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Middle Manager of Justice - Test

Als Schafer meinte, dass die Publisher nicht eure Freunde sind, schloss er seinen eigenen Laden wohl nicht aus.

Ich bin ein verdammt hartnäckiger Dickschädel, was die Leute um mich herum bezeugen können. Aber ich lasse mich trotzdem gerne von meinen Standpunkten abbringen und sehe mir Sachen an, ich stelle mich einen Meinungswandel nicht entgegen, wenn etwas das Zeug dazu hat.

Und da mir Free-2-Play mit seiner häufigen Inhaltsarmut sowie Pay-2-Win-Mentalität gehörig auf den Zeiger geht, wollte ich ein Produkt ausprobieren, das mir zumindest von der äußerlichen Betrachtung her zusagt. Diese Grundlage war bei Middle Manager of Justice direkt gegeben. Die Prämisse eines Normalbürgers, der eine Firma von Superhelden leitet, um das Böse zu bekämpfen, erschien mir sofort sympathisch und innovativ. Der Stil erinnert an den einen oder anderen Lieblingscartoon, was definitiv ein Bonus ist. Außerdem wurde es von Double Fine entwickelt, deren Werke ich sehr schätze und mich bisher äußerst selten - höre ich da Brütal Legend? - enttäuschten.

Ihr könnt also hoffentlich nachvollziehen, dass ich nicht aus purem Trotz den Spaß aussperrte und mir meine Langeweile einredete. Meine Motivation zum Start war sehr hoch, begann dann allmählich zu schwinden und verschwand irgendwann spurlos. Es blieb nur noch, den Titel für diesen Test länger spielen zu müssen. Obwohl "spielen" nicht der richtige Begriff ist. Nein, ich würde es eher Beschäftigungstherapie nennen.

Gameplay auf niedrigstem Niveau

Wirkliches Können oder Management-Skills benötigt ihr in Middle Manager of Justice (fast) nicht. Ihr beginnt euren Job in einer kleinen Zentrale, die außer eurem Büro nur einen Trainings- sowie Schlafraum bietet. Ihr heuert euren ersten Helden an und schickt ihn in den Kampf gegen Handlanger. Die Aufträge tauchen in den gleichen Intervallen auf eurer Karte auf. Ihr könnt dem kraftvollen Angestellten aktiv im Kampf helfen oder ihn ohne Aufsicht losschicken.

Neben den Kämpfen gibt es auch Unfälle. Einer eurer Werte bestimmt dabei den automatischen Ausgang. Dachtet ihr wirklich, irgendetwas tun zu dürfen?

In den Straßen trefft ihr dann auf Handlanger, bekommt dadurch langsam Informationen über ihren Arbeitgeber und besiegt letztendlich den Boss des Gebietes. Die Kämpfe selbst laufen automatisch ab. Ihr dürft mit eurem Finger aber gerne besondere Fertigkeiten der Helden und des Managers aktivieren oder einen zuvor erworbenen Gegenstand einsetzen. Die meiste Zeit tippt ihr ein- bis zweimal auf den Bildschirm und schaut anschließend notgedrungen zu. Taktiken sucht ihr vergebens. Schnell findet sich der ultimative Angriff jedes Recken, wodurch ihr gefahrlos über eure nächste Mahlzeit im realen Leben grübeln dürft, während sich die bunten Männchen auf dem Bildschirm kloppen.

So redundant und anspruchslos die Auseinandersetzungen auch sein mögen, ihr werdet ihnen dennoch ständig beiwohnen. Erstens setzen eure Helden ohne Eingreifen eurerseits keine Fertigkeiten ein und zudem gibt es für euch nichts anderes zu tun, sobald euer Recke im Kampf steckt. Natürlich heuert ihr im Verlauf weitere Spandexträger an. Nur schickt ihr ständig alle in den Kampf, da so jeder Erfahrungspunkte bekommt und die Gefechte leichter sind. Selbst wenn einer in der Zentrale bleibt, dauert es nur zwei Sekunden, eine Beschäftigung zu vergeben.

Warten oder Zahlen?

Da ihr maximal nur vier Helden gleichzeitig aktiv unter eurem Kommando haben dürft, werdet ihr nie als Manager überfordert. Ihr schickt sie zum Training, ins Bett, steigert ihre Motivation, verbessert Fertigkeiten und lasst sie am Schreibtisch Geld verdienen oder Items entwickeln. Je weiter ihr fortschreitet, desto höher werden die Wartezeiten. Und genau hier kommt euer echtes Geld ins Spiel.

Da ihr maximal nur vier Helden gleichzeitig aktiv unter eurem Kommando haben dürft, werdet ihr nie als Manager überfordert.

