Medal of Honor: Warfighter - Test
Eine Frage der Ehre: Kann Medal of Honor wieder zur Genrespitze aufschließen?
Zugegeben, mit der Überschrift der letzten Vorschau zu Medal of Honor: Warfighter - "authentische Kriegsführung" - habe ich mich vielleicht ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt. Dennoch bin ich weiterhin der Meinung, dass Electronic Arts' Shooter insgesamt ein realistischeres Spielerlebnis bietet, als die Konkurrenz aus dem Hause Activision, mit der er ja praktisch unweigerlich verglichen wird.
Und dabei beziehe ich mich noch nicht einmal auf das eigentliche Gameplay. Klar, auch Warfighter ist keine realitätsgetreue Militär-Simulation, die alles bis ins letzte Detail nachempfindet. Eine Pistole hat schon mal unendlich Munition, eure Begleiter sind immer mit Nachschub bei der Hand, trotzdem wirkt es auf mich nie so übertrieben wie ein Call of Duty. Und damit will ich Activisions Reihe nicht einmal schlechtreden. Ich finde es gut, dass Electronic Arts hier nicht einfach eine simple 1:1-Kopie davon anfertigt. Die Authentizität, die Bodenständigkeit von Warfighter, betrifft vielmehr die Geschichte und die einzelnen Missionen, die für mich einfach glaubwürdig rüberkommen. So mehr oder weniger könnten sie tatsächlich ablaufen. Kurz zusammengefasst: Es geht um einen Terrorfürsten aus dem Mittleren Osten, der sich große Mengen des Sprengstoffs PETN beschafft hat und selbstverständlich gedenkt, diesen bei Anschlägen auch einzusetzen. Mag vielleicht nicht sonderlich spannend klingen, ist aber gut umgesetzt worden.
Die Tatsache, dass die Testversion - wie vielerorts berichtet - recht spät eintraf und auch ein umfangreicher Day-1-Patch angeboten wurde, ließ zwar erst einmal Schlimmes vermuten. Im Endeffekt waren das aber Befürchtungen, die sich glücklicherweise recht schnell in Wohlgefallen auflösten. Ganz im Gegenteil: Bugs hielten sich in Grenzen. Ich kam lediglich zweimal nicht mehr aus dem Zoom-Modus meiner Waffe hinaus, was aber mit einem simplen Laden des letzten Speicherpunkts behoben werden konnte. In seiner Gesamtheit ist Warfighter ein unterhaltsamer Shooter, gleichermaßen intensiv und spannend erzählt, auch wenn sich die Geschichte erst Stück für Stück bis zum Ende hin zusammensetzt. Insbesondere der Anfang kann mit seinen diversen Schauplatzwechseln und Rückblenden ein wenig verwirren. Es gab da auch eine Szene, in der mir das Lachen über einen Kommentar eines der Soldaten wenige Sekunden später regelrecht im Hals stecken blieb. Zuweilen präsentiert sich Warfighter nämlich relativ schonungslos, aber nicht einzig um des Effektes willen, man nimmt es dem Spiel wirklich ab.
Gleichermaßen ist es Entwickler Danger Close gelungen, mit Warfighter nicht allzu sehr auf die Hurra-Patriotismus-Schiene abzudriften. Die Geschichte folgt wieder den bekannten Soldaten, wie Voodoo, Preacher und Mother, während Rückblenden und kurze Einblicke ins Privatleben ihr eine leicht persönliche Note verleihen. Überhaupt stellen die eher ruhigeren Cut-Scenes zwischen den Missionen ein angenehmes Kontrastprogramm zur übrigen Action dar. Es sind Momente, in denen man mal kurz zur Ruhe kommen kann, bevor einem wieder die Kugeln um die Ohren zischen.
