Matterfall - Test
Turrican im Partikelexplosionsmassaker.
Partikel-Explosionen, wohin das Auge blickt, schnelle Doppelsprünge und Dashes, Unmengen herrlich zerspratzender Gegner: Mir hat lange kein 2D-Ballerspiel mehr so viel Spaß gemacht wie Matterfall, das muss ich wirklich sagen. Dabei ist Matterfall kein Spiel für zwischendurch, im Gegenteil, es erhöht meinen Herzschlag merklich. Das liegt daran, dass die Entwickler euch nur sehr selten mal einen Moment der Ruhe gönnen. Matterfall ist eines dieser Spiele, das man verdammt gut beherrschen kann. Damit meine ich: Wie das Spiel grundsätzlich funktioniert, leuchtet zwar relativ schnell zumindest theoretisch ein - bis zur praktischen Umsetzung des gelernten vergehen aber Stunden voller Fingerübungen.
In Matterfall schlüpft ihr in den futuristischen Kampfanzug von Avalon Darrow, einer Kriegerin, die nach einem missglückten Militär-Experiment die Welt aufräumen muss. Denn die Menschheit hat eine neue Substanz entdeckt, die dazu geeignet ist, die Energie-Probleme des Planeten mit einem Schlag zu lösen. Dumm nur, dass dieses Perpetuum Mobile von einem Element es schafft, von der hochgerüsteten Kriegsmaschinerie der Menschheit Besitz zu ergreifen und diese nun gegen ihre Schöpfer wendet. Warum nun Avalon Darrow die einzige Person ist, die dem etwas entgegensetzen kann, lässt Entwickler Housemarque dezent offen, aber ganz ehrlich: Wer braucht in einem solchen Spiel schon eine ausgefeilte Geschichte? Das Intro setzt kurz das futuristische Setting in Szene - und dann darf das Geballer auch schon losgehen.
Die Leute bei Housemarque sind große Freunde spektakulärer Partikel-Effekte, was sie schon im PS4-Launch-Titel Resogun unter Beweis gestellt haben. Diese Vorliebe spiegelt sich auch in Matterfall wieder. Während ihr durch die zweidimensionalen Level hüpft und schießt, zerspringen die Gegner in unzählige kleine Partikel, die bisweilen auch am Boden liegen bleiben und die die Protagonistin wie eine Spur im Schnee hinter sich herzieht. Da ist es schon erstaunlich, dass die PS4 das ganze Spektakel mit nur wenigen Ausnahmen perfekt butterweich in Szene setzen kann. Das Spiel erinnert dabei in Sachen Gameplay nicht nur geringfügig an Amiga-Klassiker wie Turrican - ihr springt durch die Welt und knallt Grad alles weg, was euch bedrohen könnte. Anders als in alten Zeiten setzt Housemarque natürlich auf eine Twin-Stick-Steuerung. Ihr bewegt die Figur mit dem linken Stick und schießt mit dem rechten in die Richtung, in die ihr ihn eben gerade drückt.
Das funktioniert in Top-Down-Shootern für gewöhnlich relativ intuitiv und unproblematisch, setzt bei Matterfall aber schon eine gewisse Eingewöhnungsphase voraus. Denn weil ihr fast immer mit Feinden konfrontiert seid, müsst ihr auch ständig wie wild um euch schießen. Das wiederum heißt: Müsstet ihr nun einen der vier Buttons auf der Vorderseite des Controllers drücken, müsstet ihr euch wahlweise verrenken oder den Daumen vom Stick nehmen. Die Entwickler haben sich daher entschieden, die Sprungtaste auf R1 zu legen - und eben das will in den ersten rund 30 Minuten im Eifer des Gefechts nicht so recht in Fleisch und Blut übergehen. Zur Beruhigung sei gesagt: Irgendwann später klappt's dann doch.
Neben Springen und Schießen hat Avalon noch ein paar weitere Fähigkeiten. Die wohl wichtigste von ihnen ist der Dash. Per Tastendruck kann die Protagonistin besonders schnell ein paar Schritte in eine der vier Richtungen bewegen - alle Gegner in unmittelbarer Nähe werden dabei eingefroren, Projektile verschwinden ganz. Insbesondere weil ihr häufig mit ganzen Wänden aus Geschossen konfrontiert werdet, ist es absolut unumgänglich, immer wieder auf diesen Dash zurückzugreifen. Und auch die kurze Verschnaufpause zu nutzen, um eingefrorene Gegner abzuknallen, die in beweglichem Zustand eine große Gefahr wären. Zudem habt ihr einen Energiestrahler zur Hand - der ist unter anderem deshalb praktisch, weil manche Gegner kleine Bomben hinterlassen, die ihr damit aktivieren könnt, um so viele Gegner auf einmal vom Bildschirm zu blasen. Dabei ist es durchaus möglich, die Fähigkeit taktisch einzusetzen. Auf eine Gegnerwelle folgt oft eine andere - hinterlässt also die erste Welle eine Bombe, bietet es sich an, vor deren Aktivierung auf die zweite zu warten. Schafft ihr es dann, die Bombe im richtigen Moment zur Explosion zu bringen, fegt diese dann besonders viele Gegner vom Bildschirm und schnellt so euer Highscore-Multiplikator in die Höhe, fühlt sich das ungeheuer befriedigend an. Habt ihr eine bestimmte Menge einer Substanz gefunden, die ebenfalls von Gegnern hinterlassen wird, könnt ihr außerdem in den Overdrive-Modus wechseln. Avalon wird dann bedeutend stärker und das Spiel wird langsamer. Zeit für ein Partikel-Gemetzel!
