Medal of Honor
Zurück an die Front
Mit lautem Knallen schlagen kleinere und größere Geschosse des Gunships auf der Straße ein, zerfetzen die Trucks regelrecht und lassen sie in einem Feuerball verglühen. Auch hier spürt man jeden einzelnen Einschlag dank des ordentlichen Basses am eigenen Körper.
Exakt so geht es weiter, wenn auch weitaus näher als es einem eigentlich lieb sein könnte. Die Gruppe nimmt sich eine Gegnerstellung in der Nähe einiger Häuserruinen vor, während nur wenige Meter weiter vorne die AC-130 ihre explosiven Grüße vom Himmel regnen lässt. Inmitten dieses Chaos stürmen Feinde nach vorne, haben aber auch hier in der Dunkelheit keine große Chance gegen die gut ausgerüsteten Agenten, die mit Nachtsicht und Schalldämpfer nicht noch unnötig auf ihre Positionen aufmerksam machen.
Die Gegend scheint sauber, also marschiert Farrelly weiter durch einen Graben. Aber falsch gedacht. An einer Ecke taucht plötzlich ein Widersacher auf, schlägt den Hauptcharakter zu Boden. Mit leicht verschwommenen Blick sieht man noch, wie er etwas Unverständliches vor sich hin brüllt, das Sturmgewehr zückt und es einem vor die Nase hält. Keinen Augenblick zu früh, kurz bevor er abdrücken kann, erschießt ihn glücklicherweise einer der Kollegen – im wahrten Sinne des Wortes im allerletzten Moment. Blut spritzt an den Bildschirm, während der zuvor noch quicklebendige Kontrahent tot neben einem auf dem Boden aufschlägt. An seiner Schläfe klafft ein Einschussloch, seine leblosen Augen blicken einen an. Kurz verweilt der Recke am Boden, wischt sich das Blut aus dem Gesicht und rafft sich wieder auf.
Und damit endet die Präsentation. Leider. Es bleibt der Eindruck eines spannenden und zugleich actionreichen Levels, auch wenn man noch längst nicht alles gesehen hat. Das Gameplay funktioniert augenscheinlich so unkompliziert und folgt bekannten Mustern, wie man es sich bei so einem Spiel vorstellt. Wirklich ins Detail gehen die Macher an diesem Tag jedoch nicht. Selbst die Frage, ob man denn auch mit Medal of Honor 60 Frames pro Sekunde anstrebt, wollte man nicht kommentieren. Zumindest erweckte das Spiel aber durchaus den Anschein, dass dies der Fall ist. Man sollte aber auch bedenken, dass sich hier noch einiges ändern kann. Die gezeigte Fassung war noch im Alpha-Stadium, was man insbesondere an den noch relativ unspektakulären Platzhalter-Explosionen sehen konnte.
Zugegeben: Ich persönlich musste schon regelmäßig an Modern Warfare denken, was auch an der ähnlichen Optik liegen mag. Farrelly versichert aber, das es genügend Unterschiede gibt und man nach dem Erfolg der Konkurrenz nicht einfach nur den Modern-Warfare-Weg geht. „Nein, das denke ich nicht“, sagt er. „Die Entscheidung wurde sicherlich schon getroffen, bevor es überhaupt auf den Markt kam.“ Entsprechende Überlegungen gab es seinen Angaben zufolge schon direkt nach der Fertigstellung von Medal of Honor: Airborne.
Überhaupt legt man großen Wert auf Authentizität, wie es auch bisher in der Serie der Fall war. Auf das doch schon eher arcadeartige Gameplay von Modern Warfare angesprochen, antwortete Farrelly: „Wir glauben, das ist der größte Unterschied von diesem Spiel zu dem anderen.“ Man will es möglichst realistisch halten und keine Inszenierung im Hollywood-Stil verfolgen. Ähnliches gilt auch für ständig respawnende Gegner, bis man einen bestimmten Punkt erreicht hat. Farrellys Aussagen zufolge kann man damit wohl nicht rechnen, obwohl er auch nicht allzu sehr darüber plaudern wollte. „Wir sind insbesondere davon keine großen Fans“, heißt es. Das lässt zumindest hoffen.
Was wirklich hinter dem Gameplay des neuen Medal of Honor steckt, lässt sich anhand der rund halbstündigen Präsentation noch nicht wirklich einschätzen. Zumindest der gezeigte Ausschnitt bot eine ausgewogene Mischung aus Schleichpassagen, sekundengenau abgestimmten Angriffen, größeren Gefechten und actionreichen Szenen, ohne dabei jedoch in das typische Modern-Warfare-Muster mit massenhaft Gegnern zu verfallen. Sofern man genau darauf Wert legt und die Entwickler das halten, was sie andeuten, dürftet ihr hier vermutlich glücklicher werden als bei der direkten Konkurrenz. Aber wie gesagt, für ein wirklich konkretes Urteil ist es zu früh beziehungsweise hat man dafür zu wenig gesehen und es nicht mit den eigenen Händen spielen und erleben können. Vom nicht gezeigten Multiplayer-Modus, um den sich ja bekanntlich DICE kümmert, ganz zu schweigen.
Nichtsdestotrotz halte ich Medal of Honor nach diesem ersten Eindruck für äußerst vielversprechend, die dreijährige Pause scheint der Reihe gut getan zu haben. Genug Zeit, um seine Kräfte zu sammeln und einen Angriff auf den Verkaufszahlen-Primus des Genres zu starten. Da sich sowohl EALA als auch DICE größtenteils auf ihren Part des Spiels konzentrieren, könnte Medal of Honor wirklich groß werden. Insbesondere dann, wenn man im Multiplayer auf die Stärken der dort verwendeten Frostbite-Engine setzt, nämlich weitläufige Karten, Vehikel und zerstörbare Gebäude. Hoffentlich aber auch mit einer etwas längeren Kampagne als es zuletzt in Modern Warfare 2 der Fall war.
Medal of Honor erscheint voraussichtlich irgendwann zwischen Juli und September 2010 für PC, Xbox 360 und PlayStation 3.