Microsoft Flight Simulator - Das erste "Origin"-Spiel seit langer Zeit
Pass auf, was du dir wünschst...
Alex hat euch eben die Magie beschrieben, die der neue Microsoft Flight Simulator ausübt. Und sie ist da, zu hundert Prozent. Was will ich sehen? Den Grand Canyon? Klöster in Bhutan? Machu Pichu? Mein Haus? Mein Haus. Ich bin zuerst über mein Haus geflogen. Und konnte mich auch perfekt durch Berlin navigieren, allein durch Ortskenntnis. Also ja, dieser Teil funktioniert.
Die altgediente Reihe aus dem Urtagen des PCs hat für mich auch eine tiefe, ehrliche Nostalgie, schließlich bin ich PCler der zweiten Stunde - die "es gab schon Grafikkarten"-Generation - und Flight Simulator 2 das erste Spiel, das ich mit Faszination anguckte und das frisch erschienene Flight Simulator 3 das erste Spiel, das ich auf meinem ersten eigenen PC spielte. Für zig Stunden kreiste ich über die drei Polygonklumpen, die für Chicago einspringen mussten.
Aber da ist noch eine andere Art Nostalgie dabei, wenn ich jetzt den neuen Flight Simulator starte und ich bin mir nicht sicher ob es eine gute oder schlechte ist. Vor allem ist es wohl eine Lektion in Sachen "sei vorsichtig, was du dir wünscht". Ich habe in den letzten Jahren immer wieder mal lamentiert, dass es keine "Origin"-Spiel mehr gibt. Da dieser Begriff aus den 90ern kommt und sicher alles andere als Allgemeingut ist, sollte ich ihn wohl kurz erläutern.
Origin: Als die Technik jeden Monat nicht mehr reichte
Origin war von den 80ern bis in an das Ende der 90er die Firma von Richard Garriot, dem Ultima-Erfinder, wo aber auch Chris Roberts mit Wing Commander oder Warren Spector mit Ultima Underworld oder System Shock unterwegs waren. Es war für fast ein Jahrzehnt der heißeste Laden überhaupt und so natürlich kein Wunder, dass man dort nie genug Geld haben konnte und sich über EA als neuen Eigner Mitte der 90er freute. Die Freude hielt nicht lange, Origin brach nach und nach auseinander und 1999 mit dem letzten Ultima endete das, was Origin eigentlich war.
Origin-Spiele waren die besten. Jedes Spiel brachte Innovation und Ideen mit, es gab immer etwas, was es zu bewundern galt und was Gaming an sich voranbrachte. Nicht immer erfolgreich, aber das gehört dazu, wenn man als Speerspitze einer Branche auf monatlicher Basis Neuland erkundet. Das hatte natürlich einen Preis. Nicht auf der Packung, die Spiele kosteten euch erst mal nicht mehr als andere auch. Aber in der Regel waren bei fast jedem neuen Origin-Spiel nur 10 Prozent der PCs auf der Welt in der Lage, das Spiel richtig darzustellen.
Einige der bekannten Beispiele sind Ultima 7, mit denen Rollenspielfans lernten, was es heißt, den Speicher aufzuräumen. Wing Commander 3 lehrte mich Geduld, denn es dauerte auf meiner gar nicht so veralteten Kiste ohne Übertreibung 15 Minuten eine Mission zu laden. In System Shock konnte ich mich entscheiden, ob ich in HD mit 7 Frames spiele und erkenne, was der Schöpfer mir zeigen wollte oder ob ich mit flüssigen 30 Frames einfach rate, was da in alter VGA-Auflösung passiert. Das Spiel jedoch, an das ich mich an diesem Microsoft-Flight-Sim-Wochenende erinnere, ist Chris Roberts etwas vergessenes Strike Commander.
Strike Commander sah für die damalige Zeit außerweltlich aus. In eine Welt aus flachen, untexturierten Polygon-Wüsten platze etwas herein, dass den Boden wie einen Boden aussehen ließ, sogar mit Hügeln und solchen Highlights! Es war ziemlich genau der gleiche WOW!!!-Effekt, den die Bilder des Microsoft Flight Simulator heute auslösen. Der nächste Sprung in der Evolution, der Blick in die Zukunft, jetzt schon auf dem eigenen PC zu Hause. Mehr oder weniger.