Letzten Endes sollte man sich aber eben auch bewusst sein, dass Warfighter spielerisch nicht großartig viel anders macht. Es folgt überwiegend der bekannten Standard-Shooter-Formel. Ihr arbeitet euch durch Schlauch-Level - ich mag den Begriff nicht wirklich, ein Open-World-Spiel will es jedenfalls nicht sein -, und erledigt alle Feinde auf eurem Weg. So weit, so Shooter. Währenddessen müsst ihr stets aktiv die Deckungsmöglichkeiten ausnutzen - ein echtes Deckungssystem gibt es aber nicht -, denn schon ein paar gute Volltreffer der bösen Jungs fügen euch ordentlich Schaden zu. Und auch dann ist man nicht hundertprozentig sicher, denn dank Frosbite 2 kann selbst eure Deckung zerbröseln. Allerdings ist man hierbei nicht ganz konsequent. Mit der Engine wäre insgesamt viel mehr Zerstörung möglich gewesen, allen voran bei den Gebäuden, die sich meist nur in Einzelteile auflösen, wenn das Spiel es so vorsieht.
Ansonsten sind wie gesagt einige Deckungsmöglichkeiten zerstörbar, aber leider auch längst nicht alle, was sich etwa bemerkbar macht, wenn ein Gegner mal hinter einem scheinbar recht dünnen Objekt kniet und man ihn dennoch nicht trifft. Ebenso kann man etwa nicht durch die Ecken von Pfeilern schießen. Verschenktes Potenzial an dieser Stelle. Ebenso schade ist auch, dass ihr meist keine Möglichkeit habt, Feinde wirklich gescheit zu flankieren, indem ihr euch etwa in ein Haus auf der Seite abseits des offenen Schlachtfelds begeben würdet, während eure Kollegen das Feuer auf sich lenken. Aber okay, das ist noch zu verschmerzen. Auch so sind die Kämpfe intensiv und auch die wuchtige Soundkulisse trägt ihren Teil dazu bei.
Das gilt gleichermaßen für die Frostbite-2-Engine, die im Gegensatz zum Vorgänger nun auch die Singleplayer-Kampagne als Motor antreibt. Und das merkt man von der ersten Minute an, denn Warfighter sieht (auf dem PC, Konsolenversionen haben wir noch keine bekommen) wahrlich fantastisch aus, glänzt allen voran mit seinen detaillierten Charakteren, den toll gestalteten Umgebungen und einer allgemein knackscharfen Optik. Ob nun irgendwelche staubigen Terroristenverstecke, der größtenteils von Wasser überflutete und optisch eindrucksvolle Schauplatz auf den Philippinen oder ganze Städte, das alles hat man wirklich wunderbar umgesetzt. Auch die Farbgebung, die Beleuchtung und ähnliche Effekte tragen dazu bei, dass Warfighter gerade im Vergleich mit Call of Duty einen lebensnäheren, stimmigeren Eindruck hinterlässt.
Nicht fehlen dürfen dabei die Skriptsequenzen, die euch auf eurem Weg durch das Spiel begleiten. Das fängt schon gleich zu Beginn an, nachdem ihr eigentlich nur einen kleinen Truck sprengt, was aber wiederum eine Kettenreaktion auslöst und Sprengstoff in den Containern auf einem daneben befindlichen Schiff zur Explosion bringt. Die Folge: Es regnet regelrecht herumfliegende Container, gewaltige Kräne stürzen um und ihr seid mittendrin, versucht dem Chaos zu entkommen. Wenn man sein Spiel mit einem Knall eröffnen möchte, ist das ein gutes Beispiel dafür. Und verzeiht mir, wenn ich ein wenig ins Schwärmen komme, aber das alles sieht hier in dieser Optik einfach wirklich toll aus. Auf irgendwelche Quick-Time-Events verzichtete man dabei zum Glück.
