu. Es lohnt sich jedenfalls, seine Kameraden aufzusuchen, wenn sie euch um ein Treffen bitten, denn hier erzählt man in gewisser Weise auch kleine Nebengeschichten. Samantha trifft etwa in einem Spiel im Kasino auf ihre Nemesis, man verhilft Garrus zu einem Date mit einer Turianerin (sofern man nicht selbst eine Romanze mit ihm hat) und selbst der einzig wahre Blasto taucht bei einem Filmdreh auf. Da bleibt kein Auge trocken.
Und dann gibt es da ja noch den neuen Hub auf der Citadel, der auch anschließend weiterhin zugänglich ist. Hier erwartet euch unter anderem ein Kasino mit verschiedenen interessanten Spielen und eine Kampfarena mit einer Reihe unterschiedlicher Level, Schwierigkeitsstufen, Multiplikatoren und Belohnungen, die ihr euch freischalten könnt. Dazu zählen übrigens auch die Teammitglieder aus Mass Effect 2, die ihr dann dort an eurer Seite kämpfen lassen könnt. Ein nettes Gimmick: Im Reckoning-DLC war die M7 Lancer schon dabei, mit Citadel bekommt ihr sie auch für den Singleplayer-Part. Dabei handelt es sich um ein Sturmgewehr mit der klassischen Überhitzungs-Mechanik, die man noch aus dem ersten Mass Effect kennt. Munition müsst ihr dafür nicht sammeln. Außerdem bekommt ihr noch eine weitere Waffe und einige frische Upgrades. Ach ja, und natürlich ein eigenes Zuhause auf der Citadel, für das ihr sogar ein paar Einrichtungsgegenstände kaufen könnt. Eine tolle Unterkunft, die Shepards Haus aus dem Pinnacle-Station-DLC für Mass Effect 1 regelrecht alt aussehen lässt.
Ganz ehrlich: So oft wie im Citadel-DLC konnte ich schon seit einer Weile nicht mehr in einem Spiel lachen. Dieser unbeschwerte Ausflug auf die Citadel versprüht wirklich an jeder Ecke zündenden Humor, ob nun durch Einzeiler, längere Monologe oder absolut komische Situationen. Wenn noch jemand einen Beweis dafür braucht, dass BioWare Dialoge schreiben kann: Hier ist er. Im Grunde gilt hier auch das Gleiche wie bei den anderen DLCs. Sofern ihr nicht mit den falschen Erwartungen herangeht, kann wenig schiefgehen. Wenn ihr noch ein letztes Mal einige unterhaltsame Stunden mit den vielen lieb gewonnenen Charakteren der Mass-Effect-Reihe verbringen wollt, ist das hier eure Chance dazu. Eine bessere werdet ihr nicht mehr bekommen. Dazu die vielen Anspielungen, Hintergrundinfos, Easter Eggs, Hinweise und und und ... Citadel ist Mass Effect 3's Lair of the Shadow Broker - nur noch besser.