Die Dialoge gehen in Ordnung, sind aber nicht die Rede wert. Weit unter dem normalen Double-Fine-Niveau.

Solange eure Helden in der Zentrale hocken und ihre Tätigkeiten erledigen, könnt ihr keine Tunichtgute bekämpfen oder Unfälle aufhalten, wodurch die Unzufriedenheit der Bürger steigt. Damit ihr also gleichzeitig stärker werdet und alle Missionen erledigen könnt, investiert ihr "Superium", um die Aktivitäten eurer Truppe sofort abzuschließen. Ohne Zugabe eures echten Geldes erhaltet ihr diese Währung nur sehr spärlich, meist im Anschluss an Bosskämpfe. Wer sich mit dem Warten anfreunden kann, muss aber trotzdem Superium ansparen, um neue Helden einzustellen. Wer keinen Anfänger auf der untersten Stufe haben will, muss den doppelten oder dreifachen Preis zahlen, und den erst einmal zu erzielen kann knapp zwei Stunden dauern.

Um die Auswirkungen des Kaufes besser nachzuvollziehen, habe ich mir das mittlere Paket für knapp fünf Euro geholt. Damit konnte ich sofort zwei Helden auf der höchsten Stufe erwerben und ohne Warterei die Fertigkeiten der beiden anderen Kollegen aufstufen. Und siehe da, der Titel verwandelte sich in einen noch langweiligeren Marsch. Ich musste keine Arbeit mehr leisten und konnte jeden Auftrag sofort annehmen. Kein Boss konnte auch nur die Hälfte der Lebensleisten abziehen. Sogar ohne Einsatz von Gegenständen, die ich zusätzlich hätte kaufen können.

"Geld" - nicht das echte - verdient ihr übrigens recht schnell, dürft zur Not aber auch etwas Superium gegen Münzen eintauschen. Dank meiner großzügigen Investition hatte ich knapp fünf Stunden später den letzten Feind besiegt und jedes noch so unnötige, ernsthaft sinnlose Equipment gekauft. Das Firmengebäude ist schon mit 6 zusätzlichen Räumen, die ich ebenso auf die höchste Stufe aufwerten konnte, komplett ausgereift und man gibt euch keine Möglichkeiten zur persönlichen Gestaltung. Zwei optionale Aufwertungen pro Objekt und fertig. Im Januar sollen zwar noch zwei neue Gebiete folgen, doch diese werden zusammen wohl bloß eine Stunde in Anspruch nehmen

Vor allem von Double Fine erwartet man mehr.

Kein Aspekt des Spiels fordert auch nur den Ansatz meiner Aufmerksamkeit. Hier und dort ein wenig Tippen, weiter im Netz gesurft, wieder zurück auf den Bildschirm geschaut, kurz den Zeigefinger benutzt und schon stellt sich der Automatismus ein. Nachdem ich innerhalb der ersten halben Stunde alle Elemente und Eigenschaften des Titels kennengelernt hatte, habe ich keinen aktiven Gedanken mehr daran verschwendet.

Neun Helden gibt es, die sich in drei unterschiedlich starke Gruppen stecken lassen. Wer braucht schon Vielfalt?

Ich frage mich wirklich, wie und warum einige Spieler Spaß daran haben? Zumindest behaupten sie dies im offiziellen Forum. Ich habe keine Ahnung, ob sie ansonsten überhaupt etwas spielen, sich nur von der Optik bezaubern lassen oder es vielleicht genießen, wenn man vor ihren Augen mit dem Schlüssel wackelt. Denn mehr ist Middle Manager of Justice für mich nicht.

Es besitzt weder die Grundbausteine für ein ausgereiftes Manager-Spiel, noch bietet es süchtig machende, manipulative Elemente, die einen dennoch bei der Stange halten. Ich bekomme hier den Eindruck, als wollte sich Double Fine an dem Free-2-Play-Markt beteiligen, ohne das System dahinter zu verstehen. Entweder fesselt man mich mit einem wirklich komplexen beziehungsweise spaßigen Titel an den Bildschirm oder manipuliert mich mit hinterhältigen Skinner-Boxen und wirkungsvollen Lizenzen.

Auch wenn Middle Manager of Justice eine clevere Prämisse und schönes Design besitzt, kann ich es nicht einmal für den nicht vorhandenen Preis empfehlen. Kauft euch für 89 Cent ein überragendes Spiel wie Super Hexagon. Starrt bei der nächsten Busfahrt aus dem Fenster. Macht bitte etwas anderes, als dieses Spiel zu unterstützen. Oder seid ihr dermaßen süchtig nach kostenlosen Apps, dass das eigene Niveau schon längst beerdigt wurde?

3 / 10

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