J! Megazone 23 - Blue Garland

Nehmt mal einen Anime-Film. Zum Beispiel Megazone 23. Gut, das ist eine 4er-Serie und noch dazu eine von 1985, die hierzulande bestenfalls unter Geheimtipp zu verbuchen ist. Vielleicht nicht das beste Allgemeinbeispiel, aber hier natürlich prädestiniert. Was ist jetzt die beste Art, diese als Spiel umzusetzen? Man könnte natürlich hingehen und das Ganze aufwendig in 3D nachbauen. Dann nimmt man komplexe Charaktermodelle und bastelt eine vielschichtige Mischung aus Actioneinlagen, RPG-Elementen, vielleicht sogar noch ein wenig MMO-Koop dazu. Das kostet natürlich ein paar Yen mehr, aber macht sicher Spaß. Oder man spart einfach, bringt eine Game-Graphic-Novel in die Läden und hofft auf die Fans.

Dieses Genre ist so japanisch wie es nur irgendwie wird und in Deutschland ungefähr so bekannt wie eben auch Megazone 23. In einfachen 2D-Bildern, teilweise trotzdem hübsch anzuschauen, wird die Geschichte erzählt. Die Figuren werden als praktisch nicht animierte Bilder gezeigt. Die Veränderungen in der Gesichtsmimik oder der Körperhaltung sind keine fließenden Bewegungen, sondern ein neues Bild. Dazu läuft unten der Dialog als Text durch. Gesprochen wird auch, aber das kann man ja wegdrücken, wenn man schneller liest.

Im Schnitt alle 10 Minuten wird es dann interaktiv. Jetzt heißt es zwischen fast generell drei Antworten auszuwählen. Das bisher Gesehene hilft euch abzuschätzen, wie euer Gegenüber auf eine dieser Antworten reagieren könnte. Oder halt auch nicht, weil die Erzähler sich irgendwas ausdachten, was kein Mensch kommen sehen kann. Gute Geschichten machen so was ja manchmal. Und dann geht ihr einfach mit dem Flow und guckt, was passiert. Das reizt ja auch zu einem weiteren Durchspielen, schließlich läuft ja nach anderen Optionen auch alles ein wenig anders ab.

Oder es reizt euch dazu, ein paar Mal mit den Schultern zu zucken, irgendwas anzuklicken und schließlich die BluRay dauerhaft aus dem Laufwerk zu entfernen. Verstehen tut man als Durchschnittsweltbürger ohne Japanischkenntnisse hier eh nichts. Megazone 23 ist komplett in Japanisch.

Und wenn ihr das jetzt mit dem eben beschriebenen Ablauf zusammen addiert, kommt ihr schnell dahinter, wie viel Chancen ihr habt, das Ganze sinnvoll zu spielen. Hm, Schneeball in der Hölle hatten wir schon oft. Wie wäre es mit einem ersten Platz für Deutschland im Song Vision Contest? Abgedroschen. So viele Chancen wie ein Kaninchen auf der Puma-Insel? Kommt ungefähr hin.

Um zumindest mit den Gesichtern was anfangen zu können und nicht völlig ratlos im Regen zu stehen, guckte ich mir die etwa vier Stunden der Animeserie Megazone 23 an und muss sagen, dass ich es schade finde, nicht an das Spiel herankommen zu können. Eine ansprechende Mischung aus Matrix, Hi-SciFi, Transformers-Motorädern und viel mystisch verbraseltem Quatsch, der fast Sinn macht, erfreut den geneigten Neon-Genesis-Evangelion–Liebhaber. Wer hätte gedacht, dass die Leute hinter Gundam und Dirty Pair auch was Vernünftiges auf die Beine stellen. Klar, die Qualität ist sehr mitt-80, aber der Inhalt reizt und auch der Stil war vor allem für seine Zeit mit zumindest an die Wirklichkeit angelehnten Gesichtern noch ungewöhnlich.

Auf der PS3 in HD wirkt das alles natürlich höher aufgelöst, aber deshalb nicht weniger rückständig. Auch im Anime-Business vergingen 20 Jahre und die simplen 2D-Bilder reizen keinen Neueinsteiger ohne Kenntnisse des Vorbilds. Diese können sich höchstens und minimal für die Roboterkämpfe erwärmen. Habt ihr hier auf harte 3D-Fights jenseits der Sprachgrenze gehofft, dann könnt ihr die Erwartungshaltung allerdings gleich wieder runterschrauben.

Wer sich an Rise of the Robots aus dem Jahr 1994 erinnert, kennt die Qualität der Render-Roboter in Megazone und diese hier steuert ihr nicht direkt. Um dieses Wort mal sehr lose zu gebrauchen, nennen wir den Ablauf rundenbasiert. Ihr wählt auf einem übersichtlichen Arsenal eine Waffe wie Faust oder Sturmkanone aus, legt mitunter noch die Angriffsstufe fest und schon wird eine primitive Animation abgespult.

Hitpoints werden abgezogen, es geht hin und her und zum Schluss gibt’s Erfahrungspunkte. Die simpelste Form des J-RPG ohne Finessen und Extras. Euer Roboter levelt zwar irgendwie auch, nur habt ihr darauf praktisch noch weniger Einfluss als auf den Ablauf des restlichen Spiels. Und schon da ist das wirklich nicht so gewaltig viel.

J! - Allgemeine Hinweise zu Megazone 23

Der einzige Tipp, den ihr als des Japanischen unkundiger Europäer braucht: Finger weg von Megazone 23 – Blue Garland. Es gibt keine FAQs, Lösungshinweise, und selbst wenn ihr doch was findet, bringt euch das zum Verständnis nicht wahnsinnig viel. Sicher, ihr könnt euch wild durchklicken und das Beste hoffen. Die Roboterkämpfe sind mit Leichtigkeit zu bestehen und kein zu tief gestaffeltes Menü wird sich euch in den Weg stellen. Nur was bringt euch das. Hier gibt es praktisch nichts zu spielen, dafür viel zum Zugucken, zum Hören und zum Lesen. Und in einer fremden Sprache sorgt das für einen seltsamen desinteressierten Frust ohne Spaß-Nährwert.

Die Wertung von Megazone 23 – Blue Garland zu vergeben, fällt gleichzeitig leicht und schwer. Natürlich ließe sich gewandt anführen, dass ich ja nur in groben Zügen verstand, worum es hier ging und was ich tat. Auf der anderen Seite konnte ich das auf der spielerischen Seite aber ganz gut nachverfolgen. Und ein paar Antworten, ein minimales Kampfsystem und ein Optionsmenü sind für mich nun wirklich nicht der interaktiven Wahrheit letzter Schluss. Das hier ist eine uninspirierte, schlicht billige und technisch rückständige Aufarbeitung einer netten Animeserie. Der geneigte Über-Fan kann sich das gerne antun, aber selbst wenn für euch die Sprachhürde keine Rolle spielen sollte, investiert besser in die DVDs. Deren Menüs sind fast so interaktiv wie das gesamte Spiel zu Megazone 23.

Sprachkundige und/oder Megazone-Fans dürfen die Wertung verdoppeln. Über eine 4 geht es aber auch nicht hinaus, wenn beides auf euch zutrifft.