Meine Woche in Aion – Tag 2
Zeit für eine ausgiebige Tour durch Pandämonium – leider zu Fuß
Hier lest ihr über die Ereignisse des ersten Tages mit Aion.
Neun Stufen lang dümpelte mein Held im Anfänger-Gebiet von AION herum. Neun Stufen ödes, konventionelles Gameplay aus der finstersten Asia-Grinder-Retorte. Doch dann erreichte ich Level 10 und endlich legen die Macher den Schalter um. Mein Magier ist jetzt ein Beschwörer. Ich kann ein Feuer-Elementar rufen. Ich darf den Flüsterchat benutzen. Die Asmodier-Hauptstadt Pandämonium betreten. Berufe erlernen. Ein Eichhörnchen folgt mir auf Schritt und Tritt. Ich kann fliegen. Das Eichhörnchen fliegt auch. Und plötzlich macht mir AION Spaß. Bin ich so anspruchslos? Ich muss zugeben: Ja. Jetzt schon. Liegt vermutlich am tristen Einsteiger-Bereich.
Perfide, wie jene erste Hürde das restliche Spiel aufwertet. Vorher war ich ein mickriger Botenjunge für eine Banditen-Bande. Nachher bin ich ein unsterblicher Engel auf göttlicher Mission. Was für ein Kontrastprogramm! Und ich fühle mich tatsächlich mächtiger. Und unterhalten. Wurschtegal, dass die Quests in den nächsten Tagen vermutlich nicht viel abwechslungsreicher werden als zuvor. Banditenbote. Himmelsbote. Nur auf dem Papier ein Karrieresprung.
Die neuen Flügel haben zudem ihre Tücken. Ich kann nur eine Minute in der Luft bleiben, bevor ich wie ein Stein zu Boden stürze. Und meine Fluglizenz gilt nicht für alle Bereiche. Nicht einmal für Pandämonium. Das muss man sich mal vorstellen: die Hauptstadt der dunklen Engel, aber keiner darf seine Flügel benutzen. Nicht einmal zum Fenster putzen. Welcher sadistische Bürokrat hat denn sowas verbockt? Aber was soll's? Meine gute Laune trübt das nicht. Immer noch besser als zehn weitere Level Anfänger-Folter abreißen zu müssen.
Ein Engel auf Erden - wider Willen
Und so schlendere ich als frisch gebackener Daeva per Pedes durch die Straßen von Pandämonium, nachdem ich in einer feierlichen Zeremonie in die Gemeinschaft der Asmodier aufgenommen wurde. Passend zur Weihnachtszeit haben die Entwickler die Straßen mit Kränzen und Christbäumen geschmückt. Sogar Weihnachtslieder dudeln aus meinen Boxen. Jingle Bells, Stille Nacht - das volle Programm. Solorius-Fest nennen sie das hier.
Ein Blick auf die Info-Tafeln, die überall als Wegweiser hängen, lässt mich erahnen, wie viele Features AION zu bieten hat. Von den meisten hatte ich bislang keine Ahnung. Händler für alle erdenklichen Waren, Ausrüstungen, Waffen und Panzerungen. NPCs, die mein Aussehen komplett verändern - sogar eine Geschlechtsumwandlung ist möglich. Bankschließfächer, Auktionshäuser, Waffenfusion, Teleporter, Fertigkeits-Trainer, Emote-Händler, Accessoires, Legionsgründung - ihr sucht es, Pandämonium hat es.
Die Berufe zum Beispiel. Da gibt es Alchemisten, Waffen- oder Rüstungsschmiede, Handwerker, Schneider, Köche oder Möbelschreiner. Mit Stufe 10 darf ich bei den Meistern im 'Tempel der Handwerker' für schlappe 3457 Goldstücke diverse Professionen erlernen und per Quests und Arbeitsaufträgen meine ersten Muster verdienen. Das Crafting verläuft nach dem für AION typischen „Zwei-Balken-Schema“. Eine Leiste repräsentiert Erfolg, die andere Scheitern. Nur wenn der Erfolg die Nase vorn hat, gelingt eure Aktion. Welcher der beiden Balken sich zuerst füllt, bestimmen eure Werte hinter den Kulissen und Kollege Zufall. Ähnlich funktionierte das Sammeln von Ressourcen im Anfänger-Gebiet. Wobei ich schon verblüffend fand, dass sich jemand zum Erzschürfen qualifiziert, indem er vorher zwei Dutzend Blumen pflückt. Aber Schwamm drüber - schließlich versuche ich die Einstiegs-Tortur zu verdrängen. Also mache ich mich probehalber ans Craften. Allein die Werkbänke für die Möbelherstellung in Aktion zu sehen ist das Gold wert. Kreissägen, Hämmer, Feilen schweben fleißig über dem Tisch, während ich mein erstes Holzregal bastle. Die Schweden können einpacken. Möbel, von Engeln mit heiliger Hand geschreinert? Das kann man wohl kaum überbieten.
