Metal Gear Solid HD Collection - Test
Der Spion, den ich liebte
Die Metal-Gear-Solid-Reihe ist bis heute einer der schrägsten und unvorhersehbarsten Big-Budget-Produktionen überhaupt. Wie kein anderer tauscht Erfinder/Autor/Designer Hideo Kojima in einem unnachahmlich arhythmischen Dauerfeuer im Großen wie im Kleinen Ton, Thema und sogar Figuren aus, ohne - scheinbar - darüber nachzudenken. Ohne Unterlass lässt er sich neue Spielmechaniken einfallen, die mal mehr, mal weniger sinnig sind, und vergräbt wie ein manischer Osterhase Eastereggs im unendlich tiefen Erdreich seiner exaltierten Spionage-Fantasien. Manche attestieren ihm daher grenzenloses Genie, andere blanken, selbstverliebten Wahnsinn. Beide Seiten haben Recht.
Zu welcher Fraktion man sich auch zählen mag und ganz ungeachtet der Tatsache, dass Kojimas Art des beredten, allzu sprunghaften und teils regelrecht fahrigen Geschichtenerzählens in interaktionsbefreiten, aber spektakulären Zwischensequenzen mittlerweile überholt ist: Zu seiner Zeit war jedes der PS1- und PS2-Metal-Gears ein Titel, den man gespielt haben musste. Auch wenn selbst passionierte Mitschreiber ihren Geschichten nicht immer folgen konnten - MGS2, WTF!? - wurden hier doch zumindest im Ansatz immer wieder Themen aufgegriffen, die einem das Gefühl vermittelten, das Spiel nimmt einen für voll. Natürlich nur, um stets im Wechsel mit Sequenzen dargereicht zu werden, bei denen man sich fragen musste, mit welchem durchgeknallten Gundam-Fan-Fic-Schreiberling Kojima auf dem Weg, sein Manuskript in die Druckerei zu bringen, wohl zusammengerasselt war.
Dieses Sonderstatus ist sich auch Konami bewusst, weshalb man nun die Teile 2, 3 und Peace Walker in einer sehr habenswerten HD-Collection für PS3 und Xbox 360 zusammenschnürt, um auch die jüngste Generation von Spielern mit der Welt von Sold Snake vertraut zu machen. Einer Welt irgendwo zwischen megalomanischen Verschwörungstheorien, existenzialistischen Hin und Her und infantilem Quatsch. Und - nicht zu vergessen - mit mehr genialen bis debilen Gameplay-Einfällen, als sich selbst ein Peter Molyneux zu seiner größenwahnsinnigsten Zeit in seine Spiele zu quetschen getraut hätte. Diese Reihe ist wahrhaft einzigartig.
Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty
Wobei, wo ich hier gerade von der "Welt des Solid Snake" spreche - das stimmt so genau genommen nicht. Solid Snake selbst kommt im Grunde nur im etwa einstündigen eröffnenden Kapitel des zweiten Teils vor, um im Anschluss an eine der besten Filmsequenzen aller Zeiten erst Mal "Missing in Action" zu sein - und ausgerechnet für den deutlich weniger gestählten Blondschopf Raiden Platz zu machen. Vielleicht der kontroverseste Twist, den sich ein Spiel je leistete. Die anderen beiden in der HD-Sammlung enthaltenen Nachfolger, Snake Eater und Peace Walker, kommunizierten ihren Protagonistenwechsel, hin zum genetischen Solid-Snake-Vorläufer "Naked Snake", jedenfalls deutlich transparenter. Aber es war ohnehin nicht die Sorte Trick, die man sich zwei Mal leistet.
Direkt vom Start weg fällt auf, dass der mittlerweile über zehn Jahre alte Titel nicht besonders gut gealtert ist. Und das liegt nicht allein an der Grafik. Klar, die Texturen sind jahrgangstypisch flach, viele Figuren und Objekten nicht so detailliert ausmodelliert, wie man es mittlerweile gewohnt ist. Dank der sauberen und scharfen HD-Überarbeitung sowie der flüssigen 60 Bilder pro Sekunde der geübten Feinzeichner von Bluepoint Games (ICO & Shadow oft he Colossus Collection, God of War Collection II) erkennt man hier und da aber immer noch einige Highlights. Und die zeigen, die weit der Titel technisch seiner Zeit voraus war, etwa beim Bossfight gegen Olga Gorlukovich, als man eine erschreckend realistisch im Sturmwind flackernde Plane mit einigen Schüssen aus ihrer Verankerung löst. Auch die erstaunlich ausgereifte Beleuchtung sorgt immer mal wieder für angenehme Überraschungen.
Nein, das Alter nimmt man hauptsächlich wegen den festen, erhöhten Perspektiven und der hoffnungslos überalterten Steuerung wahr. Ich konnte die Tanker-Sektion dank milder Speedrun-Ambitionen damals beinahe blind spielen. Heutzutage stellen mich die leichtesten Manöver im ersten Anlauf vor unlösbare Aufgaben. Für das - noch immer toll aussehende - First-Person-Schießen muss man drei Tasten betätigen, in der Hocke darf man sich nicht bewegen und das Deckungssystem ist aus heutiger Sicht ein einziger Krampf. Oft macht man Dinge, die so nicht beabsichtigt waren und fühlt sich im Zwist mit all den zusätzlichen Systemen, die Kojima damals an den ersten Teil drantackerte. Nach einer langen Eingewöhnungszeit erwartet einen allerdings ein immer noch ziemlich originelles Schleichspiel mit beachtlichen spielerischen Möglichkeiten. Nicht alle sind großartig sinnstiftend, aber mir hat diese Zeitreise letzten Endes doch großen Spaß bereitet. Noch heute würde ich mir Spiele wünschen, in denen überraschte Wachleute sich mit einer plötzlichen Pistole unter der Nase davon überzeugen lassen, sich kampflos zu ergeben. Komisch eigentlich, dass das sonst niemand aufgegriffen hat.
Einige der filmischen Exzesse und Set-Pieces, die hier aufgefahren werden, hat Kojima später übrigens nie wieder so spektakulär hinbekommen. Da erträgt man auch die im hinteren Teil unglaublich verklausulierte und prätentiöse Geschichte, in die man alles, nichts aber irgendwie so richtig reininterpretieren kann.
Metal Gear Solid 3: Snake Eater
Deutlich reibungsloser gelang da schon die Wiederaufnahme meiner Spionagetätigkeit in Metal Gear Solid 3, nicht zuletzt, weil das Spiel hier in der tollen Subsistence-Edition feilgeboten wird. Die kam hierzulande zwei Jahre nach dem Original heraus und ergänzte dieses um eine frei um Snake herumdrehbare Kamera, die das Schleichen in den überwucherten Dschungel-Umgebungen deutlich übersichtlicher und intuitiver gestaltete. Auch der Übergang in die First-Person-Sicht erzeugt durch diesen Kniff nicht mehr den beinahe schmerzhaften perspektivischen Bruch des Vorgängers. Es steuert sich immer noch komplizierter als es müsste - Stichwort: "Ducken" - aber im Allgemeinen wird deutlich weniger an den Strippen eures Daumen-Hirn-Interfaces gezerrt.
MGS 3 hat vor allem aber die beste und - wenn man das so nennen kann - konsistenteste Geschichte, die sich Kojima je ausgedacht hat. Das Drama, Snakes Mentor und Mutterfigur "Big Boss" zur Sowjetunion überlaufen zu sehen, ist beinahe meisterhaft inszeniert, der daraus folgende Konflikt des eigentlich abgebrühten Vokuhilas macht ihn zu einer echt und ehrlich dreidimensionalen Figur. Wenn man am Ende den Fall gelöst hat, mit einem der bewegendsten und schönsten (und wohl auch buchstäblichsten) Bosskämpfe aller Zeiten im Rücken, ist man wirklich sprachlos. So einen Twist hat M. Night Shyamalan seit the Sixth Sense nicht mehr hinbekommen.
