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Metal Slug Tactics im Test: Liebe auf den zweiten Blick

Auf den Roguelite-Ansatz war ich nicht vorbereitet.

Anfangs sperrig und kein bisschen aufgeräumt, ist Metal Slug Tactics auch wegen seines Roguelite-Ansatzes erstmal eine harte Nuss. Ist man aber einmal drin, genießt man die clevere Synchro-Mechanik und die Suche nach klugen Bewegungsmustern und Synergien.

Fast hätte mich Metal Slug Tactics nicht zu packen bekommen, denn es geht wirklich nicht gut los. Das HUD ist unübersichtlich, die Lesbarkeit der Schlachtfelder vor allem bei Höhenunterschieden schwer gewöhnungsbedürftig, die Steuerung zu Beginn überladen und das Regelwerk unkonventionell genug, dass man nicht einfach losspielen kann. Und das Schlimmste: Ich hatte ja keine Ahnung, dass das hier im Aufbau ein Roguelite ist. Denkt also eher an Into the Breach als an XCOM.

Noch da? Gut! Sobald ihr den gedanklichen Knick genommen habt, dass ihr Runs spielt, anstatt eine Kampagne, seid ihr bestens hierauf vorbereitet. Und schließlich fiel auch irgendwann bei mir der Groschen, sodass ich Metal Slug Tactics mittlerweile sehr schätze. Mehr als ich nach den ersten zweieinhalb Stunden zu hoffen gewagt hätte.

“Roguelite” bedeutet aber auch: Metal Slug Tactics ist hart zu euch. Es hat gar kein Interesse daran, das Schlachtfeld zu euren Gunsten zu arrangieren. Jeder Fehler wird gnadenlos bestraft. Obwohl ihr Bewegungen (nicht aber Aktionen) zurücknehmen könnt, zweimal pro Gefecht eine Runde komplett von vorn beginnen und eine begrenzte Zahl an Credits zum Wiederbeleben gefallener Kämpfer eures Trios einsetzen dürft, wird so mancher Run früher enden, als euch lieb ist.

Home Sweet Home

Dann steht ihr wieder in der Zentrale, wo ihr mit dem knausrig ausgeschütteten Geld neue Loadouts oder Skills für den nächsten Lauf über eine zufällig generierte Karte voller Missionen mit unterschiedlichen Belohnungen kauft. Oder ihr überlegt euch, ob ihr statt Fio, Marco und Eri nicht mal einen neu freigeschalteten der insgesamt neun grundverschiedenen Kämpfer und Kämpferinnen in euer Aufgebot hinein rotieren sollt. Tatsächlich hat ausgerechnet das Experimentieren mit neuem Personal und Arbeitswerkzeug mich einige Überwindung gekostet, denn “MST” ist so eigen, dass ich mich nur schwer von einmal eingespielten Abläufen lösen konnte.

Worin das Eigenartige liegt? Vornehmlich daran, dass Metal Slug Tactics seine Kämpfe ein wenig anders angeht als andere Taktiker. Zwar gilt auch hier die Grundregel, dass jede Figur eine Bewegung und eine Aktion zur Verfügung hat und die Aktion den Zug beendet, egal, ob man schon gelaufen ist oder nicht. Aber Leikir Studios hat sich reichlich Gedanken gemacht, wie man den Run-and-Gun-Geist des Arcade- und Neo-Geo-Originals auf ein rundenbasiertes Taktikspiel übersetzt. Dabei ist etwas herausgekommen, das erfrischend anders ist.

Für das “Run” bedeutet das: Je weiter ihr eine Figur in eurer Runde zieht, desto besser weicht sie Angriffen während der Gegnerrunde aus. Das geht so weit, dass bestimmte Attacken komplett neutralisiert werden. Das “Gun” findet sich in Form der Synchronisationsmechanik von Metal Slug Tactics wieder. Wann immer eine eurer Figuren einen Gegner angreift, schießen auch alle ihre Kollegen auf das Ziel – sofern ihr sie so aufgestellt habt, dass sie ihn mit ihrer Standardwaffe treffen können.

Metal Slug Tactics – Bilder

Es dreht sich also alles darum, seine Bewegungsreichweite maximal auszureizen und so viele Synchron-Attacken zu lancieren, wie nur irgend möglich. Viele Skills, die einzelne Charaktere für jeden Levelaufstieg hinzugewinnen, drehen sich auch darum, euch Bonuszüge oder -Aktionen einzubringen. Wenn das jetzt nach einem Taktikspiel mit gutem Tempo klingt, dann stimmt das nur zur Hälfte:

Ich bewundere die Angriffslust von MST, aber weil es Fehler so gnadenlos bestraft und man oft nur in vier Himmelsrichtungen angreifen kann, positioniert man seine Figuren auch stets sehr vorsichtig. Viele, viele Bewegungen macht man wieder rückgängig und wägt sorgsam ab, wie man den größten Schaden anrichtet oder die Gegenwehr so minimiert, dass die Feinde die überschaubaren Gesundheitsleisten der eigenen Streiter möglichst wenig einkürzen. Vielleicht ist aber auch ein kürzerer Zug, der hinter einem der wenigen Deckungsobjekte endet, vielleicht besser als einer bis zum Ende der Reichweite?

