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Metal Slug Anthology

Früher war alles besser

Manchmal ertappt man sich schon mit 30 bei dem dämlichen Satz „früher war alles besser“, den man schon bei seinen Eltern nicht ausstehen konnte. Doch in wirklich seltenen Fällen trügt einen die Erinnerung nicht und man muss feststellen, dass der Fortschritt nicht zwingender Weise auch eine Verbesserung bringt. Das beste Beispiel hierfür ist die Shooter-Serie Metal Slug. Obwohl die Grafik komplett aus zweidimensionalen Sprites besteht und das Spielprinzip in 10 Jahren kaum verändert wurde, strahlen diese Titel mehr Charme aus, als viele aktuelle 3D-Shooter. In nahezu jeder Szene steckt so viel Liebe zum Detail, dass man für die schicke Optik selbst ein paar Highlights der Nächsten Generation liegen lässt.

Dabei muss ich gestehen, dass ich bis auf einen kurzen Ausflug auf der Playstation 2 noch eine echte Metal Slug-Jungfrau bin. Doch dieses Manko wurde nun mit dem Jubiläumspaket in einer achtstündigen Test-Session ausgemerzt. Nach einer Version für PSP und PS2, haben die Entwickler Nintendos Innovationswunder für eine Umsetzung ausgewählt. Passend, wenn man bedenkt, dass die Wii dank der Virtual Console für Retro-Fans momentan die erste Wahl sein dürfte. Neben der lückenlosen Sammlung von Metal Slug 1 bis 6 gibt es umfangreiches Zusatzmaterial, das aber nicht gerade durch eine gute Umsetzung glänzt. Während man bei der PSP-Version mit schicken Wallpapern und herunterladbaren Songs milde gestimmt wurde, sorgen hier die schwachen Beiträge und das furchtbare Menü – 10 Sekunden Nachladen pro Veränderung – für Unmut.

Nazi-Zombies und Alien-Mumien

Schwabbel-Rambo versohlt Aliens: Mit dicker Wampe hüpft's sich schlechter.

Kann man das ganze Drumherum noch einigermaßen objektiv betrachten, scheiden sich bei der Qualität der einzelnen Metal Slug-Folgen die Geister. Fest steht nur, dass die ersten beiden Teile Meisterwerke sind und eigentlich von jedem Fan favorisiert werden, doch schon bei Metal Slug 3 gingen die Meinungen weit auseinander. Metal Slug 4 - 6 sind in Zusammenarbeit mit Playmore entstanden, worunter angeblich die Qualität leiden musste. Mir dagegen gefiel aber gerade der sechste Teil hervorragend. Damit all die anderenMetal Slug-Jungfrauen nicht auf dem Schlauch stehen, nutze ich den Zeitpunkt, um ein paar wichtige Grundlagen zu vermitteln.

Grundsätzlich teilen sich alle Versionen das selbe Spielprinzip: Die Aufgabe des Titelhelden ist keine geringere, als die Welt vor den bösen Nazis und Außerirdischen zu retten. In Deutschland wurde zwar aus der braunen Truppe eine feindliche Armee, für den Spielspaß ist die Story aber sowieso irrelevant. Denn nur selten bleiben die Titel bei den anfangs noch recht klassischen Soldaten und Eingeborenen, zum Ende jeder Version werden die Gegner und ihre Kampfmaschinen immer abgefahrener. Spätestens, wenn man in einen Blut-kotzenden Zombie verwandelt wird und mit den feindlichen Truppen gemeinsam Aliens erledigt, wird klar, dass Logik für Metal Slug ein Fremdwort ist.

Sieht zwar sehr pixelig aus, spielt sich aber trotzdem klasse.

Der Spieler steuert also einen von vier – in Metal Slug 6 sechs – Nachhilfsrambos durch die zweidimensionalen Level und kann mit seinen Waffen in vier Richtungen schiessen. Außerdem besitzt der Krieger noch Handgranaten, die vor allem bei den Endgegnern sehr hilfreich sind. Zu Beginn steht dem Spieler nur eine Pistole zur Verfügung, erst durch die Befreiung Gefangener gibt es die dringend benötigten Waffenupgrades. Neben einem einfachen Maschinengewehr warten zielsuchende Raketen, ein effektiver Flammenwerfer, eine vernichtende Schrotflinte und zu guter Letzt ein durchschlagkräftiger Laser auf den Einsatz. Wie es der Name schon andeutet, reihen sich zusätzlich noch Fahrzeuge in die Palette. Abgesehen von dem namensgebenden Super Vehicle 01, einem sprungfähigen Panzer, gilt es im Laufe der Reihe Kampfroboter, Raumschiffe, Hubschrauber, Helikopter und sogar bewaffnete Kamele zu meistern. Im Gegensatz zu Eurem braven Soldaten besitzen diese nicht nur gleich mehrere Waffen, sondern auch eine Gesundheitsleiste, wodurch sie nicht gleich beim ersten Treffer auseinander fallen.

Acht Stunden Dauerfeuer für den Weltfrieden

Bis zum sechsten Teil änderte sich an dieser Grundformel nur wenig, erst mit dem neusten Update baute SNK unterschiedliche Werte für die Kämpfer ein, packte zwei neue Charaktere aus dem Klassiker Ikari Warriors mit dazu und ermöglichte es, Waffen zu horten. So kann zum Beispiel die japanische Schönheit Eri doppelt so viele Handgranaten tragen, Bodybuilder Tarma nach dem ersten Treffer noch einmal aufstehen und Waffenexpertin Fio schleppt gleich zweimal so viel Munition im Gepäck mit sich herum. Außerdem wurde das Spiel für Anfänger zugänglicher gemacht. Zum Beispiel gibt es einen leichten Schwierigkeitsgrad, bei dem der Spieler standardmäßig ein Maschinengewehr statt der schwachen Pistole benutzt. Zwar ist es hier nicht möglich, bis zum Endgegner vorzudringen, dafür gibt es weniger Frustmomente und auch die Credits werden nicht übermäßig strapaziert.

Hannibal wäre stolz auf Euch - Mit schwer bewaffnetem Dickhäuter auf Kriegspfad.

Nach dem Grundkurs hier mein ganz persönlicher Eindruck nach über acht Stunden Dauer-Action: Die ersten beiden Teile sind wirklich über jeden Zweifel erhaben. Sowohl Level-Design als auch Spielablauf sind wirklich einmalig, wobei der erste Teil vor allem durch die perfekte Spielbalance und der zweite Teil besonders durch sein abgedrehtes Endgegner-Finale begeistern kann. Metal Slug X ist nur ein Remix des zweiten Teils, der aber durch ein paar neue Levels und Settings auf jeden Fall eine Daseinsberechtigung besitzt. Der dritte Teil dagegen wirkte auf mich recht uninspiriert. Vor allem zum Ende hin geht dem Titel etwas die Luft aus. Nach der Übernahme von Playmore erholte sich das Gameplay etwas, ohne aber auf das Niveau der ersten beiden Teil zu gelangen. Die neuen Gameplay-Elemente und das hervorragende Level-Design machen den sechsten Teil zu meinem persönlichen Favoriten, auch wenn dass die Fangemeinde wohl ganz anders sieht.

Leider müssen Retro-Fans auf der Wii mit einem sehr ungewöhnlichen Problem kämpfen. Trotz sechs unterschiedlicher Optionen findet sich keine Steuerungs-Variante, mit der sich die Titel auch nur einigermaßen flüssig steuern lässt. Da die Automaten drei Knöpfe besaßen, reicht die Wii Remote nicht aus. Stattdessen muss man den Nunchuck schütteln, um Granaten zu werfen, was für viele unfreiwillige Bildschirmtode sorgt. Auch der Einsatz der Wii-Remote als virtueller Jostick erweist sich als äußerst ungenau. Lediglich der Einsatz eines Gamecube-Pads bringt zumindest annähernd Spielhallen-Feeling. Bei Technik und Präsentation befindet sich die Wii-Version auf Augenhöhe mit den anderen Umsetzungen und den Automaten. Selbst Framerate-Einbrüche werden an genau derselben Stelle angezeigt. Die Soundkulisse ist wie gehabt schön piepsig und trägt viel zum hervorragenden Nostalgie-Feeling bei.

Bang, Bumm, Bang – Die Metal Slug Anthology ist ein echtes Retro-Fest für Action-Fans, die unzählige Bildschirmtode und ausufernde Ladezeiten mit einem Achselzucken hinnehmen. Mit sieben erstklassigen Titeln für einen humanen Preis kann man fast nichts falsch machen. Doch Vorsicht, wer kein Gamecube-Pad sein Eigen nennt, wird bei der Steuerung mit Wii-Remote und Nunchuck verzweifeln. Selbst der Classic-Controller wird nicht vernünftig unterstützt, was zu deutlichen Abzügen in der B-Note führt. Mit dem alten Pad ist der Titel für jeden Fan erstklassiger 2D-Action aber ein absoluter Pflichtkauf. Sony-User werden das Teil wahrscheinlich schon im Schrank stehen haben, denn dank perfektem Pad und netten Extras sind die beiden Versionen klar besser.

Metal Slug Anthology ist erhältlich für die Wii, die PSP und die PS2.

7 / 10

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