Skip to main content

Medal of Honor: Vanguard

Wo sind all die guten Spiele hin?

Mit dem Erfolg der Nintendo Wii hat wohl vorher kaum jemand gerechnet. Logisch, dass nun alle Publisher auf den fahrenden Zug aufspringen und zahlreiche Titel für die Konsole veröffentlichen. Dabei scheint der Wii allerdings das gleiche Schicksal zu blühen wie dem Nintendo DS im ersten Jahr: Viele Spiele, aber nur wenig gute. Ein paar gelungene sind sicherlich dabei, jedoch nur selten etwas großartiges. Electronic Arts' Wii-Projekte haben sich bisher jedenfalls kaum mit Ruhm bekleckert. Need for Speed: Carbon,SSX Blur sowie Tiger Woods PGA Tour 07 bekamen von uns gerade mal sechs Punkte. Einzig Madden NFL 07 sticht dank seinen acht Zählern noch aus dem Durchschnitt heraus.

Jetzt versucht es Electronic Arts mit dem Shooter-Genre und bringt Medal of Honor: Vanguard auf die Wii. Doch seit dem grandiosen Allied Assault befindet sich die Reihe gnadenlos auf dem absteigenden Ast. Vanguard zeigt leider ebenfalls recht deutlich, dass dieser Trend weiter anhält. Die Medal of Honor-Reihe ist nun am ihrem vorläufigen Tiefpunkt angelangt.

Nichts Neues an der Front

Die von den Deutschen besetzte Brücke muss natürlich befreit werden.

Abgesehen von der Zweiten Weltkrieg-Thematik gibt es keinerlei echte Hintergrundgeschichte. Die Entwickler von Electronic Arts sollten sich mal an der Serie „Band of Brothers“ oder anderen Filmen ein Beispiel nehmen und etwas mehr Kreativität zeigen. Stattdessen kämpft Ihr Euch nacheinander durch vier verschiedene Feldzüge: Operation Husky, Operation Neptun, Operation Market Garden sowie Operation Versity. Husky und Versity verschlagen Euch mit jeweils zwei Einsätzen nach Sizilien beziehungsweise Deutschland. Neptun und Market Garden bieten immerhin drei Missionen pro Kampagne in der Normandie und den Niederlanden. Macht zusammengezählt also gerade mal zehn Aufträge. Vielleicht denkt Ihr es Euch jetzt „Na, dann gestalten die sich sicherlich sehr ausführlich“. Wäre schön, ist aber leider nicht so. Nach höchstens sechs bis sieben Stunden flimmern bereits die Credits über den Bildschirm.

Inhaltlich laufen die Einsätze nach gewohntem Muster ab. Sämtliche Gegner aus dem Weg räumen, eine Stellung erobern, Flak sprengen, Tiger erledigen und so weiter – die Reihenfolge ist beliebig austauschbar. Wirkliche Neuerungen gibt’s nicht. Generell fehlt es dem Spiel - bis auf vier Stellen - an Erinnerungswürdigen Höhepunkten. Dazu zählen unter anderem die Fallschirmabsprünge zu Beginn von drei der vier Operationen. Euren Charakter könnt Ihr während des Absprungs sogar begrenzt selbst steuern und dabei Verstecke finden, an denen beispielsweise eine Waffe auf Euch wartet. Im Falle einer MP 40 ist das aber wiederum kein wirklich sinnvoll verstecktes Schießeisen, denn Gegner lassen diese ebenso ziemlich oft fallen. Die größte Schlacht findet sich abschließend am Ende. Hier geratet Ihr von allen Seiten unter heftigen Beschuss.

Stirb, du dreckiger Rauch!

Gelegentlich glänzt das Spiel auch mit kleineren Logikfehlern. Am Ende einer Mission lauft Ihr etwa mit einer MP 40 eine Straße entlang und vollendet damit den Einsatz. Kurze Ladepause und weiter geht's. Die nächsten Szenen schließen direkt daran an. Aber Moment mal, wo ist meine MP 40? Stattdessen hält der Protagonist nun eine Thompson Maschinenpistole in den Händen. Heutzutage sollte es doch kein Problem sein, dass sich ein Spiel solche Kleinigkeiten merkt. Störend wirken zuweilen ebenfalls die recht schnell verschwindenden Leichen Eurer Gegner. In einer kleinen Zwischensequenz steht Ihr zum Beispiel in einem Graben und beobachtet, wie Eure Kameraden gerade mehrere flüchtende Feinde über den Haufen ballern. Einige davon fallen herunter und lösen sich teilweise noch währenddessen in Luft auf. Apropos Kameraden. Wie in Call of Duty seid Ihr diesmal meistens mit mehreren eigenständigen Begleitern unterwegs. Somit kommt man sich deutlich weniger als Rambo vor wie es noch in früheren Spielen der Medal of Honor-Reihe üblich war.

Für Bastler gibt’s hier und da außerdem noch ein paar versteckte Waffenupgrades. Sobald Ihr die kleine Tasche aufhebt, wird das Extrateil automatisch an einem vorgegebenen Schießeisen angebracht. Am nützlichsten ist dabei wohl das Zielfernrohr für die M1 Garand. Ansonsten hält sich der Nutzen allerdings in Grenzen. Zudem funktionieren die Upgrades lediglich mit den Waffen der Alliierten.

Port me if you can

Bei einem Wii-Test darf natürlich ein kritischer Blick auf die Steuerung nicht fehlen. Die Kontrolle mit Wiimote und Nunchuck ist den Entwicklern durchaus gelungen. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase räumt Ihr die Gegner bereits ohne größere Probleme aus dem Weg. Mit der Wiimote bewegt Ihr das Fadenkreuz dabei bequem über den ganzen Bildschirm. Sobald Ihr an den Rand gelangt, dreht sich Euer Charakter in die entsprechende Richtung. Abgesehen davon könnt Ihr noch über Kimme und Korn zielen, knien, kriechen, springen oder dem Gegner per Gewehrkolben eine dicke Beule verpassen. Granaten werft Ihr, indem Ihr das Ziel anvisiert, die B-Taste gedrückt haltet und mit der Wiimote einen Wurf nachahmt.

In engen Gassen lauern die Gegner fast an jeder Ecke.

Ein eigenständiges Tutorial ist nicht integriert, macht aber nichts. Sobald eine Funktion das erste Mal benutzt wird, legt das Spiel eine kleine Pause ein und zeigt Euch den Bewegungsablauf anhand von Bild und Text. Wenn Ihr die dort aufgeführten Aktionen jeweils einmal erfolgreich durchführt, geht’s auch schon wieder weiter. Alternativ lässt sich diese Hilfestellung einfach per Druck auf die Minus-Taste überspringen.

Grafisch kann Medal of Honor: Vanguard bis auf wenige Ausnahmen leider kaum überzeugen. Die einzelnen Level sind streng linear und bieten hauptsächlich vorgegebene Wege sowie künstliche Abgrenzungen. Gerade bei kleineren Zäunen wirkt das jedoch eher lächerlich als realistisch. Hübsch anzusehen sind hingegen die Effekte und vor allem die Fallschirmabsprünge, bei denen sich neben zahlreichen Soldaten auch ebenso viele Flugzeuge in der Luft befinden, miteinander kollidieren oder abstürzen. Der Rest der Umgebung weist keine Besonderheiten auf und wirkt einfach nur wie eine schlichte Umsetzung der PS2-Version. Besonders schlimm ist übrigens das unscharfe beziehungsweise verschwommene Sichtfeld. Speziell in dunklen Abschnitten fällt dies äußerst negativ auf. Vielleicht wollten die Entwickler damit zeigen, dass der Soldat bei wenig Licht nicht gut sieht. Anders ist es wohl kaum zu erklären, zumal es sich bei Tageslicht weit weniger bemerkbar macht. Am Fernseher kann es jedenfalls nicht liegen, denn andere Titel funktionieren diesbezüglich einwandfrei.

Der orchestrale Soundtrack klingt gewohnt ordentlich und passt relativ gut zu den Gefechten. Die Menümusik wurde allerdings definitiv schon in Medal of Honor: Allied Assault verwendet. In Sachen Vertonung sprechen die Amerikaner wieder mal perfektes Deutsch. Komischerweise gibt es bei vielen Szenen mit deutschen Soldaten allerdings noch Untertitel - ebenfalls übersetzt. Anscheinend ein Überbleibsel der englischen Fassung, wo die wichtigen Kommentare der Nazis mit Untertiteln verständlich gemacht wurden.

Einen Onlinemodus sucht Ihr auch in Medal of Honor: Vanguard vergeblich. Mit bis zu drei weiteren Teilnehmern dürft Ihr Euch aber in der Splitscreen-Variante gegenseitig die Kugeln um Eure Ohren schießen.

Was soll man da noch großartig sagen? Kurz zusammengefasst: Medal of Honor: Vanguard ist zu kurz, bietet wenig Abwechslung, kaum Neuerungen und unterdurchschnittliche Grafik. Solche Dinge machen das Spiel leider nur zu einer lieblos wirkenden Umsetzung für Nintendos Konsole. Trotz seiner Mankos bereiten die Gefechte an sich durchaus Spaß, aber alleine dafür 55 Euro investieren? So dumm sollte wirklich niemand sein. Electronic Arts' einstiges Zugpferd ist deutlich ins Stolpern geraten. Meine Hoffnungen ruhen auf Medal of Honor: Airborne, das der Serie hoffentlich dringend nötiges neues Leben einhaucht. Vanguard ist jedenfalls NUR für beinharte Fans interessant.

Medal of Honor: Vanguard ist seit dem 29. März für Nintendo Wii und PlayStation 2 erhältlich.

5 / 10

Schon gelesen?