Das alles entspricht nun größtenteils dem Standard-Shooter-Ablauf, große Innovationen solltet ihr nicht erwarten. Wie üblich schwingt ihr euch auch mal hinter ein Maschinengewehr oder absolviert eine kurze Scharfschützenabschnitt. Die obligatorische Helikopterszene, in der ihr ein Bordgeschütz bedient, darf ebenso wenig fehlen, wie die Nutzung eines Geschützes an einem Schlauchboot. Innovativ geht zwar anders, aber das macht es nicht wirklich schlecht. Nett ist die Idee, beim Durchbrechen von Türen die Art und Weise zu wählen, wie die Tür geöffnet wird. Ob man sie nun einfach eintritt, mit einem Tomahawk erst einmal den Türknopf abbricht oder sie einfach aufsprengt, macht spielerisch jedoch eigentlich keinen Unterschied. Es ist mehr ein Gimmick der Kategorie "nice to have", denn letzten Endes resultiert es immer wieder in einer typischen Zeitlupensequenz, in der ihr zwei bis vier Feinde ausschalten müsst. Ein wenig mehr Variation hätte dem Spiel hier gut getan und dieses Feature insgesamt in einem sinnvolleren Licht dastehen lassen.
Recht gut gefallen haben mir dagegen die Fahrzeugabschnitte. Etwa, wenn ihr mit einem gewöhnlichen Auto einem Terroristen durch die Straßen von Karatschi hinterherjagt oder bei Nachforschungen selbst verfolgt werdet, euch an anderen Verkehrsteilnehmern vorbei über die Schnellstraßen schlängelt und später ein wenig Verstecken mit euren Verfolgern spielt. Auch hier erwartet euch zwar keine über alle Maßen realistische Fahrphysik, aber es steuert sich weitaus angenehmer als in vergleichbaren Sequenzen, wie etwa aktuell in 007 Legends oder Resident Evil 6. Auch die Einbindung an sich ist gelungen, keine dieser Begebenheiten wirkt auf irgendeine Weise aufgesetzt oder unpassend.
Einer der Kritikpunkte am Vorgänger war unter anderem die KI. Auch hier hat Danger Close erfreulicherweise Fortschritte gemacht, zur Perfektion reicht es allerdings noch nicht. Eure Widersacher wissen, wie man euch das Leben so schwer wie möglich macht und versuchen, euch zu flankieren, stürmen mal nach vorne, wollen euch mit Granatwürfen aus der Deckung hervorlocken und können allgemein recht gut zielen. Während die Granatwürfe wirklich gezielt sind, wirkt manch andere Aktion dagegen schon ein wenig planlos. Ein guter Kämpfer würde nach vorne preschen, wenn sein Gegenüber gerade nachlädt, so geschickt sind sie dann aber auch nicht. Davon abgesehen gibt es hier und da mal kleinere Aussetzer, doch meist funktioniert das ganz ordentlich.
Ein geschicktes und vorsichtiges Vorgehen eurerseits ist in jedem Fall Pflicht. Wer sich sorglos in offenen Bereichen tummelt, sieht bald die Radieschen von unten. Eure KI-Kollegen stehen euch währenddessen hilfreich zur Seite, erledigen aber wiederum auch nicht die ganze Arbeit alleine, wenn ihr euch in eine stille Ecke hockt. Unschön: In einigen wenigen Situationen ging einer der Kameraden zu sehr auf Tuchfühlung und drückte mich somit aus der Deckung hinaus. Das sollte eigentlich nicht passieren, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass ihr recht schnell viel Schaden nehmen könnt. Wenigstens hat man sich dafür von der Idee der unendlichen (und dadurch allen voran nervigen) Gegnerspawns verabschiedet. Größter Knackpunkt der Kampagne ist natürlich wieder einmal die Spielzeit. Reine Solo-Spieler haben mit Warfighter nicht lange ihre Freude, sollten sich einen Kauf daher gut überlegen. Sechs, maximal acht Stunden werdet ihr lediglich damit beschäftigt sein.