Der Energiestrahler ist aber nicht nur dazu geeignet, Bomben zur Explosion zu bringen. Er ist gewissermaßen das Schweizer Taschenmesser unter den futuristischen Strahlenkanonen. An einigen Stellen im Spiel gibt es transparente, blaue Plattformen, die er mittels Dash durchdringen könnt. An einigen anderen Stellen sind diese Plattformen eben noch nicht da, lassen sich aber vorübergehend per Strahlenkanone aktivieren. Manchmal dienen sie euch dazu, an höhere Stellen zu gelangen, an anderer Stelle sind sie aber auch praktisch, um die Geschosse aus feindlichen Kanonen abzublocken. Und: Über alle Level verteilt findet ihr immer wieder gefangene Zivilisten - auch die könnt ihr per Energiestrahler befreien und bekommt als Belohnung neue Sekundärwaffen. Stehen euch am Anfang lediglich die schon sehr nützlichen Handgranaten zur Verfügung, bekommt ihr später auch zielsuchende Raketen oder einen Strahlenkanone sowie andere Upgrades - beispielsweise hinterlassen besiegte Gegner dann die oben erwähnten Bomben häufiger.
Dass die gefangenen Menschen auch eine Belohnung hinterlassen und nicht nur für einen erhöhten Highscore sorgen, hat zumindest bei mir bewirkt, dass ich sie auch wirklich finden wollte. Denn nicht immer sind sie ganz leicht zu entdecken. Die Level verzweigen sich hier und da in mehrere verschiedene Wege oder verlangen von euch, noch einmal einen Blick zurück zu werfen, um zu finden, was ihr sucht. Solche Level gibt es übrigens in drei Abschnitten jeweils drei, gekrönt von je einem vierten Abschnitt, der allerdings nur aus einem einzigen, wenn auch ziemlich spektakulären Bosskampf besteht, der euch alles abverlangt, was ihr in den vorherigen Spielabschnitten gelernt habt. Glücklicherweise könnt ihr einmal bezwungene Abschnitte jederzeit erneut starten, um so wahlweise euren Highscore zu steigern oder verpasste Gefangene doch noch zu befreien.
Dabei werdet ihr merken: Kehrt ihr in einen früheren Level zurück und setzt dort ein, was ihr in späteren gelernt habt, wird Matterfall auf einmal zu einem wahnsinnig eleganten Spiel. Ihr werdet durch Gegnermassen dashen und springen wie junge Götter, ihr werdet die Gegnerhorden wie Domino-Steine umhauen und euren Multiplikator in schwindelerregende Höhe treiben. Gerade in solchen Momenten stellt ihr fest, wie viel ihr während des Spieles dazulernt, ganz ohne es zu merken. Das Spiel war mir im mittleren Schwierigkeitsgrad mit seinen vier Lebenspunkten in keinem Moment zu leicht, aber auch nie zu schwer. Einziger Nachteil: Ihr werdet relativ schnell besser und habt nach guten drei Stunden vermutlich alles von der Kampagne gesehen. Zudem enthält das Spiel einige etwas nervige Plattform-Sequenzen, die den ansonsten sehr angenehmen Flow unterbrechen. Und ein bisschen scheint es, als sei das Spiel dafür nicht gemacht - es ist eben ein Ballerspiel, kein neues Super Mario. Wovon übrigens auch der tolle Elektro-Soundtrack zeugt, der euch förmlich durch die Level peitscht. Diese Beats brüllen in jeder Sekunde: Mach's schneller, weiter, besser!
Matterfall zieht einen zugegebenermaßen nicht sofort in seinen Bann. Ihr braucht ein bisschen, bis ihr euch an die Steuerung gewöhnt habt. Ist das einmal geschehen, gibt es immer noch Stellen, an denen ihr euch durch Plattformer-Sequenzen ausgebremst fühlt - im Großen und Ganzen aber entwickelt das Spiel den typischen Housemarque-Schwung, dem ich mich nur schwer entziehen kann. Es ist einfach ein angenehmes Gefühl, Gegner reihenweise zur Explosion zu bringen, erst recht im Overdrive. 20 Euro mögen einigen für die drei Stunden, die ein einmaliges Durchspielen dauert, als zu wenig empfinden - ich finde allerdings, dass die Level auch danach nichts an ihrer Faszination verlieren. Matterfall beweist an dieser Stelle, dass die Jagd nach einem Highscore auch im Jahr 2017 noch Spaß machen kann.
Entwickler/Publisher: Housemarque/Sony Interactive Entertainment - Erscheint für: PS 4 - Preis: etwa 20 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PS 4 - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein