Metal Gear Survive - Test
Nanomachines, son!
Die Entwickler waren nicht zu beneiden. Auf dem Rücken einer der verehrtesten Spielewelten überhaupt ein Buzzword-gespicktes Service-Game zu errichten, nachdem ihr Rockstar-Schöpfer medienwirksam aus dem Unternehmen komplimentiert wurde ... nun, sagen wir mal, Metal Gear Survive war von Anfang an nicht gerade Material für die Shortlist der Videospiel-Spin-offs, denen die Fans mit der größten Vorfreude entgegensehen.
Ich will nicht mal behaupten, dass ich die Ankunft dieses Spiels nicht selbst mit eingezogener Birne und zugekniffenem Mund erwartet, beziehungsweise gefürchtet hatte. Von Anfang wirkte Metal Gear Survive etwas zu eilig und bequem. Wer 2018 noch händeringend nach noch einem Open-World-Crafting- und Survival-Spiel sucht, der hat die vergangenen fünf Jahre vermutlich keine spieletaugliche Hardware besessen. Und doch: Gut 30 Stunden mit dem Solo-Modus und ein paar im Multiplayer später ist doch ziemlich klar, dass das Spiel selbst die bissige "Wie-können-sie-nur"-Haltung eigentlich nicht verdient hat.
Das hier fällt nach eingehenderer Analyse klar in die Kategorie "hässliches Entlein". Auf dem Weg zum schönen Schwan ersäuft es fast das eine oder andere Mal selbst in flacheren Gamedesign- und präsentationstechnischen Pfützen und trägt viele bleibende Flecken und kahle Stellen davon. Aber am Ende kommt tatsächlich etwas mit Vision und - ja - auch ein bisschen (vornehmlich innerer) Schönheit zustande. Das Problem ist, im Hier und Heute gibt es so viele andere, vergleichbare Spiele, deren Schönheit man auf Anhieb sieht, ohne großartig zu schielen.
Auch macht es das Spiel selbst aufgeschlossenen Spielern unnötig schwer, zu seinen guten Stellen vorzudringen. Das unfassbar dröge und ausgedehnte erste Kapitel drückt einen durch drei bis vier unerfreulich ermüdende Stunden einer zugleich ereignisarmen und immens stressigen Findungsphase voller baldrianschwangerer Tutorial-Texte. Wer sich hier gleich wieder ausklinkt, dem kann man kaum einen Vorwurf machen. Und das, obwohl das Spiel recht bald danach schon sehr viel besser wird.
Die Geschichte sollte mittlerweile hinlänglich bekannt sein: Als am Ende von Ground Zeroes die brennende Mother Base ins Meer kippt, werdet ihr - ein namenloser Untergebener von Big Boss - durch ein Wurmloch in eine zombieverseuchte Parallelwelt gesogen, in der ihr Sammelt, Craftet und nach und nach eine Basis errichtet, in der sich andere Überlebende sammeln. Der grundlegende Zyklus ist einer aus Expeditionen, an deren Ende fast immer das Finden einer Speichereinheit oder die Verteidigung einer Anlage - Teleporter oder Wurmlochbohrer - steht und während derer ihr Werte wie Hunger und Durst im Auge behalten müsst. Gleichzeitig seid ihr angehalten, möglichst wenig eurer kostbaren Ressourcen zu verbrauchen.
Die Verteidigungen selbst ähneln denen aus Fortnite, allerdings sind die anrennenden Zombiegegner deutlich dümmer - sie wählen auf ihren Bahnen immer den kürzesten Weg, und schlagen auf von euch errichtete Barrikaden ein, anstatt die zwei Meter um sie herumzuschlingern. Das bedeutet auch, dass ihr hier selten elaborierte Basen oder fallengespickte Kill-Tunnel baut. Die Tools sehen es auch nicht vor, einzelne Elemente übereinander zu schichten. Ihr sollt nur eins: auf dem direkten Weg zum Missionsobjekt den Ansturm bremsen. Klar, Wachtürme und erhöhte Positionen gibt es auch, aber Munition ist für ausgedehnte Fernangriffe zu kostspielig zu craften. Wer wie ein Derwisch mit wirbelnder Lanze und - zur Not - abgesägter Schrotflinte auf der abgewandten Seite von Maschendrahtzäunen und Sandsackbarrikaden den Gegnermob ausdünnt, fährt im Grunde besser.