Das wahnsinnig gute Gefühl, wenn der Durchblick kommt…

So nimmt man sich für jeden Zug Zeit, und das nicht zu knapp. Im Zusammenspiel mit den Effektbereichen verschiedener Waffen(-modifikationen), in der isometrischen Perspektive seltsam aussehenden Höhenunterschieden und aufeinander aufbauenden Wirkungen von Spezialaktionen sind diese Schlachtfelder einfach nicht so transparent, wie ich vorab erwartet hatte. Es ist keines dieser Taktikspiele, die man mit normaler Gefechtslogik und gesundem Menschenverstand zügig hinter sich bringt und die Schwachstellen feindlicher Aufstellungen analysiert. Es will, dass ihr nach seinen eigenen, dezent verschrobenen Regeln spielt und die sind ideologischer Natur – Run-and-Gun-Taktik anstatt klassischen Rundenstrategiemustern zu folgen.

Wie gesagt: Ich brauchte etwas, bis ich das zu schätzen wusste. Mittlerweile habe ich aber eine nicht zu knappe Schwäche für dieses Spiel und insbesondere die Art, wie seine Waffen- und Skillvariationen mich meine eigenen Schwerpunkte setzen und meine Aktionsbefugnisse auf Synergien abklopfen lassen. Upgrades zwischen einzelnen Missionen eines Runs sind substanziell und die (hundsteuren) Dinge zum Freischalten zwischen Läufen machen irgendwann dann doch neugierig, was sonst noch geht. Und zum Glück halten sowohl die Missionstypen als auch die Bosse halten das grundlegende Taktieren abwechslungsreich genug, um locker 15 bis 20 Stunden – für einige sicher noch deutlich mehr – Spaß zu machen.

Unzählige Gefechte führte ich hart am Rand der Niederlage, nur um dann mit einem fast zufälligen Geniestreich das Geschick komplett zu wenden. Das fühlte sich jedes Mal fantastisch an und kam mit zunehmender Spieldauer immer häufiger vor. Wie gesagt: Das Lauf-basierte an diesem Spiel wirkt bisweilen arg abstrafend, vor allem, wenn man das erste Mal einen Endgegner, einen bestimmten Feind oder einen neuen Missionstyp vor der Brust hat und Improvisieren nicht MSTs Stärke ist. Aber es ist letztlich sehr befriedigend und entlohnt reichhaltig für die Mühe, die die ersten Stunden machen.

Eines der verbuggteren Pixel-Art-Spiele, die ich erlebt habe

Optisch und in Sachen Musik repliziert Metal Gear Tactics exakt, was das Original nun schon für mehrere Generationen Gamer zu so einem attraktiven Spiel macht. Riesige Sprites, hart an der Grenze zu überanimiert, aber niemals darüber. In jedem Frame steckt Leben, man muss die Knallchargen mit den übergroßen Waffen einfach mögen und natürlich gibt es regelmäßig gute (und auch ein paar weniger gute) visuelle Gags, die man übersieht, wenn man im falschen Moment blinzelt. Dass die Musik ebenso hart boppt, versteht sich bei so viel zur Schau gestellten Stilgefühl von selbst.

Die Probleme liegen, wie eingangs erwähnt, vornehmlich im überforderten HUD und einer etwas fummeligen Bedienung. Aber auch nicht gerade wenige Bugs bedürfen noch einer Korrektur. Mal stürzte es ab, zu ein paar Gelegenheiten hätte ich schwören können, dass die Steuerung nicht wie vorgesehen funktioniert und in einem Fall weiß ich es zuverlässig und kann es auch reproduzieren: Benutzte ich Verbrauchsgegenstände, konnte ich danach nicht mehr angreifen. Da ich MST auf dem PC getestet habe, konnte ich glücklicherweise auf Maus und Tastatur weiterspielen. Ein bisschen klapprig und unfertig wirkt der Titel deshalb schon.

Metal Slug Tactics – Fazit

Nach dem anfänglichen Schock, dass es dieses Taktikspiel Lauf-basiert angeht und auf Wiederspielbarkeit setzt, anstatt sich entlang einer Kampagne samt Geschichte entlangzuhangeln, bin ich mittlerweile mehr als fein mit Metal Slug Tactics. Es mag zu Beginn gewöhnungsbedürftig sein und Leikir sollte noch mal auf Bug-Jagd gehen. Aber steckt eine gehörige Portion Eleganz darin, wie die Entwickler das Tempo-Ballern des Originals auf eine durchaus tiefschürfende Taktikformel übersetzen. Dass dabei trotz neuer Perspektive sogar die Sprite-Optik exakt den Charme der Vorlage einfängt, ist mehr als nur ein schöner Bonus. Das hier sieht tatsächlich aus, als hätte SNK höchstselbst Hand angelegt und fügt sich als schöner Ausflug bestens in die Serienhistorie ein.

Metal Slug Tactics
PROCONTRA
  • Hohe Wiederspielbarkeit
  • Motivierendes Synchro-System und originelle Dodge-Mechanik
  • Viel freizuschalten, was den Spielablauf nachhaltig ändert
  • Tolle Optik, die den schönsten Spielen der Serie Ehre erweist
  • Nicht wahnsinnig einsteigerfreundlich
  • Schwächen in HUD und Benutzerführung
  • Nicht zu knapp Bugs, die das Spiel aber nicht ruinieren

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