Metroid Prime Trilogy Wii U - Test
Phazonverschiebung.
Wenn mich jemand nach dem Gefühl namens Metroid Prime fragt, fallen mir oft "Phendrana Drifts" und "Inside the crashed Space Pirate Frigate" ein. In erster Linie die Musik, die auszuwählen so ist, als müsste man sich zwischen seinen Kindern entscheiden.
Sie klingt unberührt und geheimnisvoll wie die Welt, die sie beschreibt, ebenso wie die komplette Wahrnehmung von Samus Aran. Die weitläufigen Klanghintergründe Phendrana Drifts' zeichnen einen nicht erfassbaren Planeten. Während die grundsätzliche Begleitung mit langen Noten und Phasenmodulation Tiefe und ein, sagen wir, leicht klischeehaftes Sci-Fi-Gefühl erzeugt, steht vordergründig Samus' Rationalität.
"Inside the crashed Space Pirate Frigate" ist schon dem Namen nach ein Ort, an dem selbst die gefasste Kopfgeldjägerin nicht so ganz versteht, was vor ihr liegt. Der Soundtrack zeigt sowohl die Vielfältigkeit des Settings als auch Samus' Verlassenheit und ihre Disziplin, genau das zu erforschen. In seiner manchmal chilligen und zuweilen offensiven "Spacigkeit" findet er einen Mittelweg zwischen Entspannung, Furcht und Panik. Ein Freund von mir nannte ihn "Star-Wars-Fanfaren treffen auf Alien-Grusel". "Derbst dicke Nummer" kommt aber ebenfalls ganz gut hin.
Und der Rest?
Sagen wir so: Diese Trilogie ist heute auf Wii U tadellos erlebbar für an der Welt interessierte Einsteiger, denen Motion-Bedienung, Backtracking und feste Speicherräume nicht gleich die Schüssel sprengen. Funktional noch immer, weil die Retro Studios ihr (zum Glück fabelhaftes) Bewusstsein für Metroid an der Tiefenachse entlang in die dritte Dimension führten. Und dabei sorgfältig abtasteten, was hineinpasst und was nicht (dem gestrichenen Kraid-Abschnitt weine ich heute noch nach).
Röhrenlabyrinthe, Terminals, Anlagen der Altvorderen und Vergessenen, Raumschiffe und Ruinen voller Schächte, Schalter und Schienen. Es sind von Anfang bis Ende wachsende Action-Adventures, vor zwei, drei Konsolengenerationen entworfen und einer inzwischen fast 30 Jahre alten Idee um Samus' nach und nach wachsende Aktionsmöglichkeiten folgend, deren Dimensionen dem Komfort moderner Spiele stets ein paar Schritt weit aus dem Weg gingen. Metroid steht für die Faszination der Fremde und den Drang, sie sich Untertan machen zu wollen.
Aber egal, ob ihr auf Tallon IV, Aether oder im dritten Teil auf mehreren Planeten unterwegs seid - sie sind immer größer als ihr selbst. Ihre Areale überraschen noch Stunden später mit unerreichbar geglaubten Winkeln, Verstecken und Verbindungen. Manchmal fasst man sich an den Kopf und denkt "Leute, das kann doch nicht sein...". Hier hält Programmcode-Kaugummi nicht nur Level an Level, sondern im dreidimensionalen Raum eine kohärente Welt ineinander, mit Mittelpunkt, abgehenden Korridoren, Kreuzungen. Aus einer rein spielorientierten Perspektive ist hier alles am rechten Fleck.
Nach dem Acht-GB-Download bekommt ihr mit das Beste der Generationen Gamecube und Wii in einem. Drei dermaßen fähig auf Nunchuk und Wiimote geeichte Spiele wie gerade mal noch Red Steel 2 und Zelda: Skyward Sword. Kein anderes schaffte so eine präzise First-Person-Steuerung, die vom Zielen übers Umschauen bis zum ruckartigen Wegreißen eines Schildes alles sinnvoll integriert und verbindet. Und das sogar unbeschwerter und leichtfüßiger als mit dem Gamecube-Stick, obwohl das Wii-U-Gamepad natürlich mehr Mittel hätte, besonders beim Scannen der Umgebungen. So bekommt ihr technisch exakt die sechs Jahre alte Wii-Sammlung ohne weitere Daumen hoch. Wer sie auf Disc hat, kann sich freuen. Alle anderen haben nun endlich eine Chance und ich sehe keinen Grund, warum man sich bei der aktuellen Spieleflaute nicht schleunigst in Lavahöhlen, schwebende Städte und Phazon-Minen verdrücken sollte. Bis man irgendwann nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.
Dabei vergisst das Spiel nie, euch zu führen, das aber in der am wenigsten aufdringlichen Form. Was ihr erreicht, geschieht aus eigener Kraft, weil ihr Funktionsweisen erkennt, Karten lest und auch mal zwei oder drei Räume weiter denkt.
So, wie Samus als Morphball in Schächten und kleinen Mulden verschwindet, entwickelt sich die Welt vom abweisenden Labyrinth zum Verbündeten, je mehr Hindernisse man sprengt und Fahrstühle entriegelt. Es ist, als lerne man ein Videospiel sehr intim von innen kennen, statt wie von Sinnen durch glänzende Wegwerf-Setpieces zu hetzen. Es erfordert etwas Arbeit im modernen Sinne und insofern, dass man nicht geistlos zur nächsten Aufgabe cruist, öfter auf dem Schlauch steht oder halt mal ein wenig hin und her muss - besonders im zweiten Teil mit dem Wechsel zwischen Licht- und Schattenwelt. "Adventure" steckt hier ebenso viel drin wie "Action", kleine Gefechte und Bosskampfrodeos, ohne dass ein Teil den anderen erdrückt.
Diese Sammlung zwingt lange auf den Hosenboden, zum Nachdenken und letztlich auch dazu, sich ganz oder gar nicht darauf einzulassen. Entweder hängt man am Haken wie Samus selbst über vulkanischen Gesteinsfeldern oder wird damit nicht warm, was schade wäre. In den letzten Jahren gab es kaum actionbetonte 3D-Spiele, die so viel Wert auf Leveldesign legten und ihm sogar einen großen Teil der Erzählung überließen. Bioshock in einigen Punkten, Dark Souls vielleicht.
Die Phazon-Saga reiht sich hier ein. Neugierigen beschreibt sie ein dichtes, teils schaurig-schönes Science-Fiction-Universum ganz weit draußen, tut das aber nicht ungefragt und überlässt euch die Initiative, das Tempo. Denn im Vordergrund stehen die Welten, ihr Erschließen in Breite, Höhe und Tiefe, die Spielbarkeit, das Anfassen und Wühlen in Vergangenem. Metroid Prime ist eine fantastische dreiteilige Space-Opera, bis heute. Was ihr auf diesem Trip braucht? Wiimote, Nunchuk und Sensor-Bar für eine heute noch wunderbar funktionierende, einst trendige Steuerung, die inzwischen fast selbst zum Relikt wurde. Genau wie Metroid, genauso beständig und stark, in seinem kleinen Universum fast zeitlos, möchte man sagen.