Ein bisschen vertraktere Verteidigungsaufbauten lohnen sich erst im Multiplayer, in dem man dasselbe macht wie im Hauptspiel, nur eben mit mehreren menschlichen Kollegen. Hier ist es sinnig, einen Spieler einen Großteil einer Runde für Übersicht spendende Callouts in einem Adlerhorst zu beordern und auch, um vereinzelte Feinde aus der Ferne auszuschalten. Aber selbst dann kann es passieren, dass irgendwo ein Wall bricht und man seine Position aufgeben muss, bevor der Turm einknickt. Wie immer macht der Mehrspielermodus noch einmal mehr Spaß, das Problem ist nur, dass ihr hier separate Missionen auf ausgelagerten, instanzierten Schlachtfeldern spielt, anstatt im Drop-in-Drop-out-Koop eure eigene Karte nach und nach zu erschließen. Eine vergebene Chance. Immerhin: Die Belohnungen für gewonnene Koop-Missionen sind recht lukrativ.
Aber ja, das ist Brot und Butter von Survive: Die Verteidigungen. Und sie machen tatsächlich Spaß, was nicht daran liegt, dass die Tools besonders ausgefeilt wären - sind sie wie gesagt nicht -, sondern weil Konami beim Design der Angriffswellen viel Fingerspitzengefühl beweist: Fast immer endet eine Verteidigung auf den letzten Millimetern Haltbarkeit des zu beschützenden Objekts, was erstaunlich spannend ist. Oder man baut Mist, und muss alles, im schlimmsten Fall auch die Anreise, weil man keinen Teleporter in der Nähe des Einsatzes freigeschaltet hatte, noch einmal spielen. Kam auch oft genug vor und war dann ... nun ja, auch angemessen ärgerlich. Irgendwann machte ich es zur Gewohnheit, das Gebiet um den Einsatzbereich nach abgeschalteten Teleportern zu durchsuchen und wurde meist fündig. Das Risiko besteht dann allerdings darin, dass man auch diesen beim Hochfahren unter beträchtlichem Mittelaufwand verteidigen muss, was ebenfalls in die Hose gehen kann.
Das klingt alles ein bisschen mühsam und das ist vermutlich auch die Grundstimmung für das gesamte Spiel. Survive nimmt den Überlebensfaktor hier und da ein bisschen zu ernst und wirkt stellenweise wie ein Babysittersimulator. Weil Hunger und Durst die maximale Gesundheit respektive die Ausdauer bestimmen, weil im die Basis umgebenden "Dust", in dem man kaum 20 Meter weit sehen kann, ständig der Sauerstoff knapp wird, und weil einen die von einer KI besetzte Einsatzzentrale immer wieder viel zu früh daran erinnert, dass man auf sich Acht geben sollte, kann Metal Gear Survive bisweilen auch ganz schön auf die Nerven gehen.
Passend dazu ist auch die Bedienung eine, der man ansieht, dass hier neue Dinge an eine bestehende Engine angetackert wurden. Dass MGS5 eher auf Schusswaffen ausgelegt war, sieht man daran, dass auch die hier so dominanten Nahkampfwaffen mit der linken Schultertaste erst kampfbereit gemacht werden müssen, dem Knopf, mit dem man normalerweise die Pistole zum Zielen anlegt. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich mit dem angespitzen Stab zwar bestens zurechtkam, und die einhändigen Waffen ebenfalls mochte. Sowohl die zweihändigen als auch die schweren Waffen sind für dies Kampfsystem und diese Gegner aber viel zu langsam und unpraktisch, um valide Optionen im Kampf zu sein.
Doch auch andere Elemente der Handhabung sind unnötig schwergängig: Die Fortbewegung, Zielen, Schießen, Schlagen - das alles funktioniert gut, was bei der Engine ja auch kein Wunder ist. Für jede Funktion in der Basis, vom Crafting bis hin zur Lagerverwaltung oder der recht simpel gehaltenen Charakterentwicklung (eine Handvoll neuer Moves, bessere Werte in fünf Kategorien oder bessere Nahkampfwaffenbeherrschung. Das war's), rennt man jedoch von einem Tisch, Pult oder Schrank zum nächsten. Bis man sich auch nur ein bisschen auskennt, vergehen Stunden. Wiederum: Nicht undurchdringlich, aber mühsam.
Auf der anderen Seite erzeugt das Spiel wahnsinnig einnehmende Momente der Isolation und Verlorenheit. Gerade im Dust, in dem man keine Wegpunkte setzen kann, und außer den schwach schimmernden Lichtern von Antennenmasten in der Ferne - wenn man Glück hat - und den Schemen von Gebäuden und Zombies so gut wie gar nichts sieht, während der Sauerstoffvorrat sich langsam dem Ende entgegenneigt, ist die Stimmung wirklich stark. Im Dust begegnet man auch einer der eindrucksvollsten Kreaturen der jüngeren Videospielgeschichte - zumindest so lange man sie nicht bei Tageslicht sieht, was im Endkampf leider der Fall ist. Wenn der "Lord of Dust" die wenigen Sonnenstrahlen verdeckt und die Erde zum Beben bringt, während man selbst Probleme hat, überhaupt seine Form zu erfassen, ist man überrascht, beeindruckt und fürchtet sich sogar ein bisschen.
