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Microsoft Flight Simulator Test - Fernweh, das Spiel

Welt, lass' dich umarmen!

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Trotz hoher Hardwareanforderungen: Virtueller Tourismus war selten einladender als hier. Ein Spiel von ganz besonderer Faszination.

Microsoft Flight Test - Schon Anfang der Woche habe ich ja ausgiebig von der universellen Faszination des neuen Microsoft Flight Simulator geschwärmt, die das Spiel gerade zu so einem Phänomen macht. Mein Eindruck hat sich die Woche hindurch nicht geändert und er ist auch der Grund, warum über diesem Text das goldene Emblem prangt: Dieses Spiel ermöglicht etwas, das bislang keinem vor ihm gelang. Ich bin immer noch hin und weg. Im Grunde buchstäblich, denn ich habe mich selten so gedanklich abgereist gefühlt, wie beim Genuss dieses Erlebnisses.

Gleichzeitig bin ich selbst kein Pilot und kann schwerlich beurteilen, wie akkurat sich das hier fliegt. Was ich aber sagen kann: es fühlt sich an, wie sich fliegen meiner Meinung nach anfühlen sollte. Der Test mit abgeschalteten Assistenzsystemen legt nahe, dass man hier wirklich wissen sollte, was man tut, sonst wird jeder Flug zum Katastrophenfilm - nur, dass die Flugzeuge in MFS vom Boden, Gewässern, Autobahnunterführungen (fragt nicht!) und Hochhäusern abprallen wie Papierflieger. Hier springt kein The-Rock-Verschnitt mit dem Fallschirm aus dem Jet, der hinter ihm in einem Feuerball am Wahrzeichen einer Metropole zerschellt. Ist wohl auch besser so.

Hinterm Horizont gleich links

Also: ich bin kein Pilot - Leute mit echter Flugerfahrung werden sich früh genug zu Wort melden -, aber dass dieses Spiel richtig schwer wird, wenn man will, sagt mir, dass es im schlimmsten Fall Balance- und andere Justierfragen sind, die Kenner der Materie sauer aufstoßen könnten. Ich denke, diese Serie wird nicht alles vergessen haben, was sie sich über die letzten 40 Jahre angeeignet hat. Und die Chancen stehen zehn zu eins, dass ihr ohnehin nicht hier seid, weil ihr wissen wollt, ob das hier als Vorbereitung auf einen echten Flug geeignet ist, sondern weil euch der Gedanke fesselt, binnen Minuten an jeden Ort der Erde zu gelangen, um die alles entscheidende Frage zu beantworten: "Wie sieht es hier oder dort wohl aus?"

Innsbruck, wie es schöner kann nicht in einer Tourismusbroschüre aussehen könnte.

Ich will auch gar nicht groß wiederkäuen, was ich im oben verlinkten Liebesbrief schon kundtat. Hier nur so viel: Dieses Spiel hat einen Zauber, der schwer von der Hand zu weisen ist. Das Gefühl, hier aus dem Seitenfenster zu schauen, ist ab einer gewissen Höhe schlichtweg identisch mit dem "Real Deal", nur dass man diesmal weiter vorne im Flieger sitzt. Mir fallen jeden Tag zig neue Ziele und Anflüge ein, die ich gerne machen würde. Jedes Haus, in dem ich jemals lebte, habe ich bereits gefunden, meine drei, vier letzten Urlaubsorte ebenso und war die meiste Zeit überrascht, wie gut alles wiederzuerkennen war. Das sieht im Tiefflug schon gut aus und ist vor allem aus immenser Höhe dann geradezu fotorealistisch.

Geht man ganz nah ran, gibt es hier und da Ungereimtheiten, zugegeben. In abgeschlageneren Gegenden mehr als in anderen. El Cotillo Beach auf Fuerteventura muss leider ohne nördliche Klippe auskommen, weil das Spiel den dunklen Streifen am oberen Rand einfach als dunklen, flachen Boden interpretiert. In Bremen liegt die Wilhelm-Kaisen-Brücke unter Wasser und ich hab den Berliner Fernsehturm oder die Bombastfassade des Tempelhofer Flughafens zwar lange nicht gesehen, aber so sahen sie beim letzten Mal nicht aus. Aus manchen, eher ungewöhnlicheren Bodenobjekten wird der Flight-Sim-Programm-Code, der andernorts Zauberhaftes leistet, einfach nicht schlau. Dennoch: Im Großen und Ganzen gelingt die Täuschung und sowohl die Karten als auch das, was der Flight Simulator daraus macht, wenn man daran vorbeifliegt, werden sich mit der Zeit noch weiter entwickeln. Wem die gebotene Authentizität nicht reicht, der kauft eben für ein wenig Geld extra die Deluxe-Versionen bestimmter Orte hinzu.

Burj Khalifa, Dubai - hm... schön geht anders.

Die meisten Lokalitäten, die ihr sehen wollen werdet, sind jedenfalls in der Basisversion schon bestens eingefangen, sofern man nicht auf Bodenhöhe heranfährt und sich dann schon mal über Autos wundert, die unter Brücken fahren. Schwer zu beschreiben, wie befriedigend es ist, auf Knopfdruck an jedweden Ort des Planeten zu gelangen und dabei sogar Tages- und Nachtzeit sowie das Wetter feinteilig einstellen zu können. Absolut verblüffend. Ach, das Wetter! Die schönsten Wolken hatte bis hierhin Red Dead 2, das können sich die Rockstars nun knicken. Und nicht nur hübsch sind sie: Durch diese Suppe durchzufliegen, besonders wenn auch noch Wind dabei ist, ist selbst auf einfach nicht gerade trivial und richtiggehend gruselig.

Microsoft Flight Simulator knechtet meinen PC härter als Crysis und RDR 2!

Was das Paket im Ganzen angeht, ist es bestechend, wie wenig (nämlich fliegen) und gleichzeitig viel (nämlich überall hin) hier zu tun ist: Ich liebe es zum Beispiel, jede größere Stadt der Welt in ein paar Tausend Fuß zu umkreisen, die Motoren abzustellen und die ohrenbetäubende Stille des Gleitfluges zu genießen. Majestätisch. Bis auf mein "erstes Mal", weil ich zu spät begriff, dass so eine Flugzeugturbine schon mal ein bisschen braucht, bis sie wieder gestartet ist. Cool fand ich auch die Herausforderungen, bei denen ihr auf bestimmten Flughäfen landet oder euch in der Wildnis orientiert und euch dabei auf einem Leaderboard verewigen könnt. Wenn ihr es schafft, euch bei diesem Ausblick auf das Wesentliche zu konzentrieren. Hatte ich erwähnt, dass es Elefanten gibt? Giraffen? Schwarzbären? Wenn es nach mir ginge, dürfte Entwickler Asobo gern noch deutlich mehr dieser Challenges entwickeln, auch solche anderer Art und das Spiel so ein wenig weiter durch-gamifizieren. Vielleicht schließt das das Pilot-Wings-förmige Loch in meinem Herzen.

Toronto - wäre ich schon mal gern hingeflogen. Das muss fürs erste reichen.

Aber das, was da ist, reicht mir erstmal für die nächsten sechs Monate. Mindestens. Das hier ist der Titel, den ich auch nach der Hochphase immer mal wieder einlegen werde, wenn ich Reiselust verspüre, oder etwaigen Besuchern, so Corona will, ein paar beseelte Momente bei 10.000 Fuß bescheren möchte. Toll ist in jedem Fall auch, wie Asobo den Flight Simulator für alle Spielerschichten öffnete. Mit dem Controller ging sogar mein Jungfernflug schon ganz ordentlich von der Hand. Enthusiasten freuen sich darüber, dass alle gängigen Sticks, Pedale und TrackIR ab Werk unterstützt werden. Schlecht ist hingegen, dass zum Beispiel mein Saitek X52 Pro zwar erkannt wird, aber erst belegt werden will. Und das passiert im MFS wie vor 20 Jahren, wenn den einzelnen Funktionen per Aufklappmenü Tasten zugewiesen werden sollen, anstatt dass man die Funktion anklickt und dann den Button drückt, der sie auslösen soll. Für ein Spiel, das direkt wie aus der Zukunft wirkt, erstaunlich antiquiert. Mein X52 hat über 30 Tasten, die allesamt vom Spiel nur durchnummeriert werden. Ich habe mich bis heute nicht rangetraut, herauszufinden, welche welche ist.

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Das Einzige, was die Stimmung drückt, sind die technischen Schwierigkeiten, in die Microsoft Flight Simulator mein Biest von einem Rechner (i7 6700K@4,5GHz, 16GB RAM, Geforce RTX 2080 Ti) bringt. Ein USB-Gerät ein- oder auszustöpseln friert mir in 100 Prozent der Fälle den PC ein, bis ich das Spiel per Task-Manager beende. Bei Ladezeiten von mehreren Minuten, bis man wieder fliegen darf, kein kleines Problem (vor allem, weil ich gelesen habe, dass der X52 sehr wohl eine Konfiguration lädt, wenn man ihn im laufenden Spiel ansteckt. Vielleicht eine Urban Legend?). Über die Performance hat sich Martin ja bereits ausgelassen, aber dass auch ich auf Ultra nicht spielen mag, weil ich FPS-Einbrüche runter in niedrige Zehnerbereiche nicht einsehe, ist bei meiner Battlestation schon ein kleines Problem. Das Spiel skaliert auf moderneren Systemen allerdings halbwegs annehmbar nach unten. Performant - vor allem im Tiefflug und über großen Städten - geht aber anders.

Microsoft Flight Simulator Test - Fazit

Am Ende grämt es mich aber nicht über die Gebühr. Ich fühle mich über den Wolken wohl wie lange nicht und habe das nächste Dutzend Rundflüge um Städte - ein paar, die ich kenne, einige, in denen ich noch nicht war - fest eingeplant. Tatsächlich fange ich sogar langsam an, die ersten Stützräder abzumontieren, um das Erlebnis noch authentischer zu machen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich derartige Ambitionen entwickeln würde. Jede Hilfe, die ich abstelle oder herunterregele, fühlt sich in Microsoft Flight Simulator aber wie ein Triumph meines Willens an. Mal schauen, wie weit der mich trägt. Mich würde nicht wundern, wenn dieses Spiel eine ganze Generation an Hobby-Pilotennachwuchs heranzöge. Ich weiß nicht, ob das nur Corona ist, aber Flight Simulator 2020 weckt in mir Ehrfurcht, Fernweh und eine gute Portion Wehmut und gibt dem mittlerweile häufig trivialisierten menschlichen Flug so ein gutes Stück seines Zaubers zurück.

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