Im Übrigen fällt mir auf, dass die NPCs in Pandämonium durchaus unterhaltsame Dinge zu erzählen haben. Gestern ging mir die Textflut im Einsteiger-Gebiet auf den Senkel, doch die Beförderung zum Engel hat meine Laune soweit gehoben, dass ich mir sogar ein paar Dialogfenster von Nicht-Quest-NPCs durchlese, die überall in der Hauptstadt abhängen. Und siehe da: der Funke springt über. Zum Beispiel gibt es dieses philosophische Quartett im Crandale-Bezirk. Während mich der eine Denker als strahlendes Beispiel für Entschlusskraft und majestätische Haltung preist, spricht mir die Philosophin der Runde sämtliches Interesse an Moral, Intellekt und dem Sinn des Lebens ab. In der Taverne Apellbine sind die Säufer nicht minder eloquent. "Starker Schnaps, starke Flügel" fasst eine junge Dame ihren Standpunkt in griffigen Worten zusammen. Anderswo erzählt mir eine Gelehrte von ihrer bemerkenswerten Begegnung mit einer alten Frau, die ihr die Nutzlosigkeit von lexikalischem Wissen vor Augen geführt hat. Und das ist nicht die einzige Geschichte mit Tiefgang. Überall gibt es Sänger, Dichter, Wachen, Handwerker, Händler und Bürger, die ein paar interessante Anekdoten in Petto haben. Wer eine erprobte Lesebrille sein Eigen nennt und Geduld mitbringt, wird hier so manchen Schwank mit Augenzwinkern lesen. Trotzdem wünschte ich mir, dass NCSoft etwas mehr von dem Spiel vertont hätte. Nicht immer hat man Bock, sich mit der Machete durch solche Textdschungel zu kämpfen.
Himmlische Haustiere und Hausbesuche
Ich flaniere weiter und lande bei den so genannten Miol-Händlern. Diese Gesellen mit puritanischem Spitzhut und Zoo im Schlepptau sind in AION für die Haustiere zuständig, den Miols (welch Überraschung). Solche Viecher stellen nicht nur einen prima Tamagotchi-Ersatz dar, wollen gepflegt und bespaßt werden und sind bisweilen launisch wie Teenager, sie erfüllen sogar einen praktischen Zweck. Mal bringen sie euch Geschenke, wenn sie zufrieden sind, Mal dienen sie als Packesel oder produzieren etwas für euch. Die Miol zu motivieren kann durchaus anstrengend werden: Sind die Kleinen erst beschworen, wollen sie alle zehn Minuten beachtet werden. Ansonsten ignorieren sie euch. Ich bekomme zwar in einer Quest ein Ribbit-Ei, entscheide mich aber angesichts meines prall gefüllten Goldsäckels dafür, stattdessen ein Kirca zu kaufen und auszubrüten - das kleine Eichhörnchen, das ich eingangs erwähnte.
Die Wohnung vermittelt einen guten Eindruck von den Möglichkeiten des Player-Housing. Sitzmöbel, Werkbank, viel Deko - alles sehr ansehnlich.
Bei den Interaktions-Animationen zwischen Engel und Tier haben die Macher weniger auf Authentizität Wert gelegt als auf eine möglichst Diabetes-fördernde Inszenierung im putzigen Cartoon-Stil. Mein Eichhörnchen versprüht zum Beispiel Herzchen, planscht mit Blubber-Blasen, spielt Seilhüpfen oder rennt auf einem Laufband. Goldig. Sofern ihr einen stabilen Magen habt. Ich mag das kleine Fellknäuel eher trotzdem als deswegen, würde mir aber einen optionalen Killer-Modus wünschen oder ähnliches. Fass, Eichhörnchen! Schnapp dir die bösen Buben!
Mit dem Haustier im Schlepptau und ein paar Quests im Journal mache ich mich auf den Weg in mein erstes Einsatzgebiet. Für Botengänge und Entdeckungstouren in Pandämonium ist schließlich auch später noch genügend Zeit. Die Reise führt mich nach Altgard, einer kleinen Festung an einem Eis-See und Ziel diverser Monster und Invasoren. Das beste: Dort darf ich endlich meine Flügel benutzen. Vorher will ich aber noch in Pernon vorbei sehen. Das ist die Siedlung mit den Spieler-Häusern. Für irgendwas müssen schließlich die Regale gut sein, die ich vorhin gebaut habe.
Dank günstigem Teleport über die Vifrost-Brücke (575 Goldstücke? Ein Klacks!) stehe ich kurze Zeit später in der Siedlung. Und was soll ich sagen: schon wieder Flugverbot! Ein Jammer! Zu Fuß statte ich Kartenon, dem GM-Hausverwalter von Pernon einen Besuch ab. Ich hoffe natürlich, bald meine eigenen vier Wände zu beziehen. Sollen schließlich für Daeva gratis sein. Aber Ätsch! Die Häuser gibt es erst ab Stufe 21. Ich darf mich trotzdem schon einmal im Vorführ-Haus umsehen. Probesitzen, Inspiration sammeln und so. Tatsächlich vermittelt die Wohnung einen guten Eindruck von den Möglichkeiten des Player-Housing. Sitzmöbel, Werkbank, viel Deko - alles sehr ansehnlich. Quasi die Sims Light. Jetzt muss ich nur noch die passende Stufe erreichen. Also nix wie ab nach Altgard, ein paar Monster kloppen und zum ersten Mal die Flügel strecken. Level 21 und eigenes Haus - ich komme! Morgen lest ihr, wie es mir dabei ergangen ist.