Aufseiten des Basenaufbaus werden wiederum einige Chancen verschenkt. Der ist eher eine Frage von: "Bessere Craftingstation um neue Gegenstände bauen zu können", als dass man sich gestalterisch ausdrücken würde. Die Fantasie, sich in einer lebensfeindlichen Umgebung zum Selbstversorger zu entwickeln, wird von den Systemen nicht ausreichend gestützt. Zwei Felder Kartoffeln, die ich anlegte, warfen nach über zwei Stunden (gespielte) Wartezeit sage und schreibe vier Kartoffeln ab, die meinen Stoffwechsel auch nicht über die Zeit bis zur nächsten Ernte brachten. Gleiches gilt für Wasseraufbereitungsanlagen und die anderen Mittel zur Nahrungsgenerierung. Dazu sind die Management-Elemente für die geretteten Crew-Mitglieder ein wenig unterentwickelt. Ich kümmerte ich mich so gut wie gar nicht um die Befindlichkeiten meiner Mitbewohner und war gefühlt auch nicht schlechter dran. Nur wenn es mal einem von ihnen gesundheitlich wirklich schlecht ging, griff ich ein.
Die Geschichte findet vornehmlich in Textfenstern mit gesprochenen Dialogen statt. Die meisten der Sprecher sind gerade noch in Ordnung, die KI, mit der ihr am meisten interagiert und sprecht, nervt allerdings ganz gewaltig. Besonders dramatische Momente werden mit angemessen großformatigen Zwischensequenzen bebildert, von denen allerdings nicht allzu viel hängenbleibt. Man mag über Kojimas Talent als Geschichtenerzähler denken, was man will. Seine Regiehandschrift wird hier dennoch vermisst. Schreiberisch ist das hier großer, fahriger Quatsch, der sich eine Idee zu ernst nimmt. Allerdings gibt es einige nette Twists, die am Ende sogar rechtfertigen, warum sich das hier bei Metal Gear einreiht. Trotzdem: Es bleibt Fan-Fiction von der eher trashigen Sorte, bei der sich Augenrollen und "So-bad-it's-good"-Gelächter die Waage halten.
Weniger zum Lachen sind allerdings die Mikrotransaktionen. Wenn ich was Gutes darüber sagen kann, dann dass sie immerhin übersichtlich sind. Neben dem zusätzlichen Speicherplatz und zusätzlichen Loadouts - beides doof aber wirklich komplett und ohne Spielspaßbeeinträchtigung zu vernachlässigen - gibt es den Premium Boost Pass (sieben Tage für 4,99 Euro z.B.). Der beschleunigt den Charakterfortschritt und auch die Generierung der geteilten Produktion in der Basis. Das Spiel wird dadurch deutlich einfacher, was nicht heißen soll, dass es ohne unspielbar wäre. Aber diese Sorte Free-to-play-Mechanismus ist einfach unschön, selbst wenn das Spiel "nur" 40 Euro kostet, weil sie dem Publisher einen Anreiz gewährt, Nichtzahlern das Leben schwer zu machen. Gerade in dieser Art von Spiel.
Nun gut. Ein wirklich rundes Endprodukt ist Metal Gear Survive definitiv nicht geworden. Ich war am Wochenende trotzdem sehr überrascht, wie wenig ich mich zwingen musste, es durchzuspielen. Der grundlegende "Loop" funktioniert und drückt die richtigen Knöpfe, wenn man für diese Sorte Gameplay etwas übrighat. Streckenweise hatte ich echten, ehrlichen Spaß, auch wenn mich die Mikrotransaktionen ärgerten und ich auf die Tendenz zum Mühseligen hätte verzichten können. Fortnite ist trotzdem kreativer, Subnautica alleine packender und nicht so beschwerlich, beide sind hübscher und optisch charakterstärker.
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Survive wird die Fans nicht zurückgewinnen. Diese Brücke hat vor zwei Jahren schlimm Feuer gefangen und ist mittlerweile nichts als kalte Asche. Trotzdem: Gibt man ihm die Chance, die ihm im Vorfeld niemand zugestand, erlebt man ein schludriges, aber letzten Endes funktionierendes Survival-Spiel, dem die maßgeblichen Dinge durchaus gelingen. Nicht der Maßstab, den man bei dieser Reihe für gewöhnlich anlegte, schon klar. Aber das macht es nicht weniger wahr.
Entwickler/Publisher: Konami - Erscheint für: PS4, Xbox One PC - Preis: 39,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: Englisch, Deutsch - Mikrotransaktionen: Ja, Zeitsparer - Getestete Version: PS4