Optisch ist gewinnt der Titel vor allem durch die hohe Auflösung, die sich in der dichten Vegetation doch sehr bezahlt macht. Tatsächlich ist das Spiel immer noch ausnehmend hübsch und sehr detailfreudig. Auf spielerischer Seite fällt Kojima allerdings auch wieder ein bisschen auf die Nase, woran vor allem der Survival-Ansatz schuld ist. Das überkomplizierte Verarzten des Agenten, die Nahrungsaufnahme und das ständige Wechseln der Tarnung - die allesamt in einem Menübildschirm erledigt werden - sind beinahe unerträglicher Ballast auf den Schultern der sonst so cleveren Schleicherei. Das Spiel kommt hier stellenweise einfach komplett zum Stehen. Metal Gear Solid 3 bleibt dennoch der beste Teil der Reihe und ist auch heute noch jede Minute wert. Ein verdammt erinnerungswürdiges Erlebnis, dessen Handlung und Höhepunkte nicht nur lange nachhallen, sondern auch einige wirkliche Emotionen aus dem Spieler herauskitzeln.
Metal Gear Solid: Peace Walker
Hideo Kojima hat während der Entwicklung mal gesagt, dass dieser Titel genauso gut auch Metal Gear Solid 5 hätte werden können und dass er auf eine Nummerierung des Spiels nur wegen des Erscheinens auf einer portablen Plattform verzichtet hätte. Gut, dann wird Peace Walker eben jetzt, eineinhalb Jahre nach der Erstveröffentlichung auf der PSP zu Metal Gear Solid 5 - zumindest im Geiste. Und auch wenn Kojima darauf besteht, dass es sich hierbei nicht um ein Spin-Off handelt, sondern um einen vollwertigen neuen Teil, so sind die Unterschiede zu den Vorgängern doch durchaus drastischer Natur. Worum es sich im Einzelnen handelt, das würde hier den Rahmen sprengen, weshalb ich euch freundlichst an die umfangreiche Rezension verweise, die Martin seinerzeit verfasste. Peace Walker verwandelte jedenfalls die Not, auf einem Gerät mit nur einem Analogstick und weniger Tasten zu erscheinen, in eine Tugend und speckte das Steuerungs- und Schleichmodell etwas ab.
Mit dem zusätzlichen rechten Stick des Dual Shocks, der nun unterstützt wird, spielt sich das schnörkellos und auch modernen Standards genügend. Apropos moderne Standards: Dieses Spiel bringt als einziges der Sammlung 1080p auf die Waage, nicht dass ich das auf meiner alten HD-Ready-Glotze beurteilen könnte, aber Andere können das offenbar. Nicht nur bei der Steuerung hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, auch der komplette Ablauf der Reihe wurde auf Links gezogen. Der Titel ist regelrecht Koop-verliebt, missionsbasiert und liefert neben dem Schlachtfeld einige Betätigungsmöglichkeiten, etwa den Aufbau und das Management einer eigenen Armee. Die als Motion-Comic vorgetragene Geschichte erzählt unterdessen, wie es dazu kam, dass Big Boss zum Endgegner der ersten Metal-Gear-Episoden auf dem MSX und NES wurde. Als solches ist das Spiel trotz des Bruchs in der Inszenierung und des allgemein etwas weniger aufgeblasenen Spektakelfaktors für Fans des Universums ein unerlässliches Bindeglied, das dem beinahe 25 Jahre alten ersten Teil noch nachträglich einiges an Gewicht verleiht.
Was soll man zu so einer Sammlung noch sagen - außer, dass es schade ist, dass das erste Metal Gear Solid nicht mit dabei ist? Zugegebenermaßen wäre der Port des PSone-Originals ein Unterfangen, das deutlich schwieriger und umfangreicher zu bewerkstelligen wäre und die Rechte des tollen Gamecube-Remakes liegen weiterhin bei Nintendo. Schön wäre es aber trotzdem, dieses Spiel in zeitgemäßem Gewand zu erleben. Doch auch so hat diese HD-Neubearbeitung ihren Platz in eurem Regal verdient. Dieses Franchise ist wie kein anderes eine einzige Reihe nur schwer beschreiblicher Unikate, die sich manchmal selbst zu sehr ernst nehmen, manchmal zu wenig, aber nie weniger als faszinierend sind. Ein schöner Querschnitt durch die Historie einer der wichtigsten Serien der Videospiele-Neuzeit.
Die Metal Gear Solid HD Collection ist ab dem 3. Februar für Xbox 360 und PS3 erhältlich.