Memento Mori 2 - Test
Realistischere Grafik ist nicht immer die bessere Wahl - die Ermittlungen stört es trotzdem wenig
Nennt mich konservativ, aber wenn es um Adventures geht, bin ich kein allzu großer Freund von Charaktergrafiken und Umgebungen, die die Realität zu imitieren versuchen. Studios wie Daedalic, mit ihrem markanten Zeichentrick-Stil, oder Pendulo, die zwischen Abstraktion und eindeutig als menschlich zu identifizierenden Figuren einen ansprechenden Mittelweg gehen, erzeugen bei mir einfach eine ganz andere Sogwirkung. Das liegt nicht daran, dass der tschechische Entwickler von Memento Mori 2, Centauri, technisch nicht sehr beschlagen wäre - das ist er sehr wohl, wie man anhand der durchaus ansprechenden Engine leicht sehen kann.
Tatsächlich sucht man hier mit zeitgemäßen Effekten und detaillierten Texturen und Spielumgebungen optisch die Nähe zu Uncharted und Co. Es schlägt nur leider wieder einmal der Uncanny-Valley-Effekt voll auf die Zwölf, sobald bei derart detaillierten Gesichtern und Figuren die Animationen nicht 100-Prozent passen. Und das tun sie einfach nicht. Nicht einmal zu 70 Prozent. Bei Entwürfen, die sich ganz bewusst der Realität entrücken, kann das sogar ein Bonus sein. Man erinnere sich nur an den windigen Verkäufer Stan aus der Monkey-Island-Reihe mit wirbelnden Armen und wild klapperndem Unterkiefer. Aber in MM2 hat man nie den Eindruck, das gesprochene Wort käme wirklich aus den Mündern der steingesichtigen Figuren und manchmal passen einfach Gesten und der körperliche Ausdruck nicht zur Situation.
Auch auf inhaltlicher Ebene gibt es einen vergleichbaren Effekt. Wenn Max und Lara an vielen Orten einfach Dinge einstecken, nur weil der Mauscursor anzeigt, dass man "darf" und der Gegenstand deshalb später noch von Bedeutung sein wird, dann entspricht das sicherlich gängiger Adventure-Logik. Wo aber andere Titel diese genrebedingte Langfingrigkeit mit flapsigen Sprüchen abtun können - Pirat, Tagedieb, Gefangener der Zeit -, steht diese zunächst grundlose Stehlerei ein bisschen im Konflikt mit dem realistischen Hintergrund, vor dem sich dieser Thriller mit Verschwörungselementen abspielt. Ähnliches gilt für ein paar arg konstruierte Problemstellungen, die man in der echten Welt mit einem einzigen Telefonanruf oder einen Gang in den örtlichen Baumarkt beseitigen würde, euch hier aber schon mal vor zwanzigminütige Kombinationsrätsel unterschiedlicher Trivialität stellen.
Viel davon ist sicherlich Geschmackssache, und auf rein handwerklicher Ebene macht Centauri an jeder Box das richtige Häkchen. Dass hier ist durch die Bank gehobene Rätselkost und wenn die Geschichte nach dem etwas müden ersten Akt erst einmal in Fahrt kommt, stimmen mit einem Mal auch Einsatz und Spannung. Sogar in einem Grad, der für Adventure-Spiele durchaus überrascht. Dann kommt auch die größte Stärke von Memento Mori in einem passenden Rahmen zum Tragen: Lara arbeitet für Interpol, weshalb sich ein ordentlicher Anteil der Rätsel aus Ermittlungsarbeit rekrutiert. Es mag auf dem Papier nicht besonders aufregend klingen, DNS-Spuren und Fingerabdrücke zu vergleichen, Akten zu wälzen und anschließend Power-Point-Präsentationen von Tatortbegehungen auf verpasste Indizien hin zu analysieren. Ist es aber eben doch, weit mehr als es die hier und da eingeschobenen gewöhnlicheren Adventure-Aufgaben sind. Hier kommt tatsächlich das Gefühl auf, man bearbeite einen mysteriösen und blutigen Fall und durch einen charakterlichen Twist, der einer der beiden aus dem Vorgänger bekannten Hauptfiguren widerfährt, steht der Spieler vor einer Kette interessanter Fragen, deren Beantwortung sich wie ein roter Faden durch das recht lange und oft nicht ganz einfache Abenteuer zieht.
Die Dialoge sind recht kompetent übersetzt, dem später recht düsteren Grundton angemessen und nur selten ein bisschen gestelzt. Die deutschen Sprecher klingen recht vernünftig, liegen klanglich aber eher "über dem Spiel", sie hören sich nicht an, als würden sich zwei Figuren in den detailfreudigen, aber etwas sterilen Umgebungen unterhalten. Auch wird ein bisschen zu sehr vom Skript abgelesen, wo man besser ein bisschen geschauspielert hätte. So wären einige Betonungsfehler - "Das ist der Grund, warum ich hier der Boss bin", anstatt "Das ist der Grund, warum ich hier der Boss bin." - zu vermeiden gewesen.
Unterm Strich ist Memento Mori 2 für Freunde geerdeter Schnüfflerei durchaus eine vorsichtige Empfehlung wert. Es ist definitiv nicht eins für alle: Es könnte es bisschen straffer sein, regelmäßig ein besseres Tempo gehen und das angedeutete Drama durchaus etwas entschlossener vermitteln. Auch hätte ich eine lebendigere, abstraktere Gestaltung dem etwas steifen Versuch des Fotorealismus vorgezogen. Am Ende ist diese Verschwörung aber doch ein eigenständiges, wenngleich nicht unbedingt besonders inspiriertes Erlebnis. Definitiv kein neues Baphomets Fluch, verkürzt es aber angemessen die Wartezeit auf dessen unweigerlich anstehendes Kickstarter-Revival.