Wir träumten davon, elegant über diese Hügel zu rauschen und zehn oder so installierte Disketten später... Okay, wenn ich fast alles abschalte, was eigentlich die Zukunft sein sollte, dann kann ich es fast flüssig spielen. Ein Freund hatte damals gerade seinen PC neu bekommen, es war ein 4000-DM-Monster und siehe da, die Zukunft war wirklich da, aber nur, wenn man in sie vorab in Hardware bezahlte.
Microsoft Flight Simulator: Wer hat eigentlich so einen PC?
Und jetzt, 20 Jahre nach dem Ende von Origin, habe ich wieder ein "Origin"-Spiel vor mir. Auf meinem Zweit-PC, auf dem ich den Microsoft Flight Simulator zuerst startete, war es exakt das Feeling, das ich bei Strike Commander hatte. Diese Büchse - älterer i5, GTX 970, 16 GB und eine okay schnelle SSD - hat nichts mehr mit diesem Spiel zu tun. Selbst mit nur 1080p mit mittleren Details kam ich auf bestenfalls 8-15 Frames über Berlin. Wenn ich alles auf schön und WQHD stellte: ein Landeanflug mit 3 Frames ist möglich, aber nicht empfehlenswert. Der Flight Simulator ist auf diesem System unspielbar, selbst mit einer schnellen 100 Mbit-Leitung als KI-Unterstützungshilfe.
Auf zum nächsten System, zwei Jahre alter i7, vernünftig schnelle 32 GB und entsprechende Platte, GTX 1070. Damit kann ich eigentlich alles problemlos spielen, selbst wenn es manchmal nicht auf Ultra passiert. Nun, der gleiche Flug über Berlin lief jetzt in schön - wenn auch nicht ultra - mit immerhin halbwegs erträglichen 15-22 Frames. Manchmal sogar 30 bis 40 wenn ich dann über die leere Weite Brandenburgs segelte. Aber wehe ich versuche New York oder Shanghai. Dann geht es wieder zurück in die Untiefen des tränenvollen Ruckeltals.
Selbst Alex mit seinem noch mal stärkeren PC-Unterbau und einer 2080 Ti flog nicht viel besser. Feste 30 in Ultra mit WQHD und die überall? Keine Chance. Wenn man hoch aufsteigt und die netten Details am Boden nicht mehr berechnet werden müssen, dann geht es bei ihm sogar mal auf 70 Frames hoch. Auf einem Rechner, der aktuell alles problemlos stemmen kann. Vielleicht sind 10 Prozent der weltweiten Gaming-PCs sogar etwas hoch gegriffen...
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Also ja, der Microsoft Flight Simulator ist ein echtes "Origin"-Spiel. Es hat eine absurde Vision, nämlich, dass ich über den ganzen Globus fliegen kann, mit all den wundervollen Details, die der Planet zu bieten hat. Ich bin Herrscher über Wetter und Zeiten, aber mein göttliches Gefährt klappt mir dabei unter dem Hintern zusammen. Früher hätte ich gesagt "ist ja bald Weihnachten...", aber das ist einer der Nachteile des Erwachsenseins. Man muss selbst für sein Origin-Upgrade sorgen. Und ja, auch wenn der Test aus diesen Gründen noch ein wenig auf sich warten lässt, dies ist ein Spiel für das sich der Overkill lohnen könnte. Ich bin mir nicht sicher, ob es das Spiel ist, das die Hardcore-Super-Simulations-Freaks von ihren X-Planes weglocken kann. Vielleicht. Aber dann wiederum hat Strike Commander auch keine Falcon-Piloten aus ihren Schleudersitzen gezogen, aber dafür jeden anderen von einer größeren Spielewelt träumen lassen. Aber wie seine Tech-Overkill-Vorgänger im Geiste will auch Microsoft Flight Simulator nun den Preis in Hardware sehen, bevor es euch die Welt zeigt...