Zum Rundum-Sorglos-Paket fehlt noch der Mehrspieler-Modus. Der umfasst natürlich mehrere Spielvarianten, darunter das standardmäßige Team Deathmatch. Nicht unbedingt der spannendste Spielmodus. Dann gibt es noch Sector Control, in dem ihr á la Battlefield Flaggenpunkte erobern und halten müsst. Natürlich alles in kleinerem Maßstab und ohne Fahrzeuge, soll ja schließlich keine Konkurrenz für das hauseigene Produkt werden. Im "Kampfeinsatz" müsst ihr drei Kontrollpunkte der Reihe nach in die Luft jagen, im "Krisengebiet" verhält es sich ähnlich. Nur dass bei Letzterem eine von fünf Positionen zufällig auserwählt wird und die Angreifer dann drei Minuten Zeit haben, um das Ziel zu sprengen. Schaffen sie das, bekommen sie einen Punkt. Sollte man insgesamt drei Ziele in Einzelteile zerlegen können, gewinnt man die Runde. "Homerun" ist schließlich eine CTF-Variante, in der die Angreifer sich eine von zwei Flaggen auf der Map schnappen und zu ihrer Basis zurückbringen müssen. In keiner der insgesamt zehn Runden gibt es Respawns und wenn man die Flagge zurückholt, bekommt man Punkte. Das gilt auch für die Verteidiger, wenn sie die Angreifer ausschalten. Nach fünf Runden werden die Seiten gewechselt und am Ende gewinnt das Team mit den meisten Zählern.
Alles in allem sind es sehr kurzweilige und vor allem schnelle Spielmodi, die sich besonders gut für eine Runde zwischendurch eignen. Der Aufbau der Karten ist gut und es gibt viele Abzweigungen, begehbare Häuser, Durchgänge und solche Sachen. Praktisch hinter jeder Ecke könnte daher ein Gegner lauern und ihr könnt euch nie sicher sein. Dementsprechend müssen sich in den aufgabenorientierten Spielmodi auch die Teams gut aufteilen, da die Feinde nicht lediglich über einen Weg kommen können. Gefördert wird das Teamplay auch ein wenig dadurch, dass man einen Buddy zugeteilt bekommt, das eigene Team besteht also quasi aus mehreren Zwei-Mann-Squads. Ganz praktisch, da ihr so auch direkt bei eurem Kollegen spawnen könnt, wenn dieser sich nicht gerade im Gefecht befindet. Ansonsten steigt ihr wie heutzutage üblich im Rang auf, schaltet neue Klassen, Waffen, Einzelteile, Tarnmuster, und so weiter frei. Motivierend und gleichzeitig belohnend. Alles in allem hat aber auch Warfighter nicht das Killer-Feature zu bieten, das den Multiplayer-Modus nun entscheidend hervorstechen lässt. Und in puncto Umfang steht man noch ein gutes Stück hinter der Konkurrenz in Form von Call of Duty, das einen hier mit seiner Vielzahl an Features fast schon erschlägt. Ein paar Wochen oder Monate kann man damit dennoch seinen Spaß haben.
Trotz anfänglicher Zweifel ob der spät eingetroffenen Testversion hat mich Medal of Honor: Warfighter dann doch eher positiv überrascht. Die Kampagne ist wieder mal wie üblich recht kurz, es mangelt ihr an echten Innovationen und man bekommt überwiegend bewährte Kost vorgesetzt, aber dafür ist sie gut und spannend umgesetzt worden. Das liegt nicht zuletzt auch an der Grafik liegt, die einige tolle Momente auf den Bildschirm zaubert. Obendrauf gibt es einen passablen Mehrspieler-Modus, der jedoch auch ziemlich standardmäßig ausgefallen ist und genaugenommen nur das Nötigste an Features mit sich bringt. Zusammengefasst: Warfighter erfindet das Rad nicht neu, verpasst ihm aber auch keine nennenswerten Dellen. Letzten Endes ist es wie immer Geschmackssache. Wenn euch Militär-Shooter sowieso schon zum Hals raushängen, wird auch Warfighter diese Meinung nicht ändern. Hat bei euch diese Sorte Kriegsmüdigkeit noch nicht eingesetzt, werdet ihr hier